Auf den Hochw. Großm. von B*n

[236] Als die ±1 zur w.E. dessen Geburtsfest den 26sten December 1784 feierte.


In jener alten, gold'nen Ritterzeit,

Wo jede That der Edeln lauters Gold,

Gediegen jedes Wort, und wie im Feu'r

Geprüft der Ritter Brudertreue war,

Da lebt' ein edler Ritter, groß an Geist,

Doch grösser noch an Herz; sein Wandel war[236]

Gerade wie sein Speer, und seine Redlichkeit

So fest und undurchdringlich wie sein Schild.

Der Ritter ohne Tadel war und hieß

Er überall, und dieser Name galt

Ihm mehr, als der, den ihm, von Ahnen schwer,

Sein Vater hinterließ. Wohin er zog,

Da schwand des Armen Noth, da wandelte

Sich der gedrückten Unschuld Thränenblick

In Lächeln um, und wo er wegzog, scholl

Der Wittwen und der Waisen Dank ihm nach.

Nie sah man Rittertugenden

In einem schönern Bund, und wer ihn sah,

Der zweifelt', ob der Ritterorden ihn

Mehr ehre, oder er die Ritterschaft.

Der Name dieses Ritters, ob er gleich

Das, was er Gutes that, so wenig als

Die Rüstung, die er trug, in's Auge schimmern ließ,

Verbreitete sich bald von Ost bis West,

Und zog der Edlen und der Grossen viel

Aus allen Landen her zu diesem Mann,

Um unter ihm zu lernen Ritterdienst,

Zu üben jede schwere Ritterpflicht,

Und fänd' er sie bewährt – von seiner Hand

Den Ritterschlag zum Lohne zu empfah'n.

Der Retterzug war einer Wallfahrt gleich;

Man wollte hin um seinen Ritterschlag,

Wie in's gelobte Land, und mancher Fürst,

Der um zwölf Stufen – freilich nur von Holz –

Sonst höher war als and're Sterbliche,

Der kniete willig vor den Ritter hin,

Und fühlt' es in dem Augenblicke tief,

Daß, trotz dem Fußgestell von Holz, der Mann,

Vor dem er auf den Knien lag, um mehr

Als einen Kopf doch grösser sei als er.

So sammelten der edlen Ritter viel[237]

Sich um ihn her, ein auserles'ner Kreis

Von edlen Kämpfern für der Menschheit Wohl,

Groß an sich selbst, doch grösser noch durch ihn:

Und so entstand der schönste Ritterbund,

So schön als Artus selber keinen sah,

Ein Bund, um den ihr unauflösbar Band

Die Liebe schlang, nicht lösbar selbst dem Tod.

Denn als der edle, grosse Ritter einst

Im letzten Kampfe für sein Vaterland

Zwar siegte; aber auf dem Kampfplatz blieb,

Und dann der Feind im Fliehen noch des Leib's

Des Ritters, den auch er in Ehren hielt,

Als eines Kleinod's sich bemächtigte,

Da gingen seine Waffenbrüder all'

Zum Feind hinüber als Gefangene,

Und lösten mit des Lebens Freiheit nun

Den Leichnahm ihres todten Führers aus. –

So lebt' und handelte der grosse Mann:

So liebten seine Waffenbrüder ihn.

Lang segnete die Nachwelt noch den Bund

Der Edeln, den er schuf, und wer noch itzt

Sich einen ächten Ritter denkt: – denkt ihn.


Seht, Brüder! hier das Bild von unserm Bund.

Er, der die meisten hier in unserm Kreis

Zu Rittern schlug, er ist uns allen das,

Was Bayard seinen Rittern war, und mehr.

Er ist's, nach dessen Beispiel jeglicher

Aus uns die Wahrheit, die allein der Weise liebt,

Zur Dame seines Herzens sich erkohr,

An dessen Hand wir manches Abentheu'r

Mit Ungeheuern mancher Art besteh'n.

Er ist's, der uns die bösen Drachen all',

Die an dem Thor der eingekerkerten

Und festverschloss'nen Wahrheit Feuer spei'n,

Bezwingen, und die Schöne, die zum Raub[238]

Des Stärkern ward, ihm abzukämpfen lehrt.

Er ist's, durch den des Riesen Vorurtheil –

Und käm er auch im ält'sten Ritterschmuck

Auf uns herangerannt – nicht schreckt; denn er,

Er lehrte uns, wie man in Schimpf und Ernst

Mit Ehren für die Wahrheit Lanzen bricht.

Er ist's, der uns zum Dienst der Menschheit nur

Zu Rittern schlug, doch nicht zu irrenden,

Die Donquichotisch auf gerathewohl

Nach Abentheuern zieh'n, und Gespenstern bald

Zu Rittern werden, bald am gold'nen Vließ.


D'rum auf, ihr Brüder! segnet dankbarlich

Mit mir den Tag, der diesen selt'nen Mann

Der Welt, der Menschheit diesen warmen Freund,

Und uns den theuern, grossen Meister gab!

Fußnoten

1 [Bedeutet Loge. D. Hg.]


Quelle:
Aloys Blumauer: Sämmtliche Gedichte. München 1830, S. 236-239.
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