Capitul IV
Lorenz hinter der Wiesen verliert seine Haushälterin und disputiert vom Glauben

[17] Aus diesem Vorhergehenden kann der Leser genugsam abnehmen, was für ein sauberer Schafhund mein Herr gewesen, und wie fleißig er sich von mir hat auf den Dienst warten lassen, und ich muß ihm's auch mit höchstem Ruhm nachschreiben, daß er selten ein gutes Bißlein gefressen, von welchem er mir nicht zugleich etwas mitgeteilt hätte. Einesmals wetteten wir nach unserer Gewohnheit miteinander, wer unter uns beiden die Nacht mehr Luftstreicher aus dem hintern Feuermörser werfen könnte. Auf daß er nun hierinnen nicht zuschanden würde, fraß er abends eine große Schüssel voll saure Milch oder, wie man es sonst auf österreichisch heißet, einen guten Weidling voller Selpeherd. Denn er sagte, daß es auf solche Milch trefflich gut Plasii werde abgeben, und weil ich mir ohne das nicht getraute, hierinnen sein Meister zu werden, gab ich die Sache schon verloren, ehe wir noch zu streiten angefangen. Weil es aber zwei Groschen galt und ich ein ziemlich armer Teufel war, ersann ich einen Vorteil und nahm eine Schweinsblase mit mir ins Bette, davon ich dem Edelmanne nicht die geringste Meldung getan. So war mir am ersten geholfen, denn, so oft er einen ließ, so oft ließ ich zweie, ja auch wohl gar drei, vier und fünfe, darüber er sich sowohl als ich halb krank gelachet. »Jung«, sagte er zu mir, »es ist noch um ein paar Monat zu tun, so kannstu es besser als ich selbst, und ich schwöre hoch und teuer, daß mir die Zeit meines Lebens kein solcher Possen widerfahren, als der mir heute mit dir begegnet.« Auf solches Gespräch nötigte er sich nach allen Kräften und Vermögen, bis endlich die ganze Schul in das Bett und auf mein Hemde gelaufen kam, darüber wir beide aus dem Bette sprangen.

Wir hatten eine alte Haushälterin, die mußte uns das Bett machen, und als sie den unverhofften Schatz in demselben angetroffen, fängt sie nach der alten Weiber Art und Gebrauch erschrecklich an zu schmälen. »Was für ein Hundsfutt«, sagte sie, »hat das getan? Seht doch um hundert Kletzen willen, was dieses für eine schöne Hofweis ist. Pfui Sapperment, das hat der saubere Junker Lorenz getan, ich wollt, daß ihn der Teufel samt seinem Bettscheißen hätte! Oh, es wär kein Wunder, wenn seine Frau Mutter aus dem Grabe aufstünde und ihm seinen verschissenen Hintern mit Ruten wacker abstriche. Der Grobian tut es schon öfter, ich muß auf und davonziehen, der Teufel möchte einem solchen Bettscheißer länger auf dem Schlosse dienen. O ja, ich hab vierzig Gulden Besoldung und muß um so ein schlechtes Lidlohn einen so argen Gestank einfressen, daß ich einen Ziegelstein erbarmen möchte. Ich will hingehen und will ihm das Bettuch zeigen, auf daß er sehe, wie ein ehrbarer Bettscheißer er ist.[18] Pfui Teufel, ich bin eine alte Frau, aber ich wollte den Pfifferling, ohne Ruhm zu melden, länger im Arsche halten als der junge Gelbschnabel.« Mit diesen Worten eilte sie nach allem Vermögen zu Herrn Lorenzen, und weil sie nicht fest auf den Beinen war, wetzte sie den Hintern hin und wider wie eine Wettergans. Damals waren wir gleich miteinander auf der Kegelstatt, wo wir teils dem Kegelspiel, teils auch den Hunden abwarteten, welchen wir die Prügel und Steine, selbige zu holen, vorgeworfen. »Höret«, sagt sie, sobald sie uns ersehen, »wer ist unter euch beiden so ehrenwert und darf eine so saubere Hagemauermalerei anfangen? Oh, daß euch ja der Teufel holte! Ist das nicht immer Spott und Schand, Herr Lorenz, Ihr wollt ein so stattlicher Cappalier (Cavalier) sein, und schämt Euch nicht, eine solche Fretterei anzurichten? Pfui, schämet Euch! Pfui, schämet Euch! Pfui, schämet Euch!«

