Das V. Capitul.

Von der Verzuckung vnnd Verruckung / oder Gemüts entwendung der Zauberer vnd Hexen: vnd wie sie jhre gewohnliche Gemeinschafft vnnd Beiwohnung zu den Bösen Geistern haben vnnd erhalten.

[112] Dasjenig / so mā nun vom verfahrē der Zauberer vnnd Hexen mit Leib vnnd Seel ist abgehandelt / vnnd diß /so vilfaltige denckwürdige Erfahrnussen beibringen /geben gleichsam Augenscheinlich vnnd greifflich der jhenige Irrthumb an tag / welche geschribē / das fahren der Hexen sey nichts anders dann ein Einbildung /oder Verzuckung des Gemüts / der Sinn vnd der Gedancken: Vnd zeichen hierzu für ein Exempel an das Gesicht des Propheten Ezechielis / der im Geist von Babel gehn Hierusalem ist verzuckt worden.295 Welches Gesicht doch eine Ware Scheidung von der Seelen sein kan / vnd auch ohn Scheidung zugehen.

Aber die Hebreer halten in jhrer Geheimen[112] heimen Theologi darfůr / der Engel thu Gott ein Opffer von der Außerwehlten Seelen / durch ein Astraction oder Abziehung / da doch der Mensch bei Leben bleibet.296 Vnnd zu dieser meynung ziehen sie an daß ort auß dem CXVI. Psalmen. Prætiosa in conspectu Domini Mors Sanctorum eius. Der Todt seiner Heiligen ist wärt gehalten fůr dem HERREN. Welchs / wie es scheint / Plato inn dem Phrædone nennet einen lustigen lieblichen Todt.

Jedoch soll man darumb nit die warhaffte Vertragung des Leibs vnnd der Seelen / so durch die guten vnnd böse Geister geschehen mag / vermeinen.297 Wir können wider der vorigen Meinung / wol die Exempel mit dem Helia vnd Henoch anziehen / welche mit jhren Leiben inn Himmel seind verzuckt worden.298 Deßgleichen auch diß mit dem Propheten Abacuc / der leibhafftig durch einen Engel inn die Lewengrub zu dem Prophetē Daniel ist vertragen worden.

Vnd wo man sagen wolt / inn diesen erstangezogenen Exempel seien keine ware leibliche Vertragungen geschehen. Wie hat sich dann begeben können / daß der zu Loches viel Meilen von seinem Bett bei Landes von Bourdeaux ist vertragen / vnd jener von Leon ins Lottringerland verführt vnd der / von dem Plutarchus meldet / auß Griechenland inn Crotonam bei Neapolis mehr dann hundert Meilen vber Mör vbergesetzt worden. Vnd inn andern mehr dergleichen Exempeln geschehen?

Thomas von Aquin / Durandus Heruet / Bonaventura von Tarantasia / vnnd Geraldus Odetus / welche diese question inn jhren Außlegungen vber das ander Buch / Distinctione VIII. des Magistri der Sententien haben gehandelt / die schliessen gantz formlich / daß die Teuffel durch jhre Natůrliche Macht die Leiber von einem ort ins ander zuvertragen pflegen. Doch halten sie die Verzuckung des Geistes fůr wunderlicher dann des Leibs vertragung.

So dann der Teuffel diese Macht hat / inn massen sie geständig / daß er den Geist des Menschens ausser seinem Leib verzucken kan / solt es jhm dann nicht viel leichter sein / Leib vnnd Seel ohn einige zertheilung / Trennung vnnd Absönderung des verstand gemäsen theils oder Paitis Rationalis hinzutragen / als eins vom andern zutrennen vnd zutheilen on des MenschenTodt.

Wiewol wir nun vnzweiffelhaffte Zeugnussen vnn gewisse Erweisungen von Vnsterblichkeit der Seelen haben. Jedoch bedunckt mich diß jetzt gerhürt stuck die aller stärckst vnd gröste Beweisung / als welche durch vnzahlig Historien / Vrtheil / Vergichten /Vberwesungen / Vberzeugunge / Bekantnussen vnnd Exequierung seind gantz vergewißt vnnd greifflich dargethan. Ja / sag ich / dieser eintziger Punct mag alle Epicurer vnd Gottlosse Atheistē vberzeugen / daß der Menschliche Geist ein Vnsterblich wesen sey.

