352. Die Jungfrau im Pinnower See.

[269] Ein alter Fischer in Pinnow erzählt, daß er in seiner Jugend einmal am Pinnower See gefischt und dann am Abend, wie er pflegte, seine Netze über das Gebüsch des Borgwerders zum Trocknen ausgebreitet. Da erschien ihm plötzlich ein schönes Weib, das dem See entstiegen. Sie theilte ihm mit, sie sei verzaubert und könne nur alle hundert Jahre an drei Abenden erlöst werden, wenn ein reiner Jüngling sich entschließe, in drei Mitternachtsstunden die Insel auf den Knieen zu umkriechen und sie, die ihm als Kröte begegnen werde, zu küssen. Thue er das, so werde ihr Erlösung und ihm reicher Lohn zu Theil. Der Fischer weigerte sich, versprach aber, durch ihren flehenden Blick gerührt, es sich zu überlegen und am nächsten Abend[269] wiederzukommen. Das Mädchen erscheint wieder und wiederholt ihre Bitte; er ist bereit, es zu thun, wenn er einen Freund mitbringen dürfe. Allein darauf erklärt sie, nicht eingehen zu können, und nachdem er dreimal dasselbe erklärt, verschwindet sie trauernd mit den Worten, daß sie nun wieder hundert Jahre ihrer Erlösung harren müsse.


Lehrer L. Pechel; vgl. Niederh. 1, 58.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 269-270.
Lizenz:
Kategorien: