[112.]

[313] Von narren hab ich vß geseyt

Do mit man doch wiß recht bescheyd

Wer witzig sy / gantz vmb / vnd vmb

Der laß myn fründ Virgilium /


112. Der wyß man

Der wyß man.

Eyn gůt vernunfftig / witzig / man

Deß glych man nit möcht eynen han

In aller welt / als Socrates

Appollo gab jm kuntschafft des /

Der selb syn eygen richter ist

Wo jm abgang / vnd wißheit gbrist

Versůcht er vff eym näglin sich

Er acht nit / was der adel spricht[314]

Oder deß gemeynen volcks geschrey /

Er ist rotund / gantz wie eyn ey

Do mit keyn frömbder mackel blib

Der sich vff glattem weg anryb

Wie lang der tag jm krebs sich streckt

Wie lang die naht den Steynbock deckt

So gdenckt er / vnd wigt eben vß

Das jn keyn wynckel jnn sym huß

Betrüb / oder er red eyn wort

Das nit glych wäg vff alle ort /

Do mit nit fäl das winckel mäß

Jo väst syg / wes er sich vermäß /

Sunder all anlouff mit der handt

Versetz / vnd bald hab abgewandt /

So ist jm nit so lieb dheyn schloff

Das er nit gdenck ver / vnd sich stroff

Was er den langen tag hab gthon

Wo übersehen er sich mag han /

Was er by zyt solt han betracht /

Vnd das zů vnzyt hab volbracht /

War vmb vollendt er hab diß sach

On zymlicheit / vnd all vrsach /

Vnd er vil zyt vnnütz vertrib /

War vmb er vff dem anschlag blib

Den er wol möcht verbessert han /

Vnd nit den armen gsehen an

War vmb er jn sym gmüt hatt vil

Empfunden schmertz / vnd wider will /

Vnd war vmb er diß hab gethon

Vnd hab jhens vnderwegen gelon /

War vmb er syg so offt geletzt

Vnd hab den nutz für ere gesetzt

Vnd sich verschuldt mit wort / vnd gsicht

Der erberkeyt geachtet nycht /

War vmb er der natur noch heng

Syn hertz zů zůcht nit zych / vnd zweng /

Also bewärt er werck / vnd wort

Vom morgen / biß zů tages ort /[315]

Gdenckendt / all sachen die er důt

Verwürfft das böß / vnd lobt das gůt

Das ist eyns rechten wisen můt

Den jnn sym gdicht / vnß zeychet vß

Der hochgelobt Virgilius

Wer also lebet hie vff erd /

Der wer by gott on zwifel werdt

Das er recht wißheit hett erkannt

Die jnn fürt jnn das vatterlant

Das vns gott geben well zů hannt

Wünsch ich Sebastianus Brant


Deo gracias.

Quelle:
Sebastian Brant: Das Narrenschiff, Basel 1494, S. 313-316.
Lizenz:
Kategorien:
Ausgewählte Ausgaben von
Das Narrenschiff
Das Narrenschiff
Das Narrenschiff: Mit allen 114 Holzschnitten des Drucks Basel 1494
Das Narrenschiff
Das Narrenschiff: Nach der Erstausgabe (Basel 1494) mit den Zusätzen der Ausgaben von 1495 und 1499 sowie den Holzschnitten der deutschen Originalausgaben (Neudrucke Deutscher Literaturwerke)
Das Narrenschiff:

Buchempfehlung

Strindberg, August Johan

Inferno

Inferno

Strindbergs autobiografischer Roman beschreibt seine schwersten Jahre von 1894 bis 1896, die »Infernokrise«. Von seiner zweiten Frau, Frida Uhl, getrennt leidet der Autor in Paris unter Angstzuständen, Verfolgungswahn und hegt Selbstmordabsichten. Er unternimmt alchimistische Versuche und verfällt den mystischen Betrachtungen Emanuel Swedenborgs. Visionen und Hysterien wechseln sich ab und verwischen die Grenze zwischen Genie und Wahnsinn.

146 Seiten, 9.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantische Geschichten II. Zehn Erzählungen

Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Michael Holzinger hat für den zweiten Band eine weitere Sammlung von zehn romantischen Meistererzählungen zusammengestellt.

428 Seiten, 16.80 Euro

Ansehen bei Amazon