[327] Ihr Dirnen, die ihr spröde thut,
Schäumt euer jüngferliches Blut
Gleich oft zum überkochen,
Hört, wie in Schönbeck lästerlich
An einem Kammerkätzchen sich
Das sprödethun gerochen.
Als Aeffchen ihrer gnädgen Fra
Schminkt sie sich salva venia
Mit rothen Hasenfüßchen;
Belockt sich wie ein Hoffräulein
Und schnürt sich dünn und lispelt fein
Und nimmt mit grace ein Prieschen.
Als einmal sie Gevatter stund,
Da zog und spizte sie den Mund[327]
Mon dieu wie mannigfaltig!
Schmieds Friedrich warf ihr einen Schmatz
Und trank ihr zu: »Mamsell, Ihr Schatz!«
Drob brummte sie gewaltig.
»Ein Schatz, parbleu! welch dummer Schnack!
Bleib er bei seinem Kohlensack
Und laß er meines gleichen!«
»Nun, nun, Mamsell, nur kein Gekreisch!
Schwernoth! Ihr juckt wohl auch das Fleisch
Nach mir und meines gleichen!«
»Du bist der rechte, schrie sie, Du!
Solch grobes Mannsvolk stinkt mir zu,
Wie Theer an alten Achsen.
Verfiel mein Gusto je aufs frein,
Soll diese Nacht zum Augenschein
Ein schwarzer Bart mir wachsen!«
Sie schlug ein Schnippchen, schnupft' und trank,
Doch klopft ihr gleich das Herz so bang.
Ein bös Ding ums Gewissen!
Ihr graute nachts, schon juckt es ihr
Um Wang' und Kinn, sie konnte schier
Vor Angst kein Auge schließen.
Der Sturmwind saust' die Nacht hindurch,
Die Eule heulet auf der Burg,
Die Wehklag' in den Eichen.
Bang zirpen Grillen, Katzen maun,
Sie sieht ums Bette voller Graun
Die Unterirdschen schleichen.
Als früh sie vor den Spiegel trat,
Da einen lauten Schrei sie that,
O scheusliches Geschicke!
Die Wangen Kinn und Lippen zart
Umzog ein schwarzer Judenbart.
Sie fiel wie todt zurücke.
[328]
Als sie erwacht, o Jemini!
Wie schäumte, knirschte, krazte sie,
Das Scheusal auszurotten.
»Nun Friedrich komm und lache mein!
Nun wird der schlechtste Kerl mich scheun
Und alle Hurren spotten!«
Sie legt umsonst Pechhauben an,
Die Zang ihr auch nicht helfen kann,
Sie ist ein Jud und bleibt es.
Der Bader beizt am Schandgewächs:
Umsonst! kein Doctor, keine Hex,
Kein Schinderknecht vertreibt es.
Sie weinte vierzehn Tage lang,
Rauft' ihren Bart, mied Speis' und Trank
Bis Wang' und Busen sanken.
Und aschgrau wie ein Bild von Tusch
Entflieht sie in des Burgwalls Busch,
Wo Unterirdsche wanken.
Die tanzen froh um sie herum.
Seit dem geht sie um zwölfe um
Im Reihn der Nachtgespenster.
Und wo sie geht, da heults und lachts;
Langbärtig kukt sie oft des Nachts
In spröder Jungfern Fernster.
Buchempfehlung
»Fanni war noch jung und unschuldigen Herzens. Ich glaubte daher, sie würde an Gamiani nur mit Entsetzen und Abscheu zurückdenken. Ich überhäufte sie mit Liebe und Zärtlichkeit und erwies ihr verschwenderisch die süßesten und berauschendsten Liebkosungen. Zuweilen tötete ich sie fast in wollüstigen Entzückungen, in der Hoffnung, sie würde fortan von keiner anderen Leidenschaft mehr wissen wollen, als von jener natürlichen, die die beiden Geschlechter in den Wonnen der Sinne und der Seele vereint. Aber ach! ich täuschte mich. Fannis Phantasie war geweckt worden – und zur Höhe dieser Phantasie vermochten alle unsere Liebesfreuden sich nicht zu erheben. Nichts kam in Fannis Augen den Verzückungen ihrer Freundin gleich. Unsere glorreichsten Liebestaten schienen ihr kalte Liebkosungen im Vergleich mit den wilden Rasereien, die sie in jener verhängnisvollen Nacht kennen gelernt hatte.«
72 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.
456 Seiten, 16.80 Euro