Dann die Hipothesis des Aristotelis in dem zweiten Buch von der Seelen / da er setzt / daß die Seel gewiß vnsterblich sein muß / wann sie etwas ohn Hůlff des Leibs fůr sich selbst thun vnnd schaffen könne / wird durch diese nun angeregte weiß gantz mercklich war gemacht / verifieiert vnd dargethan.299 Deßgleichē auch die zweit Hipothesis / das die Seel gewiß vnsterblich sein muß / wann sie vom Leib theilbar vnd absönderlich seie.

Aber die Vngläubigen / so weder von der Macht Gottes / noch dem Wäsen der Geister etwas halten vnd glauben / die gebē vnverschampter weiß auß /daß diß / so wir die Seel heissen / seie eine Harmonc sihe od' Wolgestimpte Verbůndtnuß vnd Allgemeine Form / so auß den Particularformē der Humoren /vnnd anderen theilen des Menschlichen Leibs entstande. Welchs warlich eine grobe vngereimmte Incongruitet ist / daß man des Menschen Form will componieren: Von deren doch alle Philosophi halten vnn bekennen / daß sie pur / simpel vnd einfach sey auß vielen formen.

Belangend dann die Verzuckung / da sagen vnd halten sie / es seie ein Melancholischer Traum / durch welchen die kräft der Seelen begraben werden / also daß es scheint / als seie der Mensch gestorben.300 Aber deß geht gar lächerlich ab: Angesehen / daß[113] es viel mehr Zauberer vnnd Hexenmeister inn Nordwegen / vnd Liffland / vnd andern Septentrionalischen Gegenen hat / dann sonst inn allem vberigem theil der Welt: In massen Olaus Magnus dauon schreibet.301

Vnd es scheinet / als könn diß / welchs in dem Jesaia vom Sathan gemeldt wird Ich will auff den Nordwind steigen / vnd Gott gleich sein / recht gezogen werden auff den Gewalt des Sathans / den er hat vber die Völcker / so gegen Nord gelegen: Welche von Bösen Geistern vnnd Zauberern sehr vbel verschreit seind.302 Gleich wie man auff ebenmäsigen fall durch die gantz H. Schrifft findet / daß vom Nord her alles Vnglůck kommen werde: Als im Buch der Weißheit am 2. Capitel / Esaiæ ca. 14. 41. 49. Hierem. cap. 34. 6. 13. 15. 23. 25. 46. 47. 50. 51. Ezechiel s. 48. Daniel. 11. Zachar. cap. 2. Vnd gleichwol sind dise Aquilonische Völcker am aller wenigsten mit Melancholy behafft / als kein Nation vnter dem Himmel: Dann sie seind gemeinlich sehr weiß vnd bleichfärbig / oder haben Haar wie die Küh.303

Derhalben muß darauß folgen / daß dise Gesellen /so solcher vngeschickter meynung seind / jhrer Vnwissenheit bekantlich sein müssen. Dann Plutarchus schreibt von einem Solens genant / vnnd Plinius von einem Hermotino Clazomenio / vnnd Herodotus von einem Philosopho von Proconese einem Gottslästerer vnd Atheisten / daß sie dermassen starck inn Eckstasei seien verzuckt worden / daß jre Leiber gleichsam vnempfindtlich todt da gelegen. Also daß des Hermotim Feind / als sie seinen Leib der gestalt inn der Onmacht da ligen fanden / brachten sie jhn vmb / vnd verbranten jhn.304

Hieronymns Cardanus von Meyland / ein fůrnemmer Philosopus zu vnsererzeit / hat inn seiner Genesi Schrifftlich hinderlassen / daß er durch ein Ecstasin ausser seinem Leib sey so offt verzuckt worden als er gewölt: dermassen daß er gar ohn Leibliche empfindnuß gewesen.305

Aber ich halt darfür / das alle die / so mit willen wachend diese Verzuckung gedulden / Zauberer seien. Auch bekent gedachter Cardanus selber / sein Vatter hab dreissig Jar einen Geheimen oder Familiaren Geist gehabt. Vnd gemeynlich pflegen die Vätter / so Zauberer seind / jhre Kinder also zuarten vnnd anzulassen / daß sie ausser sich selbst verzuckt werden.306 Dahin sich dann reimt / diß so Virgilius im sechsten Buch Aeneidos von einer Hexin schreibet / Quæ se promittit: soluere Mentes: Die außgibt / sie könn die Gemůter aufflösen.

