Eilfter Auftritt

[33] Moritz tritt mit einem einnehmenden Wesen auf, und naht sich Theodora. Die Vorigen.


MORITZ ihr die Hand küssend. Ich bin sehr glücklich, schöne Unbekannte, endlich Sie zu finden, nach der mein Herz schon mehrere Tage hindurch so sehnlich verlangt hat. Seit dem Ball, den Ihre Gegenwart beglückte, schwebt Ihr Bild, wie ein Engel Gottes, um mich.

THEODORA. Sie scherzen mit mir; ich bin nicht so schön, daß mein Bild einen so tiefen Eindruck machen könnte.

MORITZ. O wer vermöchte zu scherzen in einer Sache, von der das Glück unsers Lebens abhängt. Wenn Sie dies glauben, so kennen Sie die Gewalt dieser Reize nicht, die jedes Männerherz unwiderstehlich hinreißen müssen.

THEODORA. Sagen Sie dies der schönen[33] Dame, die ich vorhin bei Ihnen sah; ihr kömmt es zu.

MORITZ. Es war meine Schwester.

THEODORA. Ihre Schwester? O wie freue ich mich! Ihre Schwester ist sehr schön.

MORITZ. Ja, sie darf ihre Gestalt zeigen, und manche Männer bewundern sie. Aber wenn sie gegen diese hier erscheinen sollte, wie würden ihre Reize dahin schwinden.

THEODORA. So etwas darf ich nicht anhören. Lisette wir wollen gehen.

MORITZ. Nein, ich kann Sie nicht fortlassen, ehe ich mein Schicksal weiß. Umfaßt sie mit einer Hand, unterdeß sie sich zu sträuben sucht. O wenn hinter dieser himmlischen Außenseite ein kaltes, grausames Herz verborgen wäre, wenn es unempfindlich gegen meine Leiden bliebe, ich würde der Unglücklichste aller Sterblichen seyn.

THEODORA. Lassen Sie mich! Wenn wir hier bemerkt würden, wenn meine Aeltern dies erführen!

MORITZ. Wir sind hier an einem einsamen Ort, wo uns niemand bemerken kann, und ich muß erst mein ganzes Herz vor Ihnen aufschließen, ehe ich mich von ihm losreißen kann. Ich liebe zum erstenmal, und um so heißer und inniger. Seit[34] wenigen Tagen bin ich von der Universität zurückgekehrt, von einem Ort, wo der verführerischen Mädchen so viele sind; aber keine von allen hat mein Herz gerührt. Meiner Vaterstadt war es aufbehalten, mir das Wesen zu zeigen, das für mich geschaffen ist. Sie, Krone Ihres Geschlechts, haben mein ganzes Innere mit unwiderstehlicher Leidenschaft erfüllt, und wenn ich keine Gegenliebe finde, wenn das Herz unter diesem heiligen Busen hier mir nicht entgegen schlägt, so bin ich in meinem zwanzigsten Jahre schon hoffnungslos unglücklich.

THEODORA. O mein Gott, Sie erschüttern mich. Aber was soll aus dieser Leidenschaft werden?

MORITZ. Das glücklichste, das zärtlichste Paar, das die Erde betritt, so bald Sie mir Gnade, Liebe, Erhörung zulächeln.

THEODORA. Aber ich kenne Sie nicht, ich weiß nicht wem ich mein Herz öffnen soll. Sagen Sie mir, wer sind Sie?

MORITZ. Ich habe nicht gefragt, schöne Unbekannte, wer Sie sind. Forschen Sie jetzt noch nicht, wer ich bin. O ich wünschte so sehnlich, daß bloß reine, heilige Liebe unser Band stiftete, daß kein Rang, kein Vermögen entschiede.

THEODORA. Aber meine Aeltern –

MORITZ. Auch unsre Aeltern dürfen hier nicht[35] entscheiden; nur wir allein, nur unsre Herzen! Und wenn die sich gegen einander ergossen, wenn unsre Seelen gefühlt haben, daß wir für einander erschaffen wurden, dann wollen wir ihren Seegen erflehen. O lassen Sie mich das himmlische Wort aus Ihrem Munde hören, daß ich hoffen darf; daß Empfindung für mich in diesem unschuldsvollen Busen schlägt. Lassen Sie mich nicht hoffnungslos, nicht verzweiflungsvoll von hier gehen!

