Sechster Auftritt

[91] FAUST kömmt langsam und tiefsinnig. Fünf Sinne trägt der sterbliche Wurm hienieden zur Empfindung der Lust an seinem Körper, tausend für den Schmerz. – Wenn's nun mit der Seele auch so wäre? – Dann dürften wir dem der uns schuf, nicht viel Dank wissen! – Und es[91] mag wohl so seyn. Der Duft der Rose ergötzt minder, als ihr Dorn verwundet; der Schmerz ist rein und ganz, die Freude nie. Ich weiß auch recht gut, warum das alles so geschieht, ich habe es in der Jugend schon gelernt: die Erde ist verflucht, und die Menschen sind's auch. Darum nistelt das Unglück sich so leicht ein. Bei mir hat sich's tief eingenistelt, und wuchert nun weiter, wie ein Krebsschaden um sich frißt. – Ich möchte gern reden mit dem dort oben, der das alles lenkt, und uns unser Schicksal zuwiegt; aber er antwortet mir nicht, wenn ich auch noch so laut schreie. – Ach, es ist hart, daß er nicht antwortet, keinem antwortet, auch dem nicht, der mit blutendem Herzen ihn anfleht. – Mir war sonst so wohl in diesem Zimmer, jetzt ist mir so bange darin. Wenn nur alles erst vorbei wäre, wenn ich nur den letzten Stoß erst empfangen hätte! Soll denn der Missethäter noch auf den Gnadenstoß warten? – Ich kann hier nicht bleiben, ich muß fort. Ruhe, Ruhe, wo bist Du?[92]


Quelle:
Benkowitz, Karl Friedrich: Die Jubelfeier der Hölle, oder Faust der jüngere. Berlin 1801, S. 91-93.
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