»Du alte Runkunkel«, sagte Lorenz, »geh, oder ich werfe dir einen Kegel in den Nacken hinein und schmiere dir das Tuch noch dazu um das Maul herum. Warum verstopfest du mir den Hintern nicht mit einer Hand voll Haberstroh, du alte Strohfidel? Dir zu Ehren will ich meiner Natur kein Halseisen anlegen. Willstu es nicht leiden, so schere dich zum Tor hinaus, du Pantoffelholz!« Hiermit ergriff er ein Stück Roßdreck und warf auf sie, und weil sie aufs neue zu schmälen angefangen, stand ich Herrn Lorenzen in seiner Arbeit bei, bis wir die alte Anna samt ihrem bestuhlgängten Bettuche so gut wieder über den Hof hinübergejaget, als sie hergekommen.

Auf eine solche Art brachte er die alte Haushalterin gar aus ihrem siebenundvierzigjährigen Dienste, welche ihn an den benachbarten Orten für einen grauslichen Lauslümmel ausschrie. Denn dieses ist des abgedankten und davongejagten Gesindes gemeinster Brauch, daß sie ihre Herren austragen und ausschandieren, wie sie immer können und mögen. Aber es ist gewiß, daß diese gute alte Anna meinem Herrn schwerlich so viel Übles wird nachgesagt haben, daß er nicht drei- oder vierfältig so viel begangen hätte. Denn er war ein Mensch von der allerhöchsten Faulheit, und ich kann schwören, daß ich ihm gar oft zur Sommerzeit die Kirschen, Äpfel und Birnen habe schälen und ins Maul stecken müssen. Solchergestalten hatte er große Not, eine andere Magd ins Schloß zu bekommen, bis er endlich eine alte Bettlerin vor dem Tor bei dem Rocke erhaschet und sie mit Gewalt zum Dienste ins Schloß gezogen. Diese Dienstmagd, ob sie schon ziemlich krätzig und schäbig war, hielt sich doch sehr munter und fleißig. Wenn man in der nächstgelegenen Kirche in die Frühmeß läutete, so kam sie an unsere Kammer und rief uns in die Kirche. »Ja«, sagte mein Herr, »der wär ein Narr, der so frühe in die Kirche ginge. Nein, mein lieber Hans, im Bett tut es besser als in der Kirche, laß du den Pfaffen beten, er hat sein Geld dafür. Wenn mir's bezahlet wird, so will ich auch zu paternosterieren anfangen. Hans, Hans, laß du den Mesner läuten, bis ihm die Nägel wie den Weißgerbern braun und[19] schwarz werden, mich treibt er doch nicht aus dem Bett heraus, und solle er sich die Schwindsucht an den Hals läuten. Morgen ist auch Zeit, in die Kirche zu gehen. Ich soll Messe hören, und der Pfaff macht es so heimlich, daß ich's nicht hören kann. So ist es auch noch so finster und dunkel, daß ich in der Kirche den Pfaffen weder hören noch sehen werde. O Hans, bleibe du liegen und suche mir dafür die Läuse aus dem Hemd. Kommt mir die Magd noch einmal vor die Kammer, so will ich ihr die Messe singen, daß es gesungen heißen sollte.«

