232. Nach Buchloe, die Lisel küssen.

[219] Ehemals, noch bis zu des lezten Jahrhunderts Ende, hatte er von Dischingen die Delinkwenten Vorder-Oestreichs zur Hinrichtung übernommen. Daher mußten alle Verbrecher nach Buchloe geschafft werden. Buchloe ligt in Oberbaiern. Unter dem Volke hieß es nur und heißt noch jezt hie und da: »nach Buchele d'Lis.l küsse«, was Jeder recht verstand. In Buchloe sei in einem Sale eine hölzerne Weibsfigur gelegen, die durch Maschinerie aufstand, wenn man auf eine gewisse Stelle trat. Diese Figur hieß[219] »die schöne Lisel.« Sie umarmte den Delinkwenten, der auf den Platz geführt wurde, derart, daß er Schreie ausstieß, fiel mit ihrem Opfer wieder nieder, und zwar so, daß die Einstandsprügel, »Willkomm« genannt, die rechte Stelle nicht verfehlten. Wenn er nach entsprechender Bearbeitung wieder los geworden und aufgestanden war, hieß man ihn hinstehen, »er möchte sich abtrocknen, unter dem Fenster den Angstschweiß wegwischen.« Kaum schaute er zum Fenster hinaus, so fiel ihm ein Zwinger um den Hals, der ihn so gewaltig presste und zusammendrückte, daß er wie festgenagelt am Fenster stehen mußte und keine Bewegung machen konnte. Sofort erfolgte eine zweite Tracht Prügel zum »Will komm« und »Einstand«. Andere wurden gleich bei Ablieferung an eine Saul mitten im Saal gebunden und erhielten so den Einstand. Nach dem Willkomm ging das »Hängen« an. Ein Galgen war oft mit einer ganzen Reihe Cadavern behangen. Von Buchloe, von dem Dischingen, kam Keiner mehr heim. Oft sahen später Ankommende ihre alten Bekannten eben noch baumeln. Von der Hohenberger Grafschaft gingen aus Rottenburg jährlich zwei Transporte ab nach Buchloe. Die Delinkwenten waren geschlossen in Ketten und Handschellen. Auf dem Marsche war für keine Unterkunft für die Verbrecher gesorgt; sie wurden an Oefen, Tische, Bänke etc. gebunden. Bei Oberkirchberg ging's über die Iller. Alle Transportirenden mußten sich dort vorher die Bärte abnehmen, die Verbrecher nicht. Einer der lezten Verbrecher, die von Rottenburg abgeführt wurden, war Räuber; er hatte den Botenwagen angegriffen, ein Rottenburger. Einer der lezten Transportirenden war ein Kalkweiler Messner. Man weiß auch von einem Transporteur »Schiebel«, der den Bart nicht abnahm; für den Delinkwenten[220] gehalten, wurde er an die Säule gebunden und hätte den Willkomm erhalten, wenn nicht zeitig seine Collegen gekommen wären89.

89

Anzeiger für deutsche Altert. 1858. Sp. 340 ff. – Regensburger Torturwerkzeug, die sog. »schlimme Lisel«, eine Aufzugsmaschine mit einem hölzernen Triangel, woran der Delinkwent, die Füße entweder mit zentnerschweren Steinen beschwert, oder an eisernen Klammern festgemacht, und die Arme rückwärts gebunden, drei Mal auf- und niedergelassen wurde, wobei demselben mit zwei Fackeln die beiden Seiten entweder zu gleicher Zeit oder eine nach der andern gebrannt wurden (auf dem Rathaus). Wegweiser durch die Kreishauptstadt Regensburg 1852. Regensb. Pustet. S. 21.

Quelle:
Birlinger, Anton: Sitten und Gebräuche. Freiburg im Breisgau 1862, S. 219-221.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Sitten und Gebräuche
Sitten und Gebräuche