Christoph, Rupprecht, Nikolaus

[229] (Herrn Siegmund von Hausegger zugeeignet.)


Ich kenn drei gute, deutsche Geselln

Mit großen Händen und Beinen schnelln;

Mit dicken Säcken auf breitem Buckel

Stampfen sie eilig durchs Land mit Gehuckel;

Haben Eis im Bart

Und grimmige Art,

Aber Augen gar milde;

Führn Aepfel und Nüsse und Kuchen im Schilde

Und schleppen und schleppen im Huckepack

Himmeltausendschöne Sachen im Sack.
[229]

All drei sind früher Heiden gewesen.

Der erst heißt Christoph: Auserlesen

Hat er in einer eisgrimmigen Nacht

Das Christkindel übers Wildwasser gebracht.

Rupprecht der zweite ist genannt:

Der fuhr voreinsten übers Land

Tief nächten in Gespenstergraus

Als Heidengott. Den Nikolaus,

Als wie der dritte ist geheißen,

Thät man als einen Bischof preisen.


Das ist nun all Legend und Mär.

Ich übernehme nicht Gwähr,

Daß just genau es so gewesen.

Habs nicht gesehn, habs nur gelesen.

Auf Schildereien jedermann

Die dreie freilich sehen kann.

Da ist der Rupprecht dick beschneet

Und derb gestiefelt fürder geht.

Drei Aepfel trägt der Nikolaus,

Sieht väterlich und ernsthaft aus.

Und Christophor im langen Bar

Ist heidenmäßig dick behaart,

Hat einen roten Mantel an

Und ist ansonst ein nackter Mann.


Die dreie nun, daß ihr es wißt,

Verehre ich als Mensch und Christ.[230]

Sie sind so lieb und ungeschlacht

Und ganz aus deutschem Mark gemacht.

Mildherzig rauh, kratzhaarig lind,

Des deutschen Gottes Ingesind.


Die guten Knechte, reichen Herrn!

Sie dienen gern und schenken gern,

Wolln keinen Dank, wolln keinen Lohn,

Sind in sich selbst bedanklohnt schon.


Grüß Gott ihr dreie miteinand

Im lieben weiten deutschen Land!

Christoph, Rupprecht, Nikolaus!

Schüttet eure Säcke aus,

Schüttet sie mit Lachen,

Blickt mit hellen Augen drein

Und laßt wohl gesegnet sein

Eure Siebensachen.


Quelle:
Otto Julius Bierbaum: Irrgarten der Liebe. Berlin/Leipzig 1901, S. 229-231.
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