Fünfte Scene

[8] Bertha. Sebaldus.


BERTHA. Mein lieber Herr Sebaldus seid schönstens begrüßt! Wie erfreut doch der Anblick eines ächten Freundes das Auge, wenn das Herz so schwer von Kummer ist, wie in mir!

SEBALDUS wieder ganz Gleißner. Ach, edle Frau, eben der Kummer, der Euch drückt, führte mich in Euer stilles Haus! – Eure gottseelige Hand hat manche Spende für mein armes Kloster mir zufließen lassen; daß ich dies wohl erkenne, obgleich Ihr in jüngster Zeit dieser frommen Pflicht zu vergessen scheint, zeigt Euch mein heutiger Besuch. –

BERTHA schlägt die Augen nieder, bekümmert. Ach, lieber Herr und Freund, glaubt mir nur, nicht an meinem Willen fehlt es, wenn Ihr auch heute wieder mit leerer Hand von dannen geht! die Zeiten werden täglich schlechter, – und

SEBALDUS ernst. Die Zeiten nicht, die Menschen werden's!

BERTHA aufmerksam. Wie meint Ihr das?

SEBALDUS drückt ihr die Hand und wendet sich mit einem Seufzer ab. Arme Frau![8]

BERTHA. Um Gott, lieber Herr, was ist mit mir, daß Ihr mich so beklagt? – Redet, nehmt die Angst von mir, die sich plötzlich beengend um mein Herz legt! Droht uns ein Unheil? –

SEBALDUS. Bertha! Ihr seid eine Frau, an der Gott und Menschen Wohlgefallen haben – aber, seid Ihr denn wirklich blind? Seht Ihr den Abgrund nicht, an dessen Rand Ihr leichtsinnig taumelt? –

BERTHA. Was martert Ihr mich so unsäglich, redet deutlicher, daß ich begreifen lerne, was Ihr mir wollt. –

SEBALDUS faßt ihre Hand und sieht ihr forschend in's Gesicht. Wißt Ihr, was Euer Mann dort in dem geheimnißvollen Laboratorium treibt? –

BERTHA. Ich habe nie drum gefragt. Guttenberg pflegt sich dort zu verschließen, er sinnt nach über großen gelehrten Dingen, die eines Weibes schwacher Geist nicht faßt; er liebt es nicht, daß man nach seinem Treiben forscht, und so will's einer rechten Hausfrau nicht geziemen, kindische Neugier zu zeigen. – Was Guttenberg thut, kann nichts Uebles sein!

SEBALDUS. Nichts Uebles? Verschließt man sich mit Angst und Sorge, wenn man auf Gutes sinnt? – Weiß ich nicht aus Eurem eigenen Munde, daß er ganze Nächte dort drinnen sitzt? – Habt Ihr nicht selbst bemerkt, daß er um Mitternacht oft laut sprach, heftig hin und her schritt, und daß es endlich drinnen, wenn der Hahn krähte, stille ward?

BERTHA bestürzt. Ich schäme mich, daß ich in der Angst meines Herzens Euch damals meine Kümmerniß mittheilte; mir bangte für Johannes Gesundheit, darum belauschte ich ihn. Aber derlei habe ich lange nicht mehr bemerkt. Seit dem Bündniß mit Drytzehn und Rieffe ist er zwar noch emsiger an jener Arbeit als sonst, aber –

SEBALDUS sie unterbrechend. Seit dem Bündniß? O die Unglücklichen! Drytzehn hat's mit dem Leben bezahlt, sein früher Tod war eine Strafe Gottes, und als er verschieden war, wurde sein Körper schwarz wie das Geheimniß, für[9] welches er jetzt dort Rechenschaft geben muß! Und der Rieffe geht umher, wie ein von Gott und Welt Verworfener!

BERTHA. Aber um aller Heiligen willen, was wollt Ihr mit alle dem? –

SEBALDUS. Dich retten, Du reines Lamm, wenn es nicht zu spät ist! – Dein Mann hat sich um weltlichen Gewinns dem Bösen ergeben – er ist ein Schwarzkünstler! –

BERTHA fährt entsetzt zurück. Mein Guttenberg? – O Herr Gott! –

SEBALDUS. Ja, armes unglückseliges Weib, das ist's, warum er sich vor jedes Menschen Blick verbirgt, der Feind ist's, mit dem er in finsterer Nacht verkehrt im einsamen Zimmer! Bücher wollen sie fertigen, das hat der Drytzehn bekannt in der letzten Stunde, mit Teufelskunst sie vertausendfachen und unter das Volk senden, daß der Satan auf geradem Wege einziehe in die Herzen, – darum –

BERTHA. Nein, nein, das ist unmöglich, das kann nicht sein! –

SEBALDUS. Laßt mich in sein Laboratorium treten, werft selbst nur einen Blick hinein, so wird sein verruchtes Treiben uns klar werden im nächsten Augenblick.

BERTHA sicht scheu nach der Thür. Das kann ich nicht, er verschließt stets sorgfältig hinter sich – doch nein – die Thüre ist nur angelehnt – jetzt könnte ich – soll, darf ich's? – Entschlossen. Ich muß; ich will Euch überzeugen, daß es nur böser Leumund ist, der ihm die Schandthat ansinnt – es kann nicht sein, in alle Ewigkeit nicht! Sie eilt hin und stößt die Thüre auf. Hu – wie schaurig und unheimlich ist das öde Gewölbe! Ach, wehe mir, was steht denn hier – ein schwarzer Kasten, mit Schrauben und Gewinden – fast anzuschauen wie ein Sarg. – Und welch' wunderbares Geräth dort in der Ecke? ist's doch wie eine Folterkammer – – Sie taumelt zurück. Geht selbst hinein, Herr, ich vermag's nicht, Grabesluft weht mich an, Schauder rüttelt mein Gebein – Sie eilt[10] über die Bühne und sinkt auf der andern Seite in einen Stuhl. O mein Gott, warum faßt mich denn solche Todesangst? –

SEBALDUS. Ich will es wagen, ich scheue den Satan nicht, mein Sinn ist rein, ich habe den Muth, ihm zu trotzen! Er eilt hinein.

