XXXIII. Liebe.

[134] Du Liebe, Wunderblume aus Gottes Strahlenkranz,

Du Liebe, heilger Lichtstrahl, urewger Sternenglanz!

Du Sonnengott, der zürnend die Menschenherzen trifft,

Pilote, der errettend kühn durch die Brandung schifft:


O Liebe, dem Gefallnen reichst Du die Rettungshand,

Dem Wandrer in der Oede zeigst Du sein Heimathland.

Wess Herz auch mag verwunden Dein wunderbarer Pfeil,

Durch Schmerz wird es gesunden, und wird durch Wunden heil!


Fand Faustus jene Blume, die nur Beglückten blüht?

Fällt jenes Sternes Lichtstrahl ihm tröstend ins Gemüth?

Und trifft sein Herz, das sündge, solch wunderbarer Blick,

Als ob er Heil verkündge? Heil und ein neues Glück?


Ihn grüsset bei dem Nachbar ein Engelangesicht;

So reizvoll, dass ihm Hoffnung in volle Blüthen bricht.

Ein Antlitz, das so schuldlos, ein Auge, das so klar,

Ein Mägdlein, wie noch keines ihm hold erschienen war.[134]


Von reinrer Gluth durchlodert, als jemals er empfand,

Neigt sich sein Herz in Liebe zur Maid aus niederm Stand.

Der Reiche, dem die Schätze der Welt nichts, steht verzagt,

Um einen Gunstblick bettelnd von einer armen Magd.


Unschuld, wie bist Du mächtig! Ein Kind voll Riesenkraft!

Ein Herkules, der bändigt die Schlange Leidenschaft!

Ein Stahlschild, drauf den Frevler ernst die Meduse schreckt;

Ein Panzer, himmlisch glänzend, der einen Cherub deckt.


Gar Mancher nennt es Liebe, wenn er voll Sehnsucht schwärmt,

Wenn er im Wachen schmachtet und sich im Schlummer härmt;

Wenn er in sel'gen Träumen vor Idealen kniet,

Und in der Auserkornen nur einen Seraph sieht.


So träumt und schwärmt der Jüngling, im wonnigen Gefühl;

Doch mehr als zärtlich schwärmen ist eines Mannes Ziel.

Freut Jugend sich der Blüthen, und windet sie zum Kranz,

Will er die Frucht sich sichern, will sie allein – und ganz. –


»Und kommt noch einmal Hoffnung auf eine schönre Zeit,

Die mit dem Kranz der Liebe mir ihre Palme beut?

Sollt' ich zurück denn stossen mein Glück mit eigner Hand?

Ist nicht die heilge Flamme der Himmelsliebe Pfand?«


»Mein will der Engel werden, doch am Altar. – O mein!

Der göttliche Gedanke schliesst Seligkeiten ein!

Sie lässt mich freudig ahnen ein kaum gehofftes Glück,

Sie führt auf bessre Bahnen mich Irrenden zurück!«[135]


So jubelt Faustus freudig, von holdem Wahn bethört;

Er hat den Pakt vergessen, der all sein Glück zerstört.

Und als er wonnetrunken sich reich und selig preist,

Erscheint ihm, zornvoll dräuend, um Mitternacht der Geist.


»Zu früh, zu früh frohlockst Du! So wird die Maid nicht Dein!

Hast Du den Bund vergessen? Du schwurst uns, nie zu frein!

Sieh hier das Wort, das eigne, das Du zu brechen wagst,

Und diese Züge läugne, Faustus, wenn Du's vermagst!«


»Du wirst nicht frein! Beim Erbfeind, den einst die Magd gebar!

Du wirst nicht frein! Wir reissen Dich höhnend vom Altar!

Wir würgen Dich im Arme der Braut, und Dein Gebein

Verstreun wir unterm Richtplatz! Faustus! Du wirst nicht frein!« –


›Ha, so schlingt mich hinunter, zerreisst, vernichtet mich!

Ihr seid ja meine Herrscher, und Euer Sklav' bin ich!

Ich dünkte mehr als Sklav mich, ha, schlechter noch als schlecht!

Den mächt'gen Herrn verliess ich, und ward des Knechtes Knecht!‹


›So sei mit mir verfallen Dir, finstre Höllenmacht,

Der Lichtstrahl, der von oben, als Hoffnung mir gelacht!

Die Ahnung, die dem Träumer verhiess ein Paradies,

Und jegliches Empfinden, das Liebe fühlen liess!‹


Er schweigt, auf seiner Stirne steht kalter Todesschweiss,

Doch aus den Augen stürzen zwei Feuerzähren beiss.

Das Bild, ihm hold erschienen, weicht still in Nacht zurück,

Die Hoffnung war, auf Liebe, sein letztes Erdenglück.


[136] Entsagung, herbe Schmerzfrucht, gereift am Baum der Qual,

Von Wehmuth abgeschüttelt mit Blättern, welk und fahl;

Dich beut das dunkle Schicksal statt süsser Liebesfrucht,

Und wirft die Hoffnung nieder mit seiner Lanze Wucht.


Du Liebe, Wunderblume, urewger Sternenglanz,

Hältst Du nicht den Gefallnen kraft eines süssen Bands?

Und wendest von dem Armen Dein reines Angesicht?

Ach, wem nicht Liebe hülfreich, dem hilft der Himmel nicht![137]


Quelle:
Bechstein, Ludwig: Faustus. Ein Gedicht, Leipzig 1833, S. 134-138.
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