Die heiligen drei Könige des Elends

[227] Ueber einem Häusel, ganz weiß beschneet,

Golden ein flimmernder Funkelstern steht.


Weiß alle Wege, die Bäume alle weiß,

Milde des goldenen Sternes Gegleiß.


Gelb aus dem Fenster ein Lichtschein schräg

Ueber das Gärtchen, über den Weg.


Sieh, da über den Feldweg quer

Stakt ein steingrauer Alter her;


Ganz in Lumpen und Flicken getan,

Und hält vor dem Hause an.


Haucht in die Hände und sieht sich um,

Blickt zum Sterne und wartet stumm.


Kommt von der andern Seite an

Wieder ein alter zerlumpter Mann.


Geben sich beide stumm die Hand,

Starren zum Sterne unverwandt.


Kommt ein dritter und grüßt die zwei,

Raunen und tuscheln und deuten die drei.
[228]

Blicken zum Sterne, blicken zur Thür;

Tritt ein bärtiger Mann herfür:


»Kamt in Mühen und Sehnen weit;

Geht nach Hause! Es ist nicht die Zeit ...«


Senken die Köpfe die drei und gehn

Müde fort. Es hebt sich ein Wehn,


Hebt sich ein Stürmen, Wirbeln, Gebraus,

Und der goldene Stern löscht aus.


Quelle:
Otto Julius Bierbaum: Irrgarten der Liebe. Berlin/Leipzig 1901, S. 227-229.
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Der Neubestellte Irrgarten Der Liebe: Um Etliche Gaenge Und Lauben Vermehrt, Verliebte Launenhafte, Moralische Und Andere Lieder, Gedichte U. Sprueche . Bis 1905. 1 Bis 6 Tausend. (German Edition)