BERTHA. Ist meine Seele denn nicht mehr rein, daß mein Fuß sich sträubt, jene Schwelle zu überschreiten? – Hat sein Athem schon meinen Sinn vergiftet? – Ach nein, mein Guttenberg kann kein Verlorner sein! Sinnend. Freilich, wenn ich denke, wie dort drinnen allein seine Welt, wie scheu, wie nächtig sein Treiben – Sie sinkt auf die Kniee. O mein Herr und Gott, du siehst diese Angst, nimm sie von mir! –

SEBALDUS kommt heraus, bleich und entstellt, seine zitternde Hand hält ein Päckchen kleiner Pergamentblätter. Da, da seht, Unglückliche, und wagt Ihr dann noch einen Zweifel, so seid Ihr seiner Schuld theilhaft, seid verdammt wie er. – Seht diese Menge von Blättern, seht auf dem die seltsamen Charaktere, Figuren, Sterne, und hier ein ganzes Alphabet, und darunter diesen lateinischen Spruch, da – da – und alle Blätter wie das Eine, alle gleich, nicht ein Strich, nicht ein Zeichen verschieden – das haben Menschenhände nicht gemacht, das konnte nur mit Hülfe des Satans geschehen! Wehe mir! – Er wirft das Päckchen auf den Tisch. Das Zeug brennt mir in der Hand! Seht, seht – meine Hände sind geschwärzt! Weiche von mir Satanas, du hast keinen Theil an mir! Schlägt ein Kreuz.

BERTHA. Herr, erbarme dich meiner, er spricht wahr! O wäre ich nie geboren!

SEBALDUS. Besser wäre es Euch, als zu leben in dieser teuflischen Gemeinschaft, wo sich das Auge des Herrn wie der Menschen von Euch wendet.

BERTHA. O jetzt begreife ich! Furcht, Abscheu, Entsetzen begegnet mir in jedem Blick! Wie soll sich dies Unglück wenden – wo, wo ist da Rettung!!

SEBALDUS. Nur bei Gott! Faßt Muth, zeigt Eurem[11] Mann den Abgrund, an dem er wandelt! Noch ist es Zeit, noch schläft sein schreckliches Geheimniß in dieser Werkstätte. Fleht ihn an bei seinem ewigen Heil, die Bahn des Verbrechens zu verlassen; der Herr ist voll Langmuth, er wird ihm vergeben! Und gelingt es Euch nicht, den Verstockten zu rühren, so verlaßt ihn, es fordert's Eure Pflicht als Christin und Frau! Wie lange wird der Arm des weltlichen Richters säumen? soll er Euch Beide treffen? Wollt Ihr dereinst sterben mit ihm auf dem Scheiterhaufen? Wollt Ihr verdammt sein mit ihm jenseits?

BERTHA. O haltet ein, haltet ein! Allmächtiger Gott, Du kennst mein Herz; ich liebe ihn mehr als mein Leben, ich würde sterben mit ihm, wenn's Dein unerforschlicher Wille forderte – aber leben in dieser Gemeinschaft – meine ewige Seligkeit hinopfern, ich kann es nicht! Nach einem kurzen Kampf. Hier, Sebaldus, hier lege ich mein Gelöbniß nieder! Sie legt ihre Hand in seine. Wenn er meine Stimme nicht hört, wenn er gewaltsam fortschreitet auf seiner heillosen Bahn, so schwöre ich – ewige Trennung von ihm! – Der Schmerz, der mich zerreißt, der Gram, der mir am Leben zehren wird, wenn ich athmen muß getrennt von ihm, sei die Buße, die mich mit Gott versöhnt für meine thörichte Verblendung! Es wird ja nicht lange währen; Gott wird barmherzig sein, und es wird bald mit mir zu Ende gehen. Sie verhüllt das Gesicht.

SEBALDUS. Gott segne Euren frommen Entschluß, meine Tochter; haltet fest an Eurem Gelübde, der Allgegenwärtige hat es vernommen; horcht nicht auf die Stimme des Versuchers in Eurer Brust, schaut fest nach Jenseits.

BERTHA horchend. Horch – das ist sein Schritt, er eilt die Treppe herauf – er spricht im Flur, sein liebes Auge wird mich anlächeln, die offene Stirne, das Antlitz voll Milde mich verblenden – In peinlicher Angst. ich kann nicht bleiben! Ach, Herr, mein Gott, vergieb der Schwachen, die Gewohnheit ist zu mächtig, die Täuschung zu süß; ich muß hin weg, muß mich sammeln, meinen Geist im Gebete waffnen gegen meine Liebe![12] – Lebt wohl, Sebald; ich kann Euch noch nicht danken – ich fühle noch nicht, daß Ihr meine Seele gerettet, nur daß Ihr mein Herz zerrissen habt! Da ist er – hinweg! Sie eilt nach der Seite ab.


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Johannes Guttenberg. Berlin 21840, S. 8-13.
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