Neunter Auftritt.

[100] Vorige. Gerichtsschreiber. Friedensrichter. Hinter ihnen: Basilio mit dem Bauernknaben, spielend und singend; Landleute folgen, in der äußeren Halle zurückgehalten.


GERICHTSSCHREIBER zurücksprechend. Niemand herein! Wachen an die Thür!

GRAF aufstehend. Was gibt es?

FRIEDENSRICHTER. Ba-Ba-silio kommt.[100]

GERICHTSSCHREIBER. Das ganze Dorf hinterdrein, weil er aufspielt und singt.

GRAF. Laßt ihn ein, aber ihn allein.

GRÄFIN. Darf ich mich zurückziehen? Der Graf verneigt sich. Susanne folgt mir, aber nur, um gleich wieder hier zu sein. Leise zu ihr. Zur Verkleidung. Gräfin und Susanne ab.

BASILIO schon hinter der Scene hörbar, singt:

Scheltet nicht auf flücht'ge Liebe,

Die nicht hält, was sie verspricht;

Wechsel in dem süßen Triebe

Ist nicht Fehler, sondern Pflicht.

Wenn Gott Amor sitzen bliebe,

Hätt' er keine Flügel nicht!

Nein, dann hätt' er Flügel nicht,

Flügel hätte Amor nicht.


Begleitung und Nachspiel auf der Guitarre.


FIGARO auf Basilio losgehend. Richtig, deswegen hat Amor Flügel auf dem Rücken. Doch was soll die Musik hier?

BASILIO den Bauernknaben vorführend. Nachdem ich auf des Herrn Grafen Befehl diesen Jüngling, der zur Gesellschaft gehört, unterhalten habe, verlange ich nun meinerseits vom Herrn Grafen mein Recht.

BAUERNKNABE. Unterhalten hat er mich ganz und gar nicht, gnä'ger Herr, mit seinem Geklimper.

GRAF. Basilio, was verlangst du?

BASILIO. Was mir zukommt, Marzellinens Hand. Ich thue Einsprache gegen ihre Ehe mit Bartholo.

FIGARO ihm dicht gegenübertretend. Hast du lange keinen Schalksnarren gesehen?

BASILIO ihn anstarrend. Im Augenblick sehe ich einen, in Lebensgröße.

FIGARO. Freut mich, daß mein Auge ein so guter Spiegel ist. Nun merk' auf meine Prophezeiung: wagst du es, dieser Dame dich nur zu nähern ...

BARTHOLO unterbricht ihn lachend. Laß ihn immerhin schwatzen.[101]

FRIEDENSRICHTER sie trennend. Zw..Zw..Zwei Fr...Fr...Freunde!

FIGARO. Wir – und Freunde!

BASILIO. Grober Irrthum!

FIGARO. Weil er schlechte Musik macht?

BASILIO. Und er noch schlechtere Verse?

FIGARO. Kneipen-Fiedler!

BASILIO. Zeitungsschreiber!

FIGARO. Leierkasten!

BASILIO. Depeschenbeutel!

GRAF. Ihr werdet unverschämt, alle beide.

BASILIO. Vergißt er nicht immer und überall, was man mir schuldig ist?

FIGARO. Als ob man ihm etwas schuldig sein könnte.

BASILIO. Giebt es doch keinen berühmten Sänger, der nicht durch meine Schule glänzt.

FIGARO. Grunzt.

BASILIO. Er fängt schon wieder an.

FIGARO. Und warum nicht, wenn ich die Wahrheit sage? Bist du ein Prinz, daß man dir schmeicheln müßte? Ertrage also die Wahrheit, da du keine Lüge bezahlen kannst, und wenn du sie hier nicht hören magst, warum störst du unser doppeltes Hochzeitsfest?

BASILIO zu Marzellinen. Habt Ihr mir, Ja oder Nein, versprochen, mich zu heirathen, wenn Ihr in vier Jahren, das ist heuer, noch ledig wäret?

MARZELLINE. Ich hab' es versprochen, aber unter einer Bedingung.

BASILIO. Daß ich einen gewissen, verlorenen Sohn, wenn er sich wiederfände, an Kindesstatt annähme.

ALLE. Er hat sich gefunden.

BASILIO. Ich adoptire ihn. Man stelle ihn mir vor.

FIGARO. Da steht er schon.

BASILIO zurückweichend. Ha, der Teufel!

FRIEDENSRICHTER. Ihr verzi-zi-zichtet auf seine Mu-Mutter?[102]

BASILIO. Was könnte Einem Schlimmeres begegnen, als Vater zu einem solchen Hanswursten heißen?

FIGARO mit einem tiefen Kompliment. Der Sohn einer solchen Vogelscheuche sein!

BASILIO. Ich verzichte! Sobald dieser Taugenichts im Spiele ist, ziehe ich mich zurück. Er eilt zornig ab.

BARTHOLO laut lachend. Hahaha!

FIGARO mit einem Freudensprung. Endlich komme ich zu meiner Frau!

GRAF leise. Und ich zu meinem Stelldichein.

FRIEDENSRICHTER. A-A-Alles ist zufriedengestellt.

GRAF. Man setze beide Eheverträge auf; ich werde unterzeichnen.

ALLE. Vivat, der gnäd'g Herr soll leben, hoch! Der Graf will gehn.

ANTONIO. Im Park ist großes Feuerwerk, unter den Kastanienbäumen!

GRAF hastig umkehrend. Was fällt dir ein? Unter den Kastanienbäumen?

FIGARO. Was schadet das?

GRAF. Aber die Gräfin ist unwohl, verläßt ihr Zimmer nicht und würde vom Feuerwerk nichts sehen. Auf der Terrasse muß es sein, unter ihren Fenstern.

FIGARO. Welche Aufmerksamkeit für seine Gemahlin.

GRAF im Abgehen, für sich. Unter den Kastanienbäumen, schöner Einfall. Sie hätten mir mein Dämmerstündlein in Brand gesteckt.


Alle ab, bis auf Figaro und Marzelline.


Quelle:
Beaumarchais [Pierre-Augustin Caron de]: Figaro's Hochzeit. Leipzig [o. J.], S. 100-103.
Lizenz:
Ausgewählte Ausgaben von
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Die Figaro-Trilogie: Der Barbier von Sevilla oder Die nutzlose Vorsicht / Der tolle Tag oder Figaros Hochzeit / Ein zweiter Tartuffe oder Die Schuld der Mutter

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