Der Sommer
Ps. LXV, 13. 14.

[131] Die Hügel umher sind lustig. Die Anger sind voll Schafe, und die Auen stehen dick mit Korn, daß man jauchzet und singet.


Der flammende Monarch der Zeiten

Bestrahlte, sonder Duft und Wolcken, Luft und Land;

Sein Lebens-reicher Wunder-Brand

Ergoß sich, wie ein Meer von Glantz und Heiterkeiten;

Und kurtz, es war ein angenehmer Tag,

Als Thyrsis, wie er öfters pflag,

Im kühlen Schatten einer Linden,

Auf weichem Gras' halb saß, halb lag,

Und bald den Himmel, bald die Welt,

Bald der Natur vollkomm'ne Pracht,

Zum Vorwurf seiner Lieder macht'.

Indem ward er ein reifes Feld,

Worauf der Bauern muntre Schaar

Mit Mähen theils, und theils mit Binden

Beschäfftigt war, gewahr.


Die Schnitter erndteten, die Scheunen anzufüllen,

Der Aecker gelben Schmuck, mit sauren Freuden, ein;

Man sah so manchen Bach, von lauem Schweisse, quillen;

Die Sensen blitzeten, es rauschte jeder Hieb,

Wenn die beschwitzte Faust ihn durch die Halmen trieb.

Hier band, dort lud man auf; kaum konnten grosse Wagen

Das raschelnde Gewicht gebund'ner Garben tragen.[132]

Die Achse seuftzt und knarrt; der Fuhr-Mann klatscht, und schwingt

Die schlancke Geissel um; indem er fröhlich singt,

Verdoppelt er die Kraft der weiß-beschäumten Pferde.

Sie ziehn; der Boden beb't: es zittert selbst die Erde,

Gedrückt von eigner Frucht. Ein ämsiges Gewühl,

Das denen selbst, die es mit Müh' erreg't, gefiel,

Gefiel auch ihm; er fühlt', in der gereitzten Brust,

Ein' Andachts-Gluht, ein Freuden-Feuer, glimmen,

Und fieng gleich an, vor GOTT-geweihter Lust,

Dieß Sommer-Lied dem Schöpfer anzustimmen:


Aria.


Erhebe dich, o mein Gemüthe,

Zeig' äusserlich der innern Andacht Sucht!

Bereite dich zum Danck, der GOTT gebührt,

Der itzt die Welt mit Speis' und Freude ziert: Nunmehr gebiert

Des lauen Frühlings Silber-Blühte,

Im warmen Sommer, güld'ne Frucht.

Da Capo.


Schau an, o Mensch, mit Ehrfurcht-voller Freude,

Das dich ernährende Getraide!

Sein wunderbar Gewächs, auch eh' es reift,

Blatt, Wurtzel, Halm, woran die Knoten sitzen,

Wodurch sein schlancker Fuß gesteift,

Der, ohne diesen Gegenhalt,

Beym Sturm und Regen alsobald,[133]

Ja gar allein, durch eig'ne Bürde,

Zerbrechen und zerknicken würde,

Und dessen Schwäche doch so nöthig ist,

Weil sonst das Korn ein gier'ger Vogel frisst,

Als welcher sich hieran

So leicht nicht halten kann.

Das Körnchen selbst, die Aeren, ihre Spitzen,

(Womit, daß es der Vögel Heer

Im Fluge nicht versehr',

Sie ihre süsse Frucht beschützen)

Sind von des Schöpfers weisen Macht

So viele Zeugen.

Drum muß ein Mensch, der dieß betracht't,

Von Seinem Ruhm nicht schweigen.


Aria.


Da jeder Halm

Auf GOTT, Der dich so reichlich speis't,

Mit aufgerecktem Finger weis't;

So laß, zu deines Schöpfers Ehren,

Mein Hertze, manchen Freuden-Psalm,

In froher Ehrfurcht, von dir hören!


Hier wallt zu unserm Nutz, zu Gottes Ehr',

Von reifem Korn ein gelbes Aeren-Meer,

Das, wenn der laue West auf seiner Fläche schwebet,

Bald, Wellen gleich, sich sencket, bald sich hebet.

