Zweite Scene

[101] Vorige. Rösel athemlos.


RÖSEL. Gott grüß' Dich, Beata! Wie froh bin ich, daß ich Dich finde. Weißt Du mir nicht zu sagen, wo sich Meister Antonio herumtreibt; ich suche ihn durch die ganze Stadt; ich muß ihn sprechen; und nirgends kann ich ihn finden.

BEATA. Just sprachen wir von ihm; auch ich wünsche ihn zur Stelle; aber seit vorgestern kam er mir nicht zu Gesichte! Doch sprich, Pfeffer-Rösel, auch Dich sah man nirgends; Du bist so seltsam, so bewegt, Deine Wangen glühen – ist Deine Mutter vielleicht kränker geworden?

RÖSEL schnell. Ih, der gehts recht gut, wäre sie kränker, ließe ich sie nicht allein. Doch sage mir, was gibt es denn, daß fast alle Meßbuden geschlossen sind, und die Leute truppweise auf der Straße herumziehen?

BEATA. Das weißt Du nicht? Ei, Rösel, wo hast Du denn Deinen Kopf? Heut ist ja das prächtige Bankett, das der Kaiser der Stadt Frankfurt gibt, um zu danken für den Empfang, der ihm geworden. Wär' unser[101] hübscher Junker frei, so hätten wir's gut. Doch das weißt Du wohl auch nicht, daß der gefangen sitzt?

RÖSEL verlegen. Ja – das weiß ich schon.

BEATA. Auch was er Alles gethan? Ach, lieber Gott! wie kann man so jung seyn, Seufzend. und so bildhübsch, Zornig. und solch ein Bösewicht! – Denk' nur, dem Kaiser hat er wichtige Dokumente gestohlen, hat den hocherhabenen Herrn verrathen wollen an den Gerhard von Mainz.

RÖSEL rasch und zornig. Das ist nicht wahr; das ist schändlich gelogen! Pfui, Beata, schäme Dich in Dein Herz hinein, solche Schlechtigkeiten nachzusagen. Der arme Junker! aber wartet nur! wartet nur!

BEATA ärgerlich. Schau, was sie sich einbildet! Wie kannst Du mich denn eine Lügnerin heißen, wenn ich nachsage, was das Gericht sagt? Und wenn Du Dich noch so sehr ereiferst für seine Unschuld, so wird er doch morgen gehenkt, wie sein Urtheil lautet.

RÖSEL ganz starr. Gehenkt? – Sein Urtheil schon gesprochen? O Du gerechter Gott![102]

BEATA gutmüthig. Du wirst blaß, Rösel? – Ich bin ja schon wieder gut – erhole Dich doch, Du armes Kind!

RÖSEL ganz außer sich. O du mein lieber Himmel! Er ist ja unschuldig! – Wenn ich doch nur den Antonio finden könnte, der weiß es ja, der muß es wissen. In Todesangst. Daniel, lieber Herzens-Da niel, helft mir nur den Antonio suchen, ich muß ihn finden.

DANIEL. Wenn mich nicht Alles trügt, so sah ich ihn vor ein paar Stunden vor der Herberge zur Reichskrone mit dem Ritter Schelm vom Berge sprechen, der war eben hingegangen, um die Papiere des Junkers, auf den Befehl des Kaisers, in Empfang zu nehmen. Er hatte es gar nöthig mit ihm.

RÖSEL aufmerksam. Und wer ist der Herr Schelm?

DANIEL. Ein wackrer, ehrlicher, alter Herr!

RÖSEL ernsthaft die Hände zusammenschlagend. Aber mein Himmel! wie kann ein Mensch, der ehrlich ist, Schelm heißen?[103]

DANIEL ruhig. Nun, warum denn nicht? Heißt doch Mancher ehrlich, und ist ein Schelm. Er ist obendrein ein guter Freund des Junkers, der Euch so am Herzen liegt.

RÖSEL. Ist er das? Nun, und glaubst Du, daß ich den Antonio finde bei dem Herrn Ritter Schelm?

DANIEL immer sehr phlegmatisch. Für gewiß kann ich's nicht sagen, aber zu erfragen, meine ich, sollte er dort seyn.

RÖSEL entschlossen und froh. Ich danke Dir, mein guter Daniel, ich danke Dir. Ach, nun wird mir das Herz schon um Vieles leichter! – Wenn ich ihn finde, dann ist Alles gut, Alles. – Also bei der Reichskrone – Schelm vom Berge – vor zwei Stunden – ein guter Freund des Junkers – ich kann es nicht verfehlen. Fällt plötzlich auf die Knie. O lieber Gott! Nur heut verlaß' mich nicht in meiner großen Angst, nur heute steh' mir bei! Läuft ab, indem sie sich immer die Worte: »Schelm vom Berge – guter Freund – vor zwei Stunden u. s. w. repetirt.

DANIEL sieht ihr nach. Ist die Pfeffer-Rösel verrückt geworden?[104]

BEATA nimmt ihn am Arm. Komm dort hinauf zum Rathhaus, und frage nicht so läppisch. Was verrückt! Merkst Du denn nicht – das arme Ding ist verliebt in den Junker. – Das ist noch ein rechtes Glück für sie, wenn sie den armen Schelmen aufhängen; was sollte denn das werden, so eine Pfefferkuchen-Rösel und der stattliche Junker! – das gäbe eine schöne Bescheerung.


Dieß Alles muß während des Abgehens gesprochen werden, so wie Daniels Antwort.


DANIEL. Ja so – Nun geht mir ein Licht auf. Sieh, sieh, Du bist doch immer klüger als ich. Komm, laß uns sehen, ob wir nicht auch ohne den Junker Sonnenberg Einlaß in die kaiserliche Pfalz finden. Beide ab.


Verwandlung.

Kurze Vorhalle in der kaiserlichen Pfalz.


Quelle:
Charlotte Birch-Pfeiffer: Pfeffer-Rösel oder Die Frankfurter Messe im Jahr 1297. Wien 1833, S. 101-105.
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