Vierte Scene

[86] Vorige. Leibdiener. Ein Trabant.


KAISER. Du hattest Wache diese Nacht auf der Weststiege, sahst Du nichts Verdächtiges auf dem Junkergang?

TRABANT. Nicht, das ich wüßte. Um halb 12 Uhr ungefähr, kam ein Mann in einen Mantel gehüllt, und ging durch den Gang. Nach einer halben Stunde kam er wieder mit einem Andern, den ich, obgleich er in einen weißen Mantel gewickelt war, für den neuen Leibjunker Eurer Majestät erkannte.

NOLLINGEN rasch. In einen weißen Mantel?

TRABANT. So ist's. Sie gingen Beide in die Seitenpforte, die nach dem Mainzer-Thore führt.


Der Kaiser sieht Alessandro bedeutend an, dieser schüttelt den Kopf, und zieht die Schulter.


Nach 2 Uhr kam der Junker sehr eilig zurück, und hatte keinen Mantel mehr an. Ich hörte ihn lange drehen[86] an seinem Schlosse, dann stampfte er ungeduldig mit dem Fuße, eine halbe Stunde wohl schritt er im Gang auf und nieder, dann, als der Tag zu grauen begann, ging er hinab nach dem Schloßgarten, und ich sah ihn von dem Fenster oben noch lange durch die Alleen wandeln.

KAISER. Schon gut, Du bist entlassen. Trabant ab. Nun, Meister Alessandro, ich will nicht sagen, er ist ein Verräther, doch nur zu oft hab' ich die Schlange im Busen genährt, blindes Vertrauen sei fern von mir. Strenge Untersuchung dieser Sache geziemt uns vor allem Andern. Nollingen! sei vorsichtig, vermeide zu großes Aufsehen, und verhafte den Junker, wo Du ihn findest, in unserm Namen; Gerechtigkeit muß gehandhabt werden gegen Freund und Feind. – Komm Alessandro. Ab.

ALESSANDRO mit einem Blick auf Günther. Die Wahrheit muß an's Licht dringen, sagt ein arabischer Weiser: begräbst Du sie auch im Schooße des Nils.


Folgt dem Kaiser.


NOLLINGEN allein. Ich denke sie tiefer zu begraben als im Schooße des Nils, der Schooß des Grabes ist fester. Ich bin gerettet! Welch ein Ungefähr! Alles wälzt den Verdacht[87] auf ihn, und es soll mir nicht schwer werden, ihn gänzlich zu vernichten. Ha, Sonnenberg! bist Du's, der die Dokumente durch List zurückgebracht? Wehe Dir; habe ich Dich einmal im Kerker, sollst Du nimmermehr an's Tagslicht kommen, und wäre auch Deine Unschuld klar wie die Sonne.


Verwandlung.

Schloßgarten. Im Hintergrunde läuft ein prächtiges, mit Gold verziertes, Eisengitter über die Scene, welches oben mit ausländischen Stachelgewächsen verziert ist. Hinter dem Gitter ragen Häuser hervor, als ob der Garten an eine Straße stieße. Eine Eisenpforte ist nur angelehnt. Das Gitter muß auf ein paar Stufen stehen, welche Terassenmäßig mit Blumen besetzt sind. Nach alter holländischer Art stehen rechts und links weiße Statuen, mit Buxbaumhecken eingefaßt. Im Vordergrunde rechts eine dichte Hecke von Buxbaum und Rosensträuchern. Die Statue einer Diana, mit dem Windspiel, steht in der Hecke auf einem Piedestal von Marmor, dicht an dem Piedestal steht eine Rasenbank, auf welcher der Junker liegt; sein Haupt lehnt an der Statue, er hat die Arme verschlungen, und liegt im tiefen Schlaf. Das Barett liegt neben ihm auf der Bank, sein Collet ist im Schlaf aufgegangen, und es hängt eine Kapsel von dem Pergament nur halb daraus hervor an einem rothen Band. Als es verwandelt, sieht man im Hintergrunde, hinter dem Eisengitter, Röschen hin und her schleichen, sie kann vor der Hecke den Junker nicht sehen.
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Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Pfeffer-Rösel oder Die Frankfurter Messe im Jahr 1297. Wien 1833, S. 86-89.
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