Nicht glaublich ist, wie sich das Aug' erfrischt,

Wenn sich das Gelb und Weiß der Halm- und Aeren mischt.

So wie sich Weiß und Gelb auf blondem Haar vereint,

Wodurch ihr sanfter Glantz, wie Gold und Silber, scheint;[134]

So spielt, durch Weiß und Gelb, das wallende Getraide,

Und lässt in regem Licht bald Gold, bald Silber sehn.

Ein weißlich Grau bedeckt das dürre Land,

Ein helles Weiß den gelben Sand.

Es mehrt der Kräuter Grün, die zwischen ihnen stehn,

Samt mancher blauen Bluhm', oft uns'rer Augen Freude.


Indem ich dieses schöne Blau

Der Korn-Bluhm' im Getraide schau,

Das, wie der Himmel, wenn er schön

Und ausgeheitert, anzusehn;

So deucht mich, daß der Farben Zier

So Aug' als Geist gen Himmel führ'.

Vielleicht hat Gott dem Blühmchen hier,

In diesem holden Aeren-Meer,

Des Himmels Farbe wollen schencken,

Damit wir Menschen möchten dencken:

Vom Himmel kommt der Segen her.


Hier sieht man bunten Buch- bey rechtem Weitzen blühn;

Des Habers- Seladon- der Wiesen saftig Grün,

Der Büsche dunckles Laub, vergnüg't, mit holder Pracht,

Durchs Auge, Blut und Geist. So Geist, als Blut wird rege,

Und spürt, in sanfter Lust, des Schöpfers Liebe, Macht,

Und weiser Majestät verborg'ne Wunder-Wege.

Mich deucht, ich hör',

Um zu des Schöpfers Ruhm mich anzufrischen,

Der Aeren lispelndes Geräusch:

Schau, Mensch, hier wächst dein Fleisch!

Mir gleichsam in die Ohren zischen.


[135] Aria.


Willst du, Mensch, des Himmels Segen,

In des Samens Eigenschaft,

In der fetten Erden Saft,

In der güld'nen Sonne Kraft,

Nicht erwegen?

Dancke GOTT, Der dir die Speise,

Auf so wunderbare Weise,

In so reicher Maaße, reicht!

Laß es dich zur Andacht reitzen,

Wenn, aus klein-zerstampftem Weitzen,

Dein Geblüt sein Wesen zeucht.


Itzt gleicht die schwüle Luft durchsichtigem Krystall;

In Glantz und Wärme schwimmt der Erd-Kreis überall.

Der Sonne himmlisch Licht befleusst die schöne Welt;

Dort glimmt in grünem Feur das dick-begras'te Feld,

Das Vieh in rother Gluth. Ein schimmernd Silber schmückt,

Zusamt dem schwancken Schilf, der Weiden glatte Blätter,

Indem die Sonn' ihr Bild, bey aufgeklär'tem Wetter,

In ihr so festes Laub, als wie in Spiegel, drückt.

Vermuthlich, daß, gerührt durch so viel heitre Lichter,

Die unempfindlichen Gesichter

Doch möchten auf ihr Urbild sehen.


Es sehen die entfernten Höhen,

Von dicken Büschen rauch und kraus,

Wie Purpur, am Gesichts-Kreis' aus,

Und kann man gar, im hohlen Zwischen-Stande,

Die durch der Sonne Gluht erhitzte Luft,

Wie einen zarten Duft,[136]

Auf dem so hell-bestrahl'ten Lande,

In warmer Klarheit ruhen sehen.

Es glüht und kocht die Luft, es blincket Holtz und Stein,

Das rege Wasser gläntzt im hellen Wiederschein.


Aria.


Wenn die Sonne Wald und Feld

In die warmen Arme schräncket:

Sieht man recht, wie in die Welt

Sich, durch sie, der Himmel sencket.

Wird denn durch des Himmels Kertze,

Welche Fluth und Erde ziert,

Bloß dein unempfindlichs Hertze,

Eitler Mensch, nicht auch gerührt?


Man konnte hie und da, auf den sonst eb'nen Flächen,

Viel schnell erhabene, den Wellen gleiche Höh'n,

In reichen Garben-Hügeln sehn,

Die, wenn sie güld'ne Sonnen-Strahlen

Früh Ost- und Abends West-wärts malen,

Viel dunckle Linien, auf hellem Grunde,

Früh West- und Abends Ost-wärts ziehn.

