40. Das Riesengrab.

[30] An der Chaussée von Wismar nach Grevesmühlen zwischen Sternkrug und Hungersdorf in den Tannen, wo der Barendorf-Plüschower Weg die Chaussée schneidet, in der südwestlichen Ecke liegt das ›Riesengrab‹. Vor langer, langer Zeit wohnte in dieser Gegend ein Riese mit seiner Frau. Derselbe that den umwohnenden Leuten vielen Schaden, indem er ihnen ihre Hausthiere wegnahm, Korn niedertrat u.s.w. Das verdroß die Leute und sie beschlossen, sich an ihm zu rächen und ihn lebendig zu begraben. Es wurden[30] nun Vorposten ausgestellt, um, sobald sie den Riesen schlafend fänden, die Umwohner davon zu benachrichtigen. Sie fanden ihn an dem oben bezeichneten Platz, und nun kamen die Leute mit Hacken, Gräbern und Schaufeln herbei. Nachdem sie neben dem schlafenden Riesen eine Vertiefung in die Erde gemacht hatten, wälzten sie ihn hinein und beschaufelten ihn mit Erde. Am anderen Morgen ward der Riese von seiner Frau gesucht. Endlich erfährt sie, daß ihr Mann begraben sei und wo sich sein Grab befinde. Da geht sie hin, sammelt ihre Schürze voll Steine und schüttet dieselben um das Grab her. Die Frau trauerte und das Volk jubelte. Beides sollte aber nicht lange dauern, denn noch denselben Tag stand der Riese, für den das Grab nur ein warmes Bett gewesen, wieder auf und setzte sein gewohntes Leben wieder fort, ja, er trieb es noch ärger als vorher. Da sahen die Leute ein, daß der Riese aus dem Wege geräumt werden müsse, wenn sie in Ruhe und Frieden leben wollten. Sie fanden den Riesen abermals an dieser Stelle schlafend. Sogleich wurde an die Arbeit gegangen, ihn noch einmal lebendig zu begraben. Diesmal machten sie eine tiefe Gruft, damit der Riese mehr Erde auf sich hätte und also nicht so leicht wieder herauskäme. Als das Grab fertig war, wurden noch mehrere von den Steinen, welche des Riesen Frau dahin getragen hatte, ihm auf den Kopf gewälzt. Diese Steine sind ihm zu schwer gewesen und da hat er liegen bleiben müssen. Seit dieser Zeit sind hier keine Riesen mehr gesehen worden. Die Frau ist auch bald darauf aus dieser Gegend gegangen.


Seminarist Th. Linshöft.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 1, Wien 1879/80, S. 30-31.
Lizenz:
Kategorien: