Achte Scene.

[91] Faust und Mephistopheles Arm in Arm.


DUJOUR mit den Herren sich höflichst verneigend.

Monsieur, bien venu – in meinem Haus!

FAUST sich von Mephistopheles losmachend, heiter erhitzt, betrachtet den Saal.

Da sieht's ja zaubervoll liebreizend aus!

Madame, den allerschönsten Gruß;

Auch Tanz und Spiel?

In welchem Glanz!

Für schwache Menschensinne fast zu viel!

Selbst Mummenschanz?


Geht durch die Säulen.


Den ich mir näher gleich beschauen muß.[91]

DUJOUR zu Mephistopheles.

Je vous rends graces

MEPHISTOPHELES.

Sans gêne – für was?

DUJOUR Faust folgend.

Ich muß nur seh'n, sonst wär's gefehlt,

Daß er die rechte Tänz'rin wählt.

MEPHISTOPHELES zu den Herren.

Französisch – das ist meine Sprache;

Sie haucht gefällig X hin für ein U!

Man weine oder lache,

Sie declamirt dazu.

Hätt' ich ein Wort zu reden hier auf Erden,

Die allgemeine Sprache müßt' sie werden.


Man sieht Faust tanzen.


LE DOIGT.

O seht, wie er zu leben weiß!

Schon dreht er sich im bunten Kreis

Dahin mit dem holdesten Mädchen der Welt!

APPEAU.

Und wie er so feurig und männlich sie hält!

MEPHISTOPHELES.

Besorgt indessen Wein;

Bald wird er müde sein,[92]

Champagner macht ihn wieder frisch;

Karten und Würfel auf den Tisch.


Man bringt Wein; – hier endet der Tanz, und bei leiser Musik drängen sich hinter den Säulen die Masken wieder.


LE DOIGT.

Er kommt zurück, Vergnügen malt

Sein Antlitz, und das Auge strahlt!

FAUST Madame Dujour im Arme hereinkommend.

Was traf mein Blick?

Was hielt mein Arm?

Gibt's denn ein Glück,

So voll und warm?

Wer ist sie, sagt?

Schaut Sonne hoch,

Wie weit sie tagt,

So Holdes noch?

Und ich – ich soll sie näher kennen lernen?

DUJOUR halblaut.

Ja; doch ihr dürft euch nicht zu schnell entfernen.

FAUST zurückblickend.

Ich fort von hier,

Hinweg von ihr?

O nimmermehr!

DUJOUR ihm ein volles Glas reichend.

Die Hausfrau selbst kredenzt es euch, mein Herr![93]

FAUST leert es rasch.

Mehr dieses Saftes! O er birgt so viel!

Und nun ein Spielchen vor dem größern Spiel!


Er sinkt nachlässig vorne links in einen Armsessel am Tische; die Herren setzen sich ihm gegenüber; Madame Dujour neben ihm; Mephistopheles lehnt sich über ihren Stuhl.


LE DOIGT.

Was wünscht ihr, Würfel oder Karten?

FAUST.

Zwar lieb' ich großes Spiel in allen Arten,

Doch zieh' ich Würfel vor;

Da fällt das Glück gleich einem Meteor.

Spiel' glücklich nicht, obwol ich sagen darf,

Daß ich so manchen großen Wurf schon warf.

Des Spieles unberechnenbaren Launen

Im Geist zu folgen, das ist mir Genuß;

Wenn etwas, macht das Spiel mich staunen,

Sein räthselhafter Genius;

Was man Verlust sonst nennet und Gewinn,

Achte kein Geld, hab' dafür keinen Sinn.

Nun denn, die Würfel!

LE DOIGT ihm dem Becher reichend.

Um was ihr wollt!

FAUST zu Mephistopheles.

Du hast doch Gold?[94]

MEPHISTOPHELES leert vor ihm einen Sack.

Ich bin verseh'n!

FAUST trinkt und schnellt mehre Goldstücke hin auf den Tisch.

So mag's gescheh'n!


Er würfelt.


Ei seht, die schöne Sieben!

LE DOIGT wirft.

Fünf; – ihr seid Meister blieben –

APPEAU Faust Gold zuschiebend.

Mit wenig viel gewinnen, nenn' ich Glück!

FAUST Gold hinstoßend.

Zehnfachen Satz!

LE DOIGT.

Gut; zieh mich nicht zurück.


Er würfelt.


Elf! –

FAUST trinkt und wirft.

Drüber sieht ein Auge noch –

Zwölf! –

ALLE.

Seltne Schicksalsgunst! So hoch!

LE DOIGT.

Doublirt nun auch den dritten Satz![95]

FAUST alles Gold hinschiebend.

Doubliren? – Dreimal höher! Platz!


Er wirft.


Drei! –


Appeau ordnet das Gold; Alle sind gespannt.


LE DOIGT schüttelt und wirft.

Vier! –


Er schaufelt gierig ein.


FAUST lacht und trinkt.

Ja, ja, die Drei! –

MEPHISTOPHELES.

Nur keine Grillenfängerei!


Es beginnt von neuem laute, rauschende Tanzmusik. Die Masken gehen aus dem Saale durch die Säulen hervor und dem Tische schief gegenüber seitwärts hinaus.


FAUST.

Es sei genug für einen Augenblick,

Wir messen uns wol später noch im Glück;

Das Spiel mag ruh'n,

Jetzt, seht doch, haben Aug' und Herz zu thun,

Ihr holdes Ziel

Ist Tanz nunmehr und loses Maskenspiel.

DUJOUR.

Ihr kommt doch wieder in den Saal?

FAUST.

Der Tanz beginnt von neuem[96]

Die schönen Menschen allzumal

Wie Blumen auszustreuen!

Schalk Amor liest sie auf, flicht leise

Ein Seufzersträußlein hier, dort einen Kranz,

Und selbst der Müde, selbst der Weise

Zürnt ihm nicht ganz.


Man sieht tanzen.


DUJOUR.

Wenn's euch demnach gefällt?

FAUST nach den Masken blickend.

Was doch mein Aug' an diesen Masken hält!

Sind's meine Sinne, die so trügend walten?

Mir ist, als zögen aus dem Vaterlande,

Dort Bilder, mir sonst theuere Gestalten,

Hin an der Wand –

MEPHISTOPHELES.

Die Hausfrau sann das aus für dich galant,

Nicht so, Madame Dujour?

Pariser sind's, Pariserinnen nur,

In deutsch-altmodischem Gewand!


Faust stiert regungslos hin; den Zug der Masken schließen Faust's Vater und Wagner. Diese bleiben an den Säulen stehen, unverwandten Blickes nach Faust, der, mit einem Entsetzensschrei emporfahrend, von Mephistopheles gehalten wird.


FAUST.

Mein Vater und mein Famulus!


Die beiden Gestalten schweben leise vorüber.
[97]

MEPHISTOPHELES.

Du träumst, und Alles ist hier wach,

O hänge doch nicht Gaukeleien nach!

BIANCA'S GESTALT erscheint wie die erstern und verweilt.

FAUST will sich mit Gewalt losreißen.

Bianca! – Hier? Ist es der Hölle Schein,

Wie, oder bricht der Himmel ein

Und wirft zerstört die Engel in die Welt

Der Sünde? Ja, sie ist's! hinweg von mir,

Verführer, fort! Des Auges Schuppe fällt,

Da klafft der Abgrund, Himmel ist nur hier!

MEPHISTOPHELES.

Ermanne dich; all' diese Bilder

Sind Ausgeburten wilder

Empfindung oder Phantasie,

Du sahst nur eben derlei Masken nie!

FAUST sich der Gestalt nähernd.

Bianca, lebst du noch?

Hat der gebrochne Schwur,

Verletzte Treue,

Verletzt dein Herz, gebrochen schon dein Herz,

Und kommst du, mir zu zürnen nur?

O rede doch![98]

Sieh meinen Schmerz

Und meine ausdruckslose Reue!

Bianca!


Quelle:
Braun von Braunthal, [Karl Johann]: Faust. Eine Tragödie, Leipzig 1835, S. 91-99.
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