THEODORA sich zu Lisetten wendend, die in einiger Entfernung steht. Um Gotteswillen, Lisette, sage mir, was soll ich machen?

LISETTE. Was besinnen Sie sich denn noch? Sagen Sie ihm doch, daß Sie ihm wieder gut sind, reden Sie doch die Wahrheit! der arme Mensch ist ja außer sich.3

MORITZ. Nun, Theuerste, sprechen Sie mein Urtheil, lassen Sie mich nicht länger auf dieser Folter der Ungewißheit.

THEODORA. Ich bin sehr beschämt.

MORITZ. Auch diese Beschämung ist hinreißend[36] bei einem so reizenden Geschöpf; darf ich sie zu meinem Vortheil erklären?

THEODORA mit niedergeschlagenem Blick. Thun Sie es, edler Jüngling! Ich will nicht länger die Empfindung meines Herzens verhehlen. Sie sind der erste, der mir von allen Männern gefallen, der die erste Empfindung der Liebe meinem unerfahrnen Herzen eingeflößt hat.

MORITZ. O welche himmlische Musik sind diese Worte für mich! Ich muß sie hinweg küssen von diesen Rosenlippen. Umarmt und küßt sie.

THEODORA sich wegwendend und halb leise. Gott, was war das! – Und wie ist mir! – Ich muß fort!

MORITZ. Nein, Königinn meines Herzens, erst setzen Sie meinem Glücke das Diadem auf, und bestimmen Sie mir den Ort, wo ich Sie wieder sehen darf. Wir müssen uns näher kommen, wir müssen die Verwandschaft unsrer Seelen fühlen lernen. Bestimmen Sie mir, Theuerste, wo ich Sie wieder sehen soll.

THEODORA. Nein, das kann, das darf ich nicht.

MORITZ. Was hör' ich? Wollen Sie mich wieder herunterstoßen von dem Gipfel meines Glücks? Wollen Sie bange Zweifel in mir erwecken,[37] daß Ihr Geständniß nicht aus dem Herzen kam? Soll ich voll Verzweiflung hinweg gehen, daß ich so schrecklich getäuscht ward?

THEODORA abgewandt. O mein Gott, was soll ich beginnen?

LISETTE leise. Seyn Sie doch nicht eigensinnig! Lassen Sie ihn doch heute Abend in unsern Garten kommen!

MORITZ. Wenn ich hinweg gehen muß, ohne daß ich weiß, wo ich Sie wiedersehen soll, so irre ich trostlos umher, und klage laut mein Schicksal an, daß mein Herz so grausam gefoltert wird. Nirgends werde ich Ruhe finden.

LISETTE leise. Hören Sie? der arme Mensch kann sich noch Leides zufügen. Sagen Sie ihm doch, daß er kommen soll!

THEODORA leise. Nein, das kann ich unmöglich.

LISETTE. So will ichs ihm sagen. Soll ich?

THEODORA. Ach Gott ja, wenn es nicht anders ist.

LISETTE zu Moritz. Kommen Sie heute Abend um halb zehn Uhr an die Gartenpforte, die auf die Mühlenstraße geht. Ich werde Sie einlassen. Leise. Ich vermag viel bei meiner Mamsell.[38]

MORITZ. Darf ich kommen, Einzige, Göttliche?

THEODORE. Sage ja, Lisette; ich kann es unmöglich. Ich muß fort, ich werde so unruhig. Zu Moritz. Leben Sie wohl! Geht mit einer Verbeugung ab.

LISETTE im Abgehen. Heute Abend um halb zehn Uhr. Vergessen Sie ja nicht!

MORITZ. Nein gewiß nicht!


Quelle:
Benkowitz, Karl Friedrich: Die Jubelfeier der Hölle, oder Faust der jüngere. Berlin 1801, S. 33-39.
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