Dann die Warheit zusagen / eine Vegetariuische /Vitalische vnd Animalische Seel bleibet nit desto weniger / wann schon die Sinn / Bewegung vnnd Verstand auffgelößt vnd entbunden sein.

Wir haben dessen ein newlicher Histori inn eines Neapolitäners Magia Naturali, da er schreibet / er habe eine prob erfahren an einer Hexin / die sich gantz nackend vnd bloß mit Schmär hab geschmiret /vnnd darauff gantz ohn Empfindtnuß inn Onmacht dahin sey gefallen / vnd als sie nach drey Stunden widerumb zu jhr selbst kommen / seltzame Zeitungen auß vilen Landen / die doch gewiß gewesen / erzehlet habe.

Wol war ist es / der Author desselbigen Buchs /welchs wol werd / das mans verbrenn / zeigt mittel vnd weg an / wie mans üben vnn practisieren soll.307 Aber der Sathan gebrauchets nur gegen diesen / die es gern heimlich halten wolten / oder die von wegen jhres hohen fůrnemmen Geschlechts / oder auß anderen Vrsachen / sich bei obgedachtē Versammlungen nicht gern finden lassen.

Es hat mir der President von La Tourette erzehlt /wie er im Delphinat eine Zeuberin / so verbrent worden / gekant / die nach dem sie sich nach der lenge bei das Fewr gestreckt gehabt / im Sinn also verzuckt sey worden / daß doch der Leib im Hauß gebliben: Vnd dieweil sie nichts fühlet noch empfund / strich sie jhr Meister jämerlich mit Ruten: vnnd auff das man erfůhre / ob sie Todt were / stieß man jhr Fewr an die end / so am aller zartesten seind: Jedoch kont man sie daruon nicht aufferwecken.308 Deßhalben liessen sie jhr Meister vnn Fraw so nicht anders meynten / dann sie were Todt / da auff dem Platz gestreckt ligen.[114] Morgens fand man sie inn jhrem Bett schlaffen. Dessen jhr Meister sich verwundert / vnd sie gefragt / was jhr doch gewesen wer? Da rufft sie auff jhre Sprach / Ha mon maistre tant m auez batue. Ach mein Meister / wie habt jhr mich so vbel geschlagen? Der Meister erzehlt solche Geschicht seinen Nachbauren / die sagten jhm rund / sie were eine Hexin. Da ließ er nicht nach / biß sie jhm die Warheit bekant / daß sie damals / als sie obgehörter massen verzuckt gewesen / mit jhrem Geist der Versammlung der Zauberer vnnd Hexen bei gewohnet habe. Sie bekandt auch viel böser stůck die sie begangen het / vnnd ward deßhalben lebendig verbrent.

Jacob Sprenger der Ketzermeister / welcher sehr viel Hexin zum Fewr verurtheilt / schreibt / daß sie bekant / sie mögen beide im Geist vnd auch mit dem Leib verzuckt werden / wann sie wöllen.

Wir haben auch dessen ein Exempel bei vnserem gedencken zu Bourdeaux im M.D.LXXI. Jar fůrgangen / als man die Zauberer hefftig in Franckreich verfolgte: Da fand sich ein alte Zäuberin zu Bourdeaux /die bekant vor den Richtern / sie werde ein jede Woche / sampt anderen Gespilen an gewisses end verfůhret vnnd vertragen: Allda sie einen grossen Bock finde / der sie Gott verleugnen machet / vnnd von jhnen Gelůbd nimmet jhm fortan zudienen / vnnd darauff kůsse ein jedes den Bock an heßlichen Wůsten enden: Vnnd wann sie alsdann ein Tantz darauff vollbracht / so nemme ein jedes etlichs Gifftpuluer. Hierauff als M. Belot / der fůrnembsten Gerichtsleut einer / dessen durch die gedacht Zäuberin eine Prob wolt erfahren / vnnd aber dieselb fůrwandt / sie habe keinen Gewalt / sie sey dann auß der Gefängnuß da hieß er sie ledigen. Alsbald rib sie sich also gantz Nackend mit einer sondern Salb. Darauff fuhl sie gleichsam Todt ohn alle fühlnuß dahin. Nach fůnff Stunden / als sie wider zu jhr selber kam vnnd auffstund / erzehlet sie frembde Händel / so an vnderschidenen Orten vnnd Enden sich hatten verloffen: auch also warhafft befundē worden.309 Dise Histori hab ich von einem Graffen vnnd Ordens Ritter / der solcher Probierung beigewohnet / vnnd noch in Leben ist.

