656. Der Schwedenthurm des Schlosses zu Ellwangen.

[428] Mündlich von Ellwangen.


Während des 30jährigen Krieges hatten die Schweden das Schloß ob Ellwangen inne, wo sie der Ueberlieferung zu Folge arg gehaust haben sollen. Einmal soll nächtlicher Weile ein Offizier mit seiner Bande in die Schloßkapelle gestürmt sein, wo ein schöngeschniztes Muttergottesbild stand. Der Schwede, sei es aus Uebermuth, was man gewöhnlich annimmt, oder in betrunkenem Zustande, zog seinen Säbel[428] und begann das Marienbild zu verstümmeln, indem er demselben die rechte Hand abhieb. Doch die Strafe wartete nicht lange; denn auf der Stelle fühlte er einen stechenden Schmerz in der Rechten, der immer mehr zunahm. Der Arm brach auf, es wuchsen Würmer in der kranken Stelle, und innerhalb eines Tages auch an seinem ganzen Leibe, was einen solch widerlichen, pestartigen Geruch verursachte, daß seine eigenen Leute den frevelnden Offizier ergriffen und in den Thurm warfen (der noch heut zu Tage davon der Schwedenthurm heißt), woselbst er lebendigen Leibes verfaulte. So rächte sich der Frevel an dem Heiligen345.

345

Frevel an dem Heiligen, Kirchenraub, Spott, Lästerung läßt die Volkssage oft sogleich am Thäter bestrafen. Ein Schwede erblindet in der Klosterkirche zu Amorbach, als er das damastene Kleid abziehen will; wird sehend, als er's reuig bringt. Schnezler, bad. Sagenb. II. 624.

Quelle:
Anton Birlinger/ M. R. Buck: Sagen, Märchen und Aberglauben. Freiburg im Breisgau 1861, S. 428-429.
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