Vierter Auftritt.

[44] Gabriele. Der Jäger.


JÄGER.

Nun, Gott sei Dank, da zeigen sich ja Häuser!

Ein Abenteuer giebt's, kein Ungemach!


Er geht einige Schritte und bemerkt Gabriele.
[44]

Was seh' ich dort? Täuscht mich mein Auge nicht?

Fürwahr, ein Kind wie Rosen anzuschauen!

Und reich umwallt von blondgelockten Haaren!

Im ganzen Forst jag' ich das schönste Reh.


Er verschwindet nach links hinein.


Gabriele erhebt sich und geht ab nach rechts in die Hütte.


JÄGER kommt von links den Ablauf herunter.

Weg ist der Schatz! Recht wie in alten Kunden

Ein Feenhirsch, entschwand sie schnell dem Auge!

Doch da giebt's Rat!


Er geht einige Schritte nach der Thür und ruft ihr nach.


He, schönes Mädchen, höre!

GABRIELE kommt wieder heraus und bebt wie vor einer Erscheinung zurück.

Hilf Himmel, ach!

JÄGER.

Was bebst du denn vor mir?

GABRIELE freudig.

Wer Ihr auch seid, vergebt mir meinen Zweifel.

Jetzt, da Ihr Hilfe bringend vor mir steht,

Jetzt glaub' ich fast, daß Wunder noch geschehen.

Mein Täubchen ist's, schon in des Adlers Klauen!

JÄGER.

Ist's möglich, Kind?

GABRIELE beteuernd.

Ja, sie ist mein! Mein Liebstes, mein bester Schatz! Als sie

Der Adler mir entführt', hing ihr am Hals ein Silberring.

JÄGER giebt ihr die Taube.

Bedarf des nicht, dies Auge kann nicht trügen.

GABRIELE ganz glücklich, küßt die Taube, läßt sie nach rechts hinein fliegen.

Da flieg', du Traute, bald folg' ich dir nach.

JÄGER für sich.

Wie sie sich freut! Wie unschuldsvoll! Sie hat den Schutzgeist

Ganz vergessen.

GABRIELE.

Ihr seid so freundlich, lieber Herr!

O sagt, wie habt Ihr ohne Flügel

Aus hoher Luft dies Täubchen mitgebracht?

JÄGER.

Verirrt, allein auf hohem Felsen[45]

Fand ich auf einer Klippe neben mir

Einen Adlerhorst. Schon griff ich nach dem Feuerrohr,

Doch konnt' ich nimmer mich entschließen,

Denn, unter uns, ich bin den Adlern gut.

Jedoch der Aar, vom fernen Ruf erschreckt,

Erhob sich schnell und ließ zurück die Beute.

GABRIELE freudig.

Dem Himmel Dank!

JÄGER.

Da holt' ich mir die Taube

Und nah dabei fand ich den Weg ins Thal.

Nun sage, holdes Mädchen, wohnst du hier?

GABRIELE.

Bei meinem Oheim, denn jüngst starb mein Vater.

JÄGER zeigt umher.

Und diese Wohnung?

GABRIELE.

Ist ein wüstes Schloß, noch aus der Zeit

Als hier die Mauren herrschten.


Mit schüchterner Heimlichkeit.


Man sagt sogar, es seien Abencerragen

Darin verbrannt – ob einer Königin –

Ich weiß nicht recht.

JÄGER.

Ja ja, es mag so sein.

GABRIELE.

Dann haben oft sich Räuber hergeflüchtet.


Sie zeigt auf die Hütte rechts vorn.


Nun aber ist's von Hirten zugerichtet,

Zum Schutz vor Sturm.


Zart.


Doch nun gebt mir Bericht.

JÄGER.

Sprich, liebes Kind, was wünschest du zu wissen?

GABRIELE verschämt.

Man weiß doch gern auch, wer der andre ist?

JÄGER.

Vom Herzen gern, da ist nicht viel zu sagen.

Nr. 5. Romanze.


JÄGER.

Ein Schütz bin ich, in des Regenten Sold,

In Deutschlands Gauen steht mein Ahnenschloß;

Ist nichts auch mein als Büchse, Schwert und Roß,

Sind doch die Mädchen stets den Jägern hold.

So blick' auch du den Fremdling freundlich an,

Er fand vom Adlerhorst zu dir die Bahn.[46]

Schmiegt sich die Taube kosend an dich an,

So denk' auch manchmal an den Jägersmann.

Bald führt mich fort ein feindliches Geschick,

Denn nimmer ruht des Lebens wilde Jagd;

Dann denk' ich wohl noch oft an dich zurück,

Wenn auch dein Herz nicht nach dem Jäger fragt.

Doch nimmer trügt mich wohl ein falscher Wahn,

Wandl' ich auch fern auf dornenvoller Bahn:

Schmiegt sich die Taube kosend an dich an,

So denkst du auch an deinen Jägersmann.

Nr. 6. Recitativ.


JÄGER.

Doch wünsch' ich nun, willst du es mir bereiten,

Ein wirtlich Mahl!

GABRIELE.

Es ist nur Obst und Brot, was ich Euch

Bringen kann, und frische Milch.

JÄGER.

ärbt diese Kost so rosig dir die Wangen,

So kann sich wohl der Weidmann dran begnügen.

Gabriele geht ab nach rechts in die Hütte.


Quelle:
Conradin Kreutzer: Das Nachtlager von Granada. Leipzig [o. J.], S. 44-47.
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