Die 50. Histori sagt, wie Ulenspiegel die Schneider im gantzen Sachßenland beschreib, er wolt sie ein Kunst leren, die solt ihnen und ihren Kindern gutthun.

[144] Consilium und ein Versamlung der Schneider beschrib Ulenspiegel uß in die windische Stät unnd in das Land zu Sachßen, als nämlich in dem Land zu Holstein, Bummeren,[145] Setetin und Meckelburg, auch zu Lübek, zu Hamburg, zu dem Sunte, zu Wißmar, und ermant sie in dem Brieff großer Gunst und daz sie solten zu ihm kumen, er wär in der Stat zu Rostock. Er wolt sie ein Kunst leren, die solt ihnen und ihren Kindern gutthun zu ewigen Zeiten, dieweil die Welt stünd. Die Schneider in den Stätten und Flecken und uff den Dörfferen schriben einander zu, waz ihr Meinung darzu wär. Sie schriben alle, daz sie zu der Stat wolten kumen uff ein Zeit. Und waren alle da versamlet, und ein jeden verlangt nach dem andern, waz daz möcht sein, daz Ulenspiegel sagen wolt oder für ein Kunst leren, nach dem er sie so scharff verschriben hätt. Und kamen zusamen uff ein Zeit zu Rostock alle nach ihrem Abscheiden, so daz sich vil Lüt verwunderten, waz die Schneider da tun wolten. Als nun Ulenspiegel hort, daz ihm die Schneider gefolgt hätten, da ließ er sie wol zusamenkumen, so lang, daz sie alle beieinander waren. Da sprachen die Schneider Ulenspiegeln an, sie wären darkumen und ihm gefolgt nach seinem Schreiben, wie er darin berurt hät, wie er sie wolt ein Kunst leren, daz ihnen und ihren Kindern gut solt thun. Und bäten ihn, daz er sie wolt fürdern und die Kunst offenbaren und vermelden. Sie wolten ihm ein Schenck thun.

Ulenspiegel sprach: »Ja, kumen all zusamen in ein Weißen, das euwer jeder das von mir hören kan.« Sie kamen all zusamen uff ein weiten Plan und Ulenspiegel steige auff ein Hauß unnd sahe da zu dem Fenster uß und sprach:[146] »Erberen Männer des Handwercks der Schneider! Ihr sollen mercken und verstan, wan ihr haben ein Scher, Elen und Faden und ein Fingerhut, darzu ein Nadel, so haben ihr Gezeugs gnug zu euwerm Hantwerck. Daz ist euch kein Kunst zu uberkumen, sunder es schickt sich selber, solten ihr euwer Handwerck bruchen werden. Aber dise Kunst haben von mir und gedencken mein darbei: Wann ihr die Nadlen gefedmet haben, so vergessen das nicht, daz ihr an daz ander End machen ein Knopff oder ihr stechen manchen Stich umbsunst. So hette der Faden kein Ursach, daz er uß der Nadlen wüschet.« Ein Schneider sah den andern an und sprachen zueinander: »Diße Kunst wissen wir all vor wol und alle die Sag, die er uns gesagt hat«, und fragten ihn, ob er auch etwaz mer ze sagen hät, dan der Fantasei wolten sie nit 10 oder 12 Meilen nachgezogen haben und zueinander Botten geschickt hon. Dise Kunst höd die Schneider lang wol gewißt, mer dann vor tusent Jaren. Daruff antwurt ihnen Ulenspiegel und sprach: »Waz vor tusent Jaren geschehen ist, da wär niemans, der daz eindenck wär.« Auch sagt er, wär es ihnen nit zu Willen und zu Danck, daz sie das dann nemen für Unwillen und haben keinen Danck darzu, und das mäniglich wider gieng, da er harkummen wär.

Da wurden die Schneider zornig uff ihn, die weit harkummen waren, und wären gern bei ihm gewest, aber sie kunden nit zu ihm kummen. Also giengen die Schneider wider voneinander. Ein Teil waren zornig und fluchten und waren gantz unwillig, das sie also den ferren Weg umbsunst gangen hätten, und diejenne, die mit Huß da wonten, die lachten und spottetent der andern, daz sie sich hätten also lassen äffen, und sprachen, daz wär ihr selbs schuldt, warumb sie dem Landthoren und Narren hätten glaubt und gefolgt, dan sie lang wol gewißet hätten, was Ulenspiegel für ein Fogel wär geweßen.

Quelle:
Ein kurtzweilig Lesen von Dil Ulenspiegel. Stuttgart 1978, S. 144-147.
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