67. Und abermals zwey Jahre
(1768. u. 1769.)

[251] Das vorige Jahr 67. hatte mir wieder einen Buben bescheert. Ich nannte ihn nach meinem Vater sel. Johannes. Um die nämliche Zeit fiel mein Bruder Samson im Laubergaden ab einem Kirschbaum zu Tod. Ao. 68. fieng ich obbelobtes Büchlein, und zugleich ein Tagebuch an, das ich bis zu dieser Stunde fortsetze, anfangs aber voll Schwärmereyen stack, und nur bisweilen ein guter Gedanke, in hundert lären Worten ersäuft war, mit denen N.B. meine Handlungen nie übereinstimmten. Doch mögen meine Nachkommen daraus nehmen, was ihnen Nutz und Heil bringen mag.

Sonst ward ich in diesen frommen Jahren des Garnhandels bald überdrüßig, weil ich dabey, wie ich wähnte, mit gar zu viel rohen und gewissenlosen Menschen umzugehen hätte. Aber, o des Tuckes! warum überließ ich ihn denn meiner Frau, und beschäftigte mich nun selbst mit der Baumwollentüchlerey? Ich glaubte halt, vor meine Haut und mein Temperament[251] mit den Webern besser als mit den Spinnern auskommen zu können. Aber es war für meine Oekonomie ein thörigter Schritt, oder wenigstens fiel er übel aus. Im Anfang kostete mich das Webgeschirr viel, und mußt' ich überhaupt ein hübsches Lehrgeld geben; und als ich itzt die Sachen ein wenig im Gang hatte – schlug die Waar' ab. Doch, ich dachte: Es wird schon wieder anders kommen.

Das Jahr 69. bescheerte mir den dritten Sohn. »Ha«! überlegt' ich itzt eines Tags: »Nun mußt du doch einmal mit Ernst ans Sparen denken; bist immer noch so viel schuldig, wie im Anfang, und dein Haushalt wird je länger je stärker. Frisch! die Händ' aus den Hosen gethan, und die Bären abbezahlt. Itzt kann's seyn. Bisher hattest du noch stets an deiner Hütte zu flicken, und fehlte immer hie und da noch ein Stück; andrer Ausgaben in deinem Gewerb u.s.f.u.f. zu geschweigen. Dann hast du unvernünftig viel Zeit mit Lesen, Schreiben, u.d. gl. zugebracht. Nein, nein! Itzt willst anders dahinter. Zwar das Reichwerdenwollen soll von heut an aufgegeben seyn. Der Faule stirbt über seinen Wünschen, sagt Salomon. Aber jenes ewige Studiren zumal, was nützt es dir? Bist ja immer der alte Mensch, und kein Haar besser als vor 10. Jahren, da du kaum lesen und schreiben konntest. – Etwas Geld mußt' freylich noch aufnehmen; aber dann desto wackerer gearbeitet, und zwar alles, wie's dir vor die Hand kömmt. Verstehst ja, neben deinem eigentlichen Berufe, noch das Zimmern, Tischlern u.s.f. wie ein Meister; hast schon Webstühl, Trög' und Kästen, und[252] Särg' bey Dutzenden gemacht. Freylich ist schlechter Lohn dabey, und: Neun Handwerk', zehn Bettler, lautet das Sprüchwort. Doch wenig ist besser als Nichts«. So dacht' ich. Aber es liegt nicht an jemands Wollen oder Laufen, sondern an Gottes Verhängniß, an Zeit und Glück!

Quelle:
Leben und Schriften Ulrich Bräkers, des Armen Mannes im Tockenburg. Bd. 1–3, Band 1, Basel 1945, S. 251-253.
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