Schlichter als Schriftsteller.

[134] Die ganze Stadt betrauerte den Unfall der Prinzessin Eleonora, die ihrer Herzensgüte wegen allgemein beliebt war. Die Hofzeitung beruhigte das Publikum durch ein offizielles Bulletin des Leibarztes, worin die Meerrettigwurzel als Veranlassung angeklagt wurde.

Niemand glaubte sich bei dieser Angelegenheit betheiligter, als Schlichter, den die innere Unruhe der Neugierde nun täglich morgens öfter als viermal in den Wallfischbauch trieb, um vom Wirthe selbst, oder von den zufällig anwesenden Gästen etwas Näheres zu erfahren, mit einem Worte, um hinter das Geheimniß zu kommen, welches sein geübtes Intriguen-Näschen in dieser Sache schon bei der ersten Nachricht gewittert hatte.

Unter den Anwesenden befand sich auch ein gewisser Herr Schab, ein wackerer Bürger der Hauptstadt, übrigens ein gebildeter, jovialer Mann von einnehmenden Zügen, dem plötzlich ein lustiger Streich in den Sinn kam.

Schlichter wendete sich auch an ihn, da sie im Wallfischbauche fast täglich Morgens um eilf Uhr bei einem Glase Wein, mitunter auch bei mehreren, zugleich sich einfanden. Schab äußerte, wenn er ein Schriftsteller wäre, wie Schlichter, und sogar den Pegasus bestiege, wie dieser, so würde er diese Gelegenheit benützen, um eine [135] Meerrettigwurzel auf Stein zeichnen, und darunter ein selbstgedichtetes Trauersonnett nebst einer geschichtlichen Darstellung des bedauernswürdigen Unfalles der Prinzessin setzen zu lassen; eine ausführliche Beschreibung des glänzenden Balles und prächtigen Feuerwerkes auf Rosa's Landhause würde ihm als Einleitung einen herrlichen Stoff geben, sein Talent als Schriftsteller und Dichter im schönsten Lichte leuchten zu lassen; Schlichter sollte sodann einige Exemplare auf weißem Atlas für die höchsten Herrschaften abdrucken lassen, und mit eigenen Zuschriften an dieselben senden. Gerne erbiete er sich, das für die Prinzessin bestimmte Exemplar durch Rosa's Kammerdiener, der bei ihm einkaufe, sicher bestellen zu lassen.

Obgleich Schlichter nicht gewohnt war, eine fremde Ansicht für besser zu halten, als seine eigene, so mußte er doch diesem guten Rathe des Herrn Schab volle Gerechtigkeit wiederfahren lassen, daher er denn auch, in der Freude seines Herzens, sogleich, nach dem technischen Ausdrucke der Weintrinker, knallen ließ.

Mit diesem Worte wird nämlich der süße Ton des Pfropfes einer Champagnerflasche bezeichnet, welcher entsteht, wenn der Pfropf im Kampfe der eindringenden Luft mit dem nach Außen strebenden Geiste des köstlichen Rebensaftes in die Luft gesprengt wird. Während der Champagner in den langhälsigen Gläsern schäumte und perlte, wurde der Plan näher besprochen; und plötzlich verschwand Herr[136] Schlichter, von der ihm angebornen innern Unruhe getrieben, die eine kaum gedachte Sache auch schon ausgeführt zu sehen wünschte.

Quelle:
Friedrich Wilhelm Bruckbräu: Mittheilungen aus den geheimen Memoiren einer deutschen Sängerin. Zwei Theile, Band 2, Stuttgart 1829, S. 134-137.
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