[Wie du sollst in Schönheit wallen] [1]

[318] Wie du sollst in Schönheit wallen

Und dem Herrn doch wohlgefallen?

Frag die Wiesenblümelein

Die nicht ihrer Schönheit denken

Sich der Sonne heben – senken

Einsam duften und allein,

Wo sie sproßten in dem Garten

Ruhig auch den Tod erwarten,

Ihrer Schönheit ew'gen Samen,

Gottes Lüften gern vertrauen

Freudig sterben und nicht schauen,

Wo der Herr sie aus will säen in seinem Namen.

Nichts vergehet nichts entstehet,

Alles ist unendlich da

Denn der Herr ist O und A!

Doch die armen Augen taugen

Nur den ird'schen Tod zu sehn,

Dichter, du sollst eingestehn,

Daß die Rose, die verblichen

Du der Sterblichkeit verglichen

Eh' sie war, und da sie glühte

Und nachdem sie längst verblühte,

Daß die Rose eh und je,

Die ich hier erblassen seh',

Ewiglich in Gott florieret,

Und wer dieses recht verstehet,

Triumphieret

Nichts vergehet, nichts entstehet

Alles ist unendlich da,

Denn der Herr ist O und A.


Quelle:
Clemens Brentano: Werke. Band 1, München [1963–1968], S. 318-319.
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