Der Historischreiber Olaus meldet / diß Geistverzucken sey sehr gemeyn in den Mittächtigen Ländern /vnnd die Freund des jenigē / so der gestalt verzuckt wird / pflegen jhn gar wol zu verwaren / biß derselb mit grossem schmertzen widerkommet / vnnd einen Ring / oder einen Brieff / oder ein Messer von dem jenigen / deßhalben sie inn sorgen stehen / vnnd der etwann auff dreyhundert meilen von dannen ist / zum Warzeichen mitbringet.310

Ich hab im Jar 1549. als ich zu Nantes gewesen /gleich so frembds vrtheil von siben Zauberern vernommen / welche in beiwesen vieler Leut sich außthaten / sie wolte jnnerhalb einer Stund Zeitung von allem dem bringen / was auff zehen Meilen herumb geschehen: Fielen demnach inn einer Onmacht nider /vnnd bliben der gestalt wol drey Stunden ligen. Folgends stunden sie wider auff / vnd sagten Zeitung /was sie inn der Statt Nantes / vnnd noch weiter herumb gesehen hetten: Darbei sie dann gar eigentlich der vmbständ / örter / händel / vnd Personen hatten wargenommen: Vnnd was sie also erzehlet / das hat man auch also bald darnach warhafft befunden. Diese des Teuffels Kunden / nach dem sie vieler Vbelthaten verklagt / vnnd vberwisen worden / hat man mit einander verbrent.

Man möcht villeicht hie einwenden vnd sagen / die Seel werde nicht verzuckt / sondern es sey allein ein Gesicht / Gespenst vnd Verblendung / die der Teuffel verursacht.311 Aber der Außgang / vnnd die Würckungen / so darauß entstehn / vberzeugen das widerspiel.

Man kan zwar die Leut wol mit Mandragora oder Alraunen / vnd anderen Narcotischen Brůlein dermassen einschläffen / daß sie recht todt scheinen.312 Aber gleichwol werden etliche der gestalt eingeschläfft / das sie nit mehr auffzuwachen wissen: Etliche wann sie solcher Brůelein eingenommen / schlaffen bißweilen drey oder vier Tag vnauffgewacht: In massen wir dann von der Tůrckei erfahren / das man daselbst die jenigē / denen man außwerffen will / auff solthe[115] weiß einschäffet: Vnd ist diß an einem gelößten oder wider erkaufften Gasconier auß dem Nidern Langedoc / als er daselbst ein Leibeigener gewesen /practicirt worden.313

Aber die Zauberer gebrauchen gar keines Gedancks noch Brůelein. Zu dem ist kundtbar / das die / so durch Narcotische Träncklein eingeschläfft werden /gar keiner händel eingedenck seien. So hingegen die Zauber vnd Hexen gar eigentliche Einbildungen haben von jhren Däntzen / Opffern / Anruffungen vnd andern sachen / die sie bei jhren versammlungen gesehen vnd getriben / auch jhre Mitgespilen vnnd Gesellen / so der Versammlung beigewonet / der gestalt mercken / daß wann man sie gegen einander stellet /sie einander zu schanden machen / vnnd des handels bekantlich sein müssen.

Vnd durch die Vergichten der jenigen / die der Inquisitor Jacob Sprenger hat verbrennē lassen / erscheint / das die Hexen gestanden / sie empfinden inn jhren Verzuckungen eben die Sachen / als wann sie leibhafftig weren zugegen gewesen.314

Vnd S. Augustin erzehlt im Achtzehendē Buch von der Statt Gottes / von dem Præstantio / wie sein Vatter offt der gestalt sey verzuckt worden / vnd wann sein Geist widerumb zu jhm kommen / habe er fůrgeben / wie er inn ein Pferd sey verwandelt gewesen /vnd mit anderen Rossen Prouiand ins Läger gefůhrt vnnd getragen habe. Vnnd nicht desto weniger seie sein Leib dieselb gantze zeit durch gleichsam fůr todt daheim inn seinem Hauß gestreckt gelegen.