Indem er so redete, kam die Magd das andere Mal, klopfte an und sprach: »Herr, saprament, steht auf, man schlägt schon zusammen, eilet oder Ihr kommt zu spät!« »Du Plundervieh«, antwortete mein Herr, »schere dich hinweg oder ich will dir einen Branntwein geben, wie man den Bären gibt, die nicht tanzen. Was geht mich das Kirchengehen an, geh du dafür hinein, du Bettelkrücken, und bete, daß du eine neue Schürze bekommst! Komme ich in die Küche und sehe, daß du das Fleisch noch nicht zum Feuer gesetzt hast, so will ich dich karbatschen wie einen Pudelhund. Packe dich nur bald von der Kammer, und kommstu mir noch einmal, so will ich dir im Hemde so weit mit dem Pantoffel nachlaufen, als du heim hast.« »Herr«, sagte ich dann zu ihm, »was seid Ihr für einer Religion? Wie ich sehe, so seid Ihr nicht gut katholisch, denn Ihr haltet nichts von der Mess.« »Ha«, sagte er, »was bekümmere ich mich um die Religion. Es sind derer so viel, daß sich die Gelehrten selbst nicht drein zu finden wissen. Ich müßte ein großer Narr sein, daß ich mich darum viel bekümmern soll. Hans, eine gute Bratwurst dafür mit saurem Kraut oder frischem Senf, das schmeckt dem Magen besser, als wenn man jahrein jahraus von der Religion grübelt und disputiert. Ich lob meinen Vater, daß er mich nicht hat studieren lassen. Er tat mich zwar in eine lateinische Schul, aber, Narrenpossen, ich konnte nichts lernen, und der Quartus plagte mich immer mit dem participio und solchem Gezeug, daß ich gar davongelaufen bin. Daher hab ich nicht viel auf das Schulwesen gehalten. Was Glaubens bist du denn, Hans?« »Herr«, sagte ich, »ich bin gut katholisch, wie denn auch mein Großvater, mein Vater und meine Mutter, auch alle meine Freunde sein. Denn sie und ich sind in dem katholischen Glauben geboren, getauft und auferzogen worden.« »Ja nu«, antwortete er, »so bin ich gut österreichisch, denn mein Großvater, Vater und meine Mutter samt allen meinen Freunden sind in Österreich geboren, auferzogen und getauft worden.« »Herr«, sagte ich, »was glaubt Ihr denn?« »Narr«, sagte er, »ich glaub, daß du nicht gescheit bist, und hörstu nicht auf, mich um solche Sachen zu fragen, werf ich dich gar zum Bette hinaus. Was geht dich mein Glauben an? Ist's nicht genug, daß ich dir für dein Buckelkratzen und Läusabsuchen zu fressen und zu trinken gebe? Du Bärenhäuter, willstu viel von solchen Sachen wissen, so geh auf Linz zu den Jesuiten hinein, die werden dir in einer Stund mehr davon[20] sagen können als ich in einem ganzen Jahr.« »Herr«, sagte ich weiter, »wisset Ihr denn auch, was der lutherische Glaub ist?« »Ha«, antwortete er, »es ist halt auch ein Glaub wie ein anderer Glaub, die Lutherischen fressen so gern etwas Guts als du, und sehen eine Katz so wenig für einen Fuchs an als du, sie verrichten auch ihre Notdurft als wie du und haben die Zähne so wenig im Hintern als du.« »Herr«, sagte ich, »wie ich höre, so haltet Ihr gar nichts vom Glauben?« »Ja«, sagte er, »freilich halte ich wenig davon, ich halte aber auf ein gutes Faulbette desto mehr. Hans, Straplicorde, es beißt mich eine Laus auf dem linken Schulterblatt, gib Achtung, daß du sie kriegest, so bekommen wir einen Morgenbraten.«

Mit solchen Reden brachte Herr Lorenz die Morgenstunden im Bette zu, und er sagte mir oft, daß er die Zeit seines Lebens vor zehn Uhr nicht aufgestanden sei. Auch, als er noch ein Jüngling war, hätten ihn die Diener auf Geheiß seiner seligen Eltern mutternackigt aus dem Bette herausreißen müssen, da wäre er also ohne Hemd wohl eine halbe Stund noch voll Schlaf in der Kammer herumgetaumelt, ehe er zu sich selbst und in die Kleider gekommen.

Quelle:
Johann Beer: Das Narrenspital sowie Jucundi Jusundissimi Wunderliche Lebens-Beschreibung. Hamburg 1957, S. 17-21.
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