Vierte Scene

[42] Vorige. Günther von Nollingen.


NOLLINGEN. Verzeiht, mein Herr und Kaiser! wenn ich vielleicht zur ungelegenen Stunde mich in Eure Rähe dränge.

KAISER. Du weißt, Günther, daß unsere Gemächer Dir[42] stets geöffnet sind; auch haben wir Wichtiges mit Dir zu sprechen.

NOLLINGEN. Und Wichtiges führt mich zu Euch, mein Kaiser. Im Gedränge gestern wurde ein verkappter Bursch von meinen Leuten verhaftet, und als man mir heute die Papiere bringt, welche sich bei ihm fanden, entdecke ich mit Entsetzen einen neuen Frevel, der gegen Euer kaiserliches Haupt gesponnen wird. Seht selbst.


Er überreicht dem Kaiser ein Blatt Pergament.


KAISER wirft einen Blick hinein. Es ist die Hand des Gerhard von Mainz.

NOLLINGEN. Dafür erkannte auch ich's im ersten Augenblick.

KAISER liest. »Vor allen Dingen meldet ohne Säumen, bis wann der Kaiser die Stadt verläßt und mit wie viel Gefolge. – Am Rhein liegt ein verstecktes Plätzchen, dort denke ich der Majestät habhaft zu werden durch wohl ersonnene List, und sie lebendig oder todt dem Philipp von Frankreich auszuliefern.« Ruhig, doch schmerzlich. So ruht doch dieser grimmige Tieger nie! Siehst Du, Ales, Deine Weissagung trifft zu, von Freundes Hand droht uns ein neues Unheil – Schwer. War Gerhard nicht unser Freund in früher Jugend? – Doch an wen ist das Schreiben?[43]

NOLLINGEN. Vergebens forschte ich darnach – der Bursch scheint eisenfest. Zwei Foltergrade hat er bereits bestanden, und noch kam kein Laut über seine Lippen, der Gerhard weiß seine Leute zu wählen! Ich denke ihm jedoch die Wahrheit zu entpressen, ehe es zum fünften Grad kommt.

KAISER. Nicht doch, Günther, wozu die grausame Marter, was soll sie nützen, einen neuen Verräther zu entdecken? Du weißt, ich hasse das; entlaßt den Buben, seine Strafe hat er schon empfangen; er möge seinem Herrn berichten, daß Kaiser Adolphus es verschmäht, sich an feigen Verräthern zu rächen.


Nollingen tritt mit einer mißbilligenden Bewegung zurück.


Du bist mit meiner Milde nicht zufrieden? Ich kenne Deine Treue, und danke für den wichtigen Dienst, den Du uns geleistet.

ALESSANDRO schüttelt den Kopf, und sieht Nollingen mit einem langen Blicke an, steht auf, und geht durch eine Seitenthüre ab.

KAISER Mein Ales ist oft sonderlicher Laune, doch dem Weisen mögen wir das zu Gute halten.[44]


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Pfeffer-Rösel oder Die Frankfurter Messe im Jahr 1297. Wien 1833, S. 42-45.
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