Achter Auftritt.

[30] Susanne. Graf. Cherubin.


GRAF vorsichtig eintretend. So verlegen, Susanne? du sprichst mit dir selbst, du erröthest. Freilich, eine Braut am Hochzeitstage ...

SUSANNE verwirrt. Was steht zu Euer Excellenz Befehl? Wenn man den gnädigen Herrn bei mir fände!

GRAF. Wäre mir selbst nichts weniger als erwünscht. Doch ich muß dir einmal sagen, welch lebhaften Antheil ich an deinem Glück nehme. Basilio hat dir meine Empfindungen für dich mitgetheilt. Mir bleibt kaum ein ungestörter Augenblick, um dir meine guten Absichten auseinander zu setzen. Höre! Er setzt sich in den Lehnstuhl.

SUSANNE hastig. Ich höre nicht zu.

GRAF ihre Hand ergreifend. Ein paar Worte. Du weißt, der König hat mich zu seinem Botschafter in London ernannt. Ich nehme Figaro mit, gebe ihm die einträgliche Stelle eines Gesandtschaftscouriers. Nun ist es doch die Pflicht der Frau, ihrem Manne zu folgen.

SUSANNE. Daß ich reden dürfte![30]

GRAF sie näher an sich ziehend. Rede, mein Kind, rede! Nimm dir heute ein Recht über mich, das dir für's Leben gehören soll.

SUSANNE erschrocken. Ich will keines, gnädiger Herr; ich bitte, verlassen Sie mich.

GRAF. Vorher sprich!

SUSANNE. Wohlan! Als der gnädige Herr seine Gemahlin dem Doktor Bartholo entführte und aus Liebe heirathete, als er, ihr zu Ehren, ein gewisses abscheuliches Recht des Herrn abschaffte ...

GRAF lachend. Das den jungen Mädchen viel Kummer machte. O Suschen, dies reizende Recht. Wenn du mit mir heute in der Dämmerstunde im Park darüber plaudern wolltest, wie hoch wollte ich diese kleine Gunst bezahlen!

BASILIO von draußen. Ich finde ihn nirgends, Excellenz!

GRAF aufstehend. Basilio's Stimme!

SUSANNE. Wenn er hierher käme!

GRAF. So gehe hinaus, ihm entgegen!

SUSANNE verwirrt. Darf ich den Herrn Grafen allein hier lassen?

BASILIO noch hinter der Scene, näher. Ich habe aber doch Seine Excellenz von der Frau Gräfin weg hierher gehen sehen!

GRAF. Nirgends ein Versteck? Sich umsehend. Hinter dem Lehnstuhl! Hinter dem Stuhl sich verbergend, während der Page auf der andern Seite hervorschlüpft und sich im Stuhl niederduckt. Verwünscht unbequem! Schick' ihn nur bald wieder fort!

SUSANNE das früher mitgebrachte Kleid vom Tisch nehmend und hastig über den Pagen breitend. Was für ein Tag! Als wär's mein letzter!


Quelle:
Beaumarchais [Pierre-Augustin Caron de]: Figaro's Hochzeit. Leipzig [o. J.], S. 30-31.
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Figaros Hochzeit oder Der tolle Tag
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