Welchs die vrsach sein mag / warumm die Lycanthropia oder verwandlung der Menschen inn Wölff oder andere Thier bei allen Alten so verschreit / vnnd inn allen Orientischen Landen so gemeyn gewesen: Daruon wir jetzund bald handelen wöllen.315

Man find zwar auch Kranckheiten / die den Menschen vnempfindtlich vnnd gleichsam tödtlich machen / als da ist der Schlag / die Popelsei / die Hand Gottes / Sant Veltens Plag / die Hinfallend Sucht / das S. Johans Vbel / etc.316 Vnnd des find man ein Exempel am Bapst Julio dem Anderen / der zwen Tag gelegen /daß man gemeynt / er wer gestorben.317 Vnnd man hält darfür / der Johannes Scotus sey gantz lebendig vergraben worden / wie wol er nur Todt geschienen.318 Dann nach dem jhm der Atham begunnet zuentgehn / fing er an sich vbel zugeheben: vnd als man etwas bewegung spůrt / vnter des weil man jn mit grund bescharret / hat man in widerumb auß dem Grab gethan / vnd alsbald / befunden / das er Blut geschweißt / vnd erst allgemächlich den Geist auffgeben hat.

Solche Kranckheiten von Onmachten / schweimelung / Hertzsperrung / Geistverlierung / Tropff / Böß Wee vnnd S. Veltins Leiden / begeben sich nicht an den Hexen vnd Zauberern: Seiteinmal sie zu jhrer gattung Verzuckungen bereit vnnd disponiert seind /wann es jhnen nur gefällig. Vnd gedulden dasselbig deßhalben / damit sie ein Entschuldigung haben / bei den Versammlungen nicht zuerscheinen / auß forcht /das es möcht außbrechen vnd offenbar werden. Thun aber nicht desto weniger dem Teuffel Huldung / vnd haben jhr vnderredung vnd Gespräch jederzeit in jhren Häusern mit jhm / wann es sie nur gelustet.

Wie dann diß zubeweisen steht mit dem Freyherrn von Raitz / der zu Nantes als ein Zauberer ist verurtheilt vnd gericht worden / nach dem er bekant gehabt / wie er Acht Kindlein vmbgebracht habe.319 Vnnd an dem gewesen / daß er auch das Neundte vmbbringen wöllen / vnnd dasselbig dem Teuffel auffopffern: Welches Neundte selbst sein Leiblicher Sohn war /den er in Mutterleib gesinnet war zu tödten: Auf daß er nur darmit dem Teuffel wol hoffierte: Dieser Freyherr / sag ich / bekandt darneben auch diß / so vorgedacht / nämlich das er den Teuffel inn seiner Kammer pfleg anzubetten / vnnd vor jhm jedesmahl / wann er jhm inn Menschlicher gestalt erscheine / auff die Knie zufallen / ja jhm auch Weirauch zuprennen: Welches eine weiß vnnd form von den Abschewlichsten vnnd Verfluchtesten Opffern der Amorreer vnnd Cananeer ist gewesen.320 Der Teuffel hat jhm Wunder groß ding verheissen / wie er jhn so hoch anbringen wölle. Aber zuletst /[116] als er sich gefangen / vnd inn höchstem Jamer vnnd Ellend verstrickt gesehen / da hat er alles bekant / vnnd ist darauff vom Leben zum Todt gericht worden: Vnd der Proceß seiner Confiscation halben bleibet noch zurzeit rechthängig.

Ich hab auch bei offtgedachtem Bruder Sprenger gelesen / daß er eine zū Fewr hab vervrtheilt / welche bekant / daß sie als ein Hebam offtmals die Kinder auß jhrer Mutter leib hab empfangen / vnnd dieselbigen durch auffhebung inn die Höh dem Teuffel presentiert vnnd vbergeben / vnnd nachgehends ein grosse Guff jhnen an einem ort / da es kein Blut mocht geben / inn das Häuplein gestecket / vnnd also getödtet.321 Wann sie dann merckt / daß man sie zu Grab trug / gieng sie hin vnnd grub sie widerumm auß /kocht sie darnach im Ofen / aß das Fleisch vnd hub das Feißt zu sonderen Teuffelischen sachen auff: Sie bekant auch / das schrecklich zuhören / sie hab auff solche weiß viertzig Kindbetkindelein getödtet.322 Sie war sonst bůrtig von Dann / nahe bei Basel. Auch gedenckt er neben diser noch einer anderen / die war von Straßburg / hat ohnzälige Kindlein vmmgebracht: hat auch darüber jhr Vrtheil zum Todt außgestanden.

