Ritter Hahn und Bauer Enterich

[318] (Ein soziales Gespräch auf dem Miste; Herrn Th. Th. Heine zugeeignet.)


Der Haushahn, Herr von Stakelsteif,

Mit rotem Kamm und grünem Schweif,

Erhob ein laut Gekrähe;[318]

Zerbarst sich schier den langen Hals,

Schrie, daß er statt des Düngerwalls

Gern etwas Reinres sähe.


»Ich trage Sporen,« sprach der Hahn,

»Und seht doch mein Gefieder an!

Ists nicht bewundernswürdig?

Ich bin von adeligem Stamm,

Mein zackig aufgeschwollener Kamm

Zeigt, daß ich ritterbürtig.«


»Mit Eurer Gnaden Permittenz«

Sprach drauf Herr Erpel Schwenkeschwenz,

»Ich bin zwar nur ein Bauer,

Jedoch, was Euch betrifft und Mist,

Weiß ich, was gut und dienlich ist,

Dem Mist und Euch, genauer.


Gewiß seid Ihr ein Edelmann

Der seine Sporen tragen kann

Und seine Farben zeigen.

Indessen: erst der Mist verleiht

Euch Eure hohe Adligkeit;

Vor ihm sollt Ihr Euch neigen.


Nur auf dem Mist seid Ihr Baron,

Und nur der Mist ist Euer Thron;

Wollt Ihr den Mist verlassen,

So wird Euch Heimweh nach dem Mist,

Der Eurer Ahnen Hochschloß ist,

Mistheimweh wird Euch fassen.
[319]

Ich bitt Euch, bleibt dem Mist getreu;

Ist er auch nur verdautes Heu,

Ist er doch weich und wärmlich.«

Da schüttelte den grünen Schweif

Der schöne Herr von Stakelsteif:

»Das Pack bleibt stets erbärmlich.


Ich weiß, weshalb der Bauer fleht:

Er braucht mich hier als Majestät,

Daß ich sein Sein beglänze.

Mon dieu, mon dieu, Kikerikih!

Es reibt die Aristokratie

Sich auf für Schwenkeschwenze.«


Quelle:
Otto Julius Bierbaum: Irrgarten der Liebe. Berlin/Leipzig 1901, S. 318-320.
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