Daher das helle Feld, durch zierlich-dunckle Striche,

Dem schönsten Perspective gliche.


Mit seiner Stoppeln Gold prangt noch das leere Feld,

Vom nah-geleg'nen Busch umgeben und bekräntzet,

Durch dessen helles Grün, das, wie Smaragden, gläntzet,

Wann es von weitem sich vereint,

Sein Gold, wie durch dieß Gelb sein Grün, weit schöner scheint.


[137] Aria.


Die gelbliche Fläche gemäheter Felder,

Die grünenden Wipfel der schattigten Wälder,

Vermischen so lieblich die gläntzende Pracht,

Daß, voller Vergnügen, ich öfters gedacht:

Es sey, vom allmächtigen Schöpfer der Erden,

Auf Erden, kein herrlicher Schau-Platz gemacht.


Es kann, mit einer neuen Freude,

Ein aufmercksames Auge sehn,

Von selbst gewachs'nes Gras und Kraut

Noch, zwischen kurtzen Stoppeln stehn,

So nicht gesäet, nicht gebaut,

Worin das Vieh von neuem seine Weide,

Auch nach der Erndt', ohn' uns're Mühe findet,

Das uns zu Gottes Ruhm, ja wohl mit Recht, verbindet.


Aria.


Da die Aecker, für das Vieh,

Gras und Kraut, ohn' uns're Müh,

Zwischen Korn, von selbsten bringen;

Sollte denn, mit höchstem Recht',

Auch das menschliche Geschlecht

Den nicht, der es wirckt, besingen?

Auf, ihr Sterblichen, bedenckt,

Daß es Gott ist, der es schenckt!


Den gantzen Erden-Kreis beseel't und wärmt die Sonne.

Vor Freuden lacht das Feld, es wallt das Gras vor Wonne.[138]

Man sieht oft, wie das Laub, ob's keinen Wind gleich spürt,

Von innerlicher Lust gekitzelt, selbst sich rührt.

Das, durch so heitern Lebens-Brand,

Bestrahl'te Land

Dampft aus, vor heisser Liebes-Brunst,

Ein fruchtbar Oel in einem zarten Dunst,

Wodurch viel kleine bunte Fliegen,

Und gauckelndes Gewürm, ihr Leben kriegen,

Die, in dem warmen Sonnen-Schein,

Geflügelte Trompeter seyn.


Die Grund- und Grentzen-lose Tiefe

Des Firmaments, der Ewigkeit ihr Bild,

Ist so mit Glantz und Licht erfüllt,

Daß auch die allerschärfsten Augen

Ihr blendend Blau kaum anzusehen taugen.


Aria.


Seh' ich der Luft unendlichen Sapphir

Mit unsrer Welt Smaragdner Zier,

Durchs Gold der Sonne, sich verbinden;

Fühl' ich in meiner frohen Brust,

All' andre Lust

So gleich verschwinden.

Der Erden Grün erreg't in mir der Hoffnung Grün,

Und dieß ein güldenes Vertrauen,

Das Blaue der gestirnten Auen,

Worin Gott sichtbar wohnt, dereinst zu schauen.
[139]

Nachdem ließ er, zu Gottes Ehren,

Noch zum Beschluß dieß Danck-Lied jauchzend hören:


Affettuoso.


Du ewiger Gnaden allmächtiger Wille!

Unendlicher Ueberfluß ewiger Fülle!

Quell, Licht und Leben der Natur!

Wir singen mit entzücktem Muthe:

Du krön'st das Jahr mit Deinem Gute:

Von Fett trieft Deiner Füsse Spur.

Du füllest die Felder

Mit Weitzen und Klee;

Du schmückest die Wälder;

Du seg'nest die See.

Es schwängert die Lüfte, befruchtet das Land

Der strahlenden Sonne belebender Brand.

Es gläntzet der Anger, es funckeln die Wiesen.

Sey, ewiger Schöpfer, denn ewig gepriesen!

Quelle:
Barthold Heinrich Brockes: Auszug der vornehmsten Gedichte aus dem Irdischen Vergnügen in Gott. Stuttgart 1965, S. 131-140.
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