Fünfte Scene.

[402] Verwandlung. Erleuchteter Saal mit drei Flügelthüren. Sie sind geöffnet, man sieht den Ballsaal. Tanzmusik. In dem hintern Saale Tanzende, Masken, Hofleute. In dem vordern sind Einzelne mit einander im Gespräch begriffen. Diener tragen Erfrischungen hin und her. Haushofmeister. Mehrere Diener.


HAUSHOFMEISTER.

Macht fort, der erste Tanz ist bald zu Ende!

Dorthin! Der König ist im Rittersaal

Mit Ihrer Majestät der Kön'gin Witwe,

Da muß das Beste hin. Eilt, eilt!

EIN DIENER aus dem Saal.

Der Ove Guldberg fordert Wein. Geschwind![402]

HAUSHOFMEISTER.

Hat's solche Eil'. Der wird nicht gleich verdursten.


Für sich.


Würd's ihm zu Gift!

DIENER für sich.

Der alte Murrkopf ist

Gut Struensee'sch. Ich aber witt're was –

Und denke, wenn der Große fällt, so stürzen

Die Kleinen hinterdrein.


Haushofmeister, der mit andern Dienern gesprochen, geht ab.


Wart, Alter! wart,

Du sollst uns nicht mehr auf die Finger seh'n;

Was gilt's, dein Regiment ist bald zu Ende!


Mehrere Diener kommen.


ZWEITER DIENER.

Sieh' da, Georg! Was stehst du da und grübelst?

's giebt zu laufen, steh' nicht müßig!

DRITTER DIENER.

Laß ihn!

Sag' uns, Politicus, wie schaut's im Saal aus?

ERSTER DIENER.

Schlimm, sag' ich euch.

ZWEITER DIENER.

Schlimm? Ei das wär'![403]

DRITTER DIENER.

Wie so?

ERSTER DIENER.

Wie so? Ist's euch nicht hell genug im Saal,

Könnt ihr nicht lesen? Wenn ihr lesen könntet,

So rath' ich euch, studirt Physiognomien.

Legt euch nicht auf die Vornehmen, die sind

Zu schwer für euch. Bleibt nur bei Euresgleichen

Und buchstabirt die Augen und die Nasen

Der Dienerschaft vom Schloß der Witwe. Da, –

Das sag' ich euch, in ihren Katzenaugen,

Auf ihren Nasen wie ein welsches S

Emporgereckt, steht deutlich –

ALLE.

Was?

ERSTER DIENER.

Wie pfiffig!

Daß ich ein Narr wär', 's euch zu sagen.


Er läuft ab.


ZWEITER DIENER.

Der Thor, der Obenaus! – –

HAUSHOFMEISTER kommt zurück.

Ei, steht ihr hier

Und gafft, und schafft nichts? Seht ihr nicht,

Da kommt Graf Brandt. Nun ist der Tanz zu Ende[404]

Und Ihro Majestät die Königin

Mathilde kommt hieher.

ZWEITER DIENER.

Wer ist der Fremde,

Der ihr zur Seite geht?

HAUSHOFMEISTER.

Ein Cavalier

Aus Rußland, – scheint mir gar ein feiner Herr,

Ist weit gereist, und hab' mir sagen lassen,

Er hab' versichert, solch ein Schloß, wie dies,

Gäb's auf der Welt nicht mehr. Ja, Christiansburg

Sucht seines Gleichen, und ein Fest, wie dies,

In solchen Sälen, kann die Augen blenden.

Und doch ist Alles wohlbestellt, und nichts

Verschwendet. Wenn ich noch der Zeit gedenke

Des Grafen Holk, – da war der Diener Herr

Und keine Ordnung mehr und Zucht.

ZWEITER DIENER.

Ihr seid

So alt und lobt das Neue stets.

HAUSHOFMEISTER.

Meinst du?

Das Gute lob' ich, nicht das Neue. Euch,

Das weiß ich, wär's gelegen, käm' nur wieder

Ans Ruder Einer, der gewähren ließe. Doch

Nicht eure Wünsche, denk' ich, hört der Himmel.[405]

Ein wack'rer Herr ist Graf von Struensee,

Und beide Majestäten wissen's wohl,

Was er dem Lande ist. Der wird uns bleiben.

ZWEITER DIENER für sich.

Das wär' mir grad' gelegen! –

HAUSHOFMEISTER.

Fort, ihr Bursche,

Der Königin Mathilde Majestät.


Die Diener zerstreuen sich.


Quelle:
Michael Beer: Sämmtliche Werke. Leipzig 1835, S. 402-406.
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