5.

[192] Es wäre daß ein Aussteuer gehalten würde, so mag alsdann am Mitwoch auch ein Morgenessen passirt. Es soll aber fürhin nit nur im Sibenden, sondern alle Zeit im fünften Jahr aus erheblichen Ursachen, so darbei gespürt worden, ein Aydsteuer gehalten und nit unterlaßen und jezt künftigen Martini damit angefangen werden.

Auf den Donnerstag, so man Summa Summarum nennt und das Geld von allen Pflegen einliefert, laßt man es nachmalen bei dem Morgen- und Nachtessen wie von Alters Herkommen verbleiben. Am Freitag und Samstag aber solle aus beweglichen Ursachen kein Malzeit mehr gehalten, sondern jedem, der mit dem Geld zu schaffen, des Tags 30 kr. für seine Lieferung aus der Stadt Seckel gereicht werden62.

62

Neben vielen derartigen Festivitäten, die wie noch heute in öffentlichen Wirtschaften und Privathäusern gefeiert wurden, gab es halb und ganz offizielle Mahlzeiten, Zehrungen, Zechen und Bälle, bei denen es an Theilnehmern nicht fehlte, z.B.:

1) So oft Einer in den Rat oder das Gericht gewählt wurde, mußte er den Wählern und seinen Collegen auf dem Rathause eine Mahlzeit oder Zehrung geben, auch sie bei der Zeche am Nachtage frei halten.

2) An der Oschwaldung, d.i. an des Rats Feiertag, war große Mahlzeit, am Nachtage die Abhör der Siechenrechnung und eine leidentliche Zeche.

3) Bei Ablegung der Stadtrechnung wurde die Martini-Mahlzeit mit starker Theilnahme gefeiert.

4) Am Montag und Dienstag nach Martini hat man die Steuer eingeschrieben und dabei jedesmal auf Kosten des Stadtseckels ein Morgen- und Nachtessen eingenommen.

5) Je im fünften Jahr wurde am Mittwoch nach Martini die Eidsteuer auf- und ein Morgenessen eingenommen.

6) Am Donnerstag, so man Summa Summarum nennt, und das Geld von allen Pflegen in die große Stadttruhe mit drei verschiedenen Schlössern abgeliefert wird, passirt ein Morgen- und ein Nachtessen.

7) Der Schultheiß hielt mit seinem Gerichtspersonale alle 14 Tage und am Montage nach Invocavit die sog. Gerichtsmähler.

8) Mit der Abhör der Heiligen- und Waisenrechnungen waren Zehrungen verbunden.

9) Ebenso mit dem Steuer-Einzug eine Mahlzeit.

10) Bei der Abhör kleinerer Rechnungen passirte zum wenigsten ein bescheidener Trunk.

11) Im Spital wurde die Zeit mit Zehren, Essen und Trinken weidlich verbracht. An des Spitals Kirchweihe wurden ungefähr 350 oder mehr Personen – zugelaufene Burgerskinder und Handwerksleute gespeist. Man lief um so lieber zu, weil das Spital-Eich größer war als das Stadt-Eich. Den Pflegern, Spitalmeistern, den Ziech- oder Seckelmeistern und andern Offizianten hat man Fleisch, Würste, Kuchen und Weine in ihre Häuser geschickt.

12) Ebenso hat man an Burgermeister und Stadtschreiber das gute Jahr und den Osterfladen verehrt.

13) Auf dem Rathause mußte der Spital eine Mahlzeit geben, so oft man den Bach fischte.

14) Die Pfründner, arme Lüt und Sondersiechen hatten die Sichel- und Pflegelhenke, die vier Hochzeiten, Faßnacht, Kirchweihe, Stadtkirchweihe, an denen sie sich gütlich thaten und mit Brühe, Gesottenem und Gebratenem, mit Wein und Sothenzen regalirt wurden.

15) An Waldburgentag durften sie das Friedrich Guten-Mahl, dann das Marien-Mahl und uff Martini das Mahl von dem Goldschmied Hanns Guldimann verzehren.

16) Das Faßnachtküchlein gemeinsam zu verzehren, wurde nie unterlassen.

17) Der sog. S ...-Jahrtag in A ... ward jedjährlich stark besucht.

18) Nach Besichtigung des Waidganges von hier bis zum Egelsee und nach vollbrachtem Schäublestecken ließ man sich jedes Jahr einen guten Imbiß sammt Zugehör schmecken. Nur am Freitag und Samstag wurde keine Mahlzeit gehalten.

So die Alten. Man hat diese alten Bälle in den Jahren 1607, 1608 und 1686 zu vermindern und die dabei eingeschlichenen Mißbräuche zu beseitigen gestrebt. Aber die Zähigkeit, mit der man an ihnen hing, war zu groß, als daß dieses schnell und leicht gegangen wäre. Und wenn sie später doch langsam abgekommen sind, könnten sie sich nicht vom Rathause und Spital etc. in den Schutz weichherziger Gastwirthe geflüchtet haben, um ihr unschuldiges Dasein in veränderter Form noch länger zu fristen? Jedenfalls ist der noch vorhandene Rest eine Bagatelle gegen das, was früher war. (Horb. Chronik, Amtsblatt 1860. 2. in Briefform von Decan Holl.)

Quelle:
Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. 192.
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