Spätsommerphilosophie

[336] (An Gustav Falke.)


Ueber die Wiesen septembert der Wind,

Die Blätter wolln sich verfärben;

Jetzt gehts erst langsam, dann geschwind

Ans Sterben.
[336]

Unsinn! Jetzt wird die Welt erst bunt!

Glaub nicht an die Unken!

Wir sind verliebt und frech gesund;

Bald wird getrunken!


Paßt auf: Das Jahr giebt guten Wein!

Wie lachen die Trauben!

Sonst mag ich kein Prophete sein;

Das könnt ihr mir glauben.


Und schließlich: Käme der Senserich

Mit der Rippenweste

Und spräche zu mir: Jetzt hol ich dich

Vom schäumenden Feste.


Es wäre mir, ich gesteh es euch gern,

Nicht eben erfreulich,

Indessen, ich folgte dem kalkigen Herrn

Getreulich.


Ich kenne den Mann über dreißig Jahr;

Es ist wohl der Gleiche,

Der damals so liebenswürdig war,

Mich in die Reiche


Des Lebens zu rufen aus weiß nicht woher.

Er scheint es zu lieben,

Zwischen Sein und Nichtsein uns hin und her

Gemächlich zu schieben.
[337]

Ein etwas unverständlicher Sport.

Der Sportsman indessen

Scheint mächtig. Zu mucken wider sein Wort,

Das wäre vermessen.


Was nützt es der Kegelkugel, die

Sich sträubte, zu rollen?

Es giebt ein paar Punkte, da fragt man nicht, wie

Wir Würmerchen wollen.


Und also sag ich: Der Wein wird gut

Und werde getrunken!

Schief setzt ich auf Hallodrioh meinen Hut

Und pfeif auf die Unken.

Quelle:
Otto Julius Bierbaum: Irrgarten der Liebe. Berlin/Leipzig 1901, S. 336-338.
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Der Neubestellte Irrgarten Der Liebe: Um Etliche Gaenge Und Lauben Vermehrt, Verliebte Launenhafte, Moralische Und Andere Lieder, Gedichte U. Sprueche . Bis 1905. 1 Bis 6 Tausend. (German Edition)