Die 56. Histori sagt, wie Ulenspiegel einem Ledergerwer Leder sut mit Stülen und mit Bäncken zu Brunschwig uff dem Damme.

[161] Indem als Ulenspiegel von Lipzig reißte, kam er geen Brunschwigck zu einem Gerwer, der daz Leder gerbt den Schuchmachern, und es waz Winterzeit. Da gedacht er: »Du solt dich mit disem Gerber disen Winterleiden«, und verdingt sich zum Gerwer. Als er nun 8 Tag bei dem Gerwer geweßen waz, da schickt es sich, daz der Gerwer wolte zu Gast essen. Und uff den Tag solt Ulenspiegel Leder gar machen. Da[162] saget der Gerwer zu Ulenspiegeln: »Süde den Zuber fol Leders gar.« Ulenspiegel sprach: »Ja, waz sol ich für Holtz dazu nemen?« Der Gerwer sprach: »Waz ist des Fragens not, wann ich kein Holtz uff den Holtzhüsern hätt, so hät ich noch wol so vil Stül und Bäncke, damit du daz Leder gar machest.« Ulenspiegel sagt ja, es wär gut. Der Gerwer gieng zu Gast. Ulenspiegel, der hieng uber ein Kessel und steckt daz Leder darein, ein Hut nach der andern, und sod daz Leder als gar, daz man daz mit den Fingern entzweigriff. Als nun Ulenspiegel daz Leder gar soud, da zerhüwe er Stül und Bänck entzwei, alle die im Hauß waren, und steckt die under den Kessel und soud daz Leder noch baß. Und da daz geschehen waz, so thut er daz Leder uß dem Kessel und legt das an einen Huffen und gat uß dem Huß für die Stat und wandert hinweg.

Der Gerwer hietet sich niergen für und tranck den Tag und gieng des Abens vol zu Beth. Des Morgens verlangt ihn, wie sein Knecht daz Leder gemacht hät, und stund uff und gieng in daz Gerbhuß und fand daz Leder also gar gesotten und findet weder Bänck noch Stül in dem Hauß noch Hoff und ward gantz mißtröstig und gieng in die Kamer zu seiner Frauwen und sprach: »Frauw, hie ist ubel zu gesehen. Ich habs darfür, das es unser nüwer Knecht Ulenspiegel sei gewesen, wann er pfleget alles das zu thun, als man ihn heisset. Er ist hinweg und hat all unßere Stül und Bänck in das Feür gehawen und hat das Leder damit allzu gar gesotten.« Die Fraw ward weinen unnd sprach: »Folgen ihm hefftigklichen und schnel nach und holen ihn wider.« Der Gerwer sagt: »Nein, ich beger sein nitt wider, er bleib nur uß, bitz ich nach ihm schick.«

Quelle:
Ein kurtzweilig Lesen von Dil Ulenspiegel. Stuttgart 1978, S. 161-163.
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