1475.

[297] Auf manchen Stellen in Bauerndörfern herrscht folgender Gebrauch in der Ernte. An dem ersten Tage, wenn der Roggen angemäht wird, stellt man vor die Hausthüre einen Stuhl. Auf den Stuhl setzt man einen Eimer mit Wasser. Nun bindet man an die Lehne des Stuhles einen grünen Strauch, und zwar so, daß das untere Ende des Strauches in dem Eimer mit Wasser steht. An den Strauch werden allerlei Gartenblumen und reife Gartenfrüchte, als Kirschen, Johannisbeeren, Stachelbeeren, gebunden. In das Wasser im Eimer legt man Brennessel, neben den Eimer aber Kletten. Wenn nun die Ernte-Arbeiter heimkommen, so müssen sie sich von dem Schmutz, der ihnen von des Tages Hitze und dem Staub anklebt, mit dem Wasser des Eimers reinigen, wobei sie sich die Hände an den Nesseln[297] verbrennen. Haben sie sich gewaschen, so kämmen sie sich mit einem Kamm, der ebenfalls auf dem Stuhle liegt. Nun bewerfen sich die Arbeiter mit den Kletten und zielen hauptsächlich dabei nach den Haaren des Haupts. Haben sie sich die Kletten aus den Haaren gezogen, so müssen sie sich von Neuem kämmen. Man brennt sich einander auch wohl mit den Nesseln; und so geht die Neckerei fort, bis endlich die Hausmutter zum Mahle ruft. Den so aufgeputzten Strauch im Eimer nennt man ›dei Auststruz.‹


Küster Schwartz in Bellin.

Quelle:
Karl Bartsch: Sagen, Märchen und Gebräuche aus Meklenburg 1–2. Band 2, Wien 1879/80, S. 297-298.
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