Dritter Auftritt


[193] Donna Juanna, eine uralte Dame in der steifsten ältesten spanischen Tracht, wird von zwei Dienern auf einem Tragstuhle sitzend heraus getragen; Perez, der vorige Hausmeister, abenteuerlich gekleidet und bewaffnet, geht neben dem Tragstuhle, und hält einen großen Sonnenschirm über Juanna. Am Fenster erscheinen Melanie und Isidora, mit Schnupftüchern vor den Augen.


JUANNA zu Valerio. Kann Er sich nicht beugen? sind die Maultiere am Ende der Esplanate? hat Er einpacken lassen? ist der Tragsessel gewaschen? sind die Polster geschüttelt?

VALERIO tief beugend. Alles zu Euren Diensten von Eurem untertänigsten Diener. Ich stehe nur hier, um Eurer Herrlichkeit traurigstem Abscheiden mein unwürdiges Beileid zu bezeugen und dann die Tore zu schließen in diesem Hause der Trauer und Dunkelheit. Er beugt sich tief, stößt Perez, daß ihm das Parasol etwas über Juannas Augen niederfällt.

PEREZ. Nun, Tölpel –

VALERIO. Ihr seid wankelfüßig, der Regenschirm bezeugte nur seinen Beifall.

JUANNA. Es ward mir soeben wieder ganz dunkel vor den Augen aus Traurigkeit. Perez, sind meine Niècen, wie schicklich, am Fenster, ihr Beileid zu bezeugen? Gebt mir[193] meine Trauerbrille und, Träger, wendet mich nach dem Schlosse!

PEREZ zu Valerio. Nun nehmt mir den Sonnenschirm ab, Tölpel. Er stolpert.

VALERIO. Dankt Gott, daß Ihr über Euren eigenen Tölpel stolpertet, sonst wollte ich Euch die schiefen Beine gerade brechen. Seid Ihr schon so frühe besoffen?

JUANNA. Besoffen, wer? Welche Ausdrücke!

PEREZ zu Valerio. Still, Freund, ich lasse dir den Kellerschlüssel! – Eure Herrlichkeit, er sagte nur, daß er den Maultieren habe zu saufen gegeben. Setzt ihr eine ziemliche Brille auf. Hier ist dero Herrlichkeit Brille – die tugendhaften Fräulein weinen schon lange.

JUANNA hinaufsehend. Mein Gott, Isidora, wie halten Sie sich wieder in der Gegenwart meiner Abwesenheit? Sie werden buckelig werden, ehe ich wiederkomme; und Melanie, wie fassen Sie das Schnupftuch – mit beiden Händen – ist das eine Traurigkeit von Stand, eine Kondolenz? Sie würden eine schlechte Rolle bei der Abreise einer Königin-Mutter spielen. So, das ist schicklicher – alles mit Sitte und Anstand. Haben Sie nicht vergessen, wie Sie die Stunden bis zur Ankunft der Schwester meines schätzbaren Vetters, ihres verehrungswürdigen Vaters, zubringen sollen?

ISIDORA UND MELANIE verneigen sich. Nein, Ihre Herrlichkeit.

JUANNA. Nein? Schon so unhöflich, seit ich vor der Türe bin?

BEIDE verneigen sich. Sie verzeihen; nein, Ihre Herrlichkeit!

JUANNA. So leben Sie wohl, und mäßigen Sie Ihre Trauer; gegen Abend können Sie sich derselben wieder etwas überlassen. Auch erinnere ich Sie nochmals, hochspanisch zu sprechen, denn respektable Gefühle sollen in respektablen Worten ausgedrückt werden, so will es die Moral. Sie wird leise links durch die Kulissen weggetragen.

MELANIE UND ISIDORA verneigend und ein wenig die Hände ringend. O! Sie Vortrefflichste verlassen uns – Ziehen sich zurück.[194]


Quelle:
Clemens Brentano: Werke. Band 4, München [1963–1968], S. 193-195.
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