Scena secvnda.

[73] Reditus filiorum ad patrem.


IACOB.

Mein lieber Gott / wie ghet es zu /

Mir ghet vor augen mehr vnrhu /

Die Söne mein zu lang sein aus /

Sollen langst komen sein zu haus.

Was Creutz / vnd jamer kümpt auff mich /

Nach deiner güt erbarme dich /