Diser vbergrewlichen Abgötterey vnn Abgöttischer grewlichkeit hab ich den Leser deßhalben erinnern wöllen / dieweil sie mich die aller abschewlichst bedaucht hat / von der ich je mein Lebtag hab hören reden: auff daß man auff diese / so die Kinder annemmen oder empfangen / genawe achtung gebe.

Belangend das Menschenfleisch fressen / ist dasselb ohn zweiffelig gewiß / vnd die Hexin seind stäts vō Alten zeitē her darauff verleckert gewesen: also daß kaum möglich war / die Todten Cörper genugsam sorgfeltiglich fůr jhnen zubewaren / vnnd sie geheb genug dar vor zuverschliessen / daß diese Teuffelische Todtenfresserin nicht inn die Gemach weren kommen / vnd die Todten biß auffs Bein zernagt hetten.323

Daher wirt im 67. Capitel der Salischen Gesatz verordenet / daß wo ein Zauberer oder Hexin einen Todten Menschen benagen oder zerfretzen / vnd sie dessen vberwisen vnd vberzeugt würde / sie zwey Hundert Solidos für straff zahlen solle.324

Wir lesen auch inn dem Philostrato Lemnio / daß ApolloniusThyaneus / zu Corinth eine solche Hexin /so vom Fleisch lebte / geoffenbart / vnnd sie auß der Statt gejagt hab. Darumb auch Horatius für ein grewlich stuck hat angeben / Neu pransæ Lamiæ puerum viuum extrahat Aluo. Wann man sich besorgen muß /daß die Menschenfräßigē Hexin ein Sönlein lebendig auß Mutterleib ziehē. Vnn gleichwol ist solchs beidē Hexin sehr gemein / sich mit solcher Speiß zunehren vnd zumästen.

Wir lesen auch inn dem Ammiano Marcellino / wie Pollentiam der Zunfftmeister sey vberwisen worden /daß er ein Schwangere Fraw hab auff geschnitten /von jhrem Kindlein zuerfahren / wer Keyser werden solle.325 Welche angezogene örter alle / deutlich dasselbig bestättigen / was wir auch zu vnserer zeit in vnseren Vervrtheilung der Hexen von tag zutag můssen erfahren. Auch bereden sich vil Hexin / daß sie der Teuffel deßhalben solche grewliche stuck begehn mache / damit sie auff weiß vnn weg / wie es jne gefällig / entweder im Geist oder im Fleisch sie mögē verzuckt machen.

Ja die sach so wen nicht zuerholen / wöllen wir vnd des Rondeletij / eines Hochverständigen vnd Wolberhümpten Medici zeugnuß behelffen / welcher zu Montpellier einen dergleichen Zauberer hat außgespehet / der stäts gepfleget bey den Gräbern sich zufinden.326 Vnd denselbigen auff ein zeit begriffen / daß er zu einer Begräbnuß sich verfügt / da mā vorgehendes tags ein Weib vergraben gehabt / vnd demselbigen Todten eine Arßbacken außgehawen / vnd vnter des Ers auff den Achsselen heim getragen / mit lust vnd girigen Zänen allweil in das Fleisch gebissen /vnnd es wacker hinweg gezecht habe: Dise Histori hab ich von des Rondeletij Discipeln einem / der zu solcher außspehung mit jhm gangen war. Der selbig sagt mir / wer die kranckheit / die man Lycanthropei nennet: Welche machet / daß die Menschen Vnsinnig werden / vnd meinen / sie seien zu Wölffen verwandelt / vnd pflegen derhalben sich mit solcher Vnmenschlicher Speiß zumästen.[117]

So laßt vns derwegen nun von disem Puncten in folgēdem Capitel auch handelen / vnn wo es möglich ist / darthun / daß die Menschen entweders warhafftiglich / oder durch einbildung vnn Fantasey / oder durch Kranckheit in Wölff verwandelt werden.327

Quelle:
Bodin, Jean: DE MAGORUM DAEMONOMANIA. Vom Außgelassnen Wütigen Teuffelsheer Allerhand Zauberern / Hexen vnnd Hexenmeistern / Vnholden / Teuffelsbeschwerern / [...] durch [...] Johann Fischart [...] in Teutsche gebracht [...]. Straßburg 1591, S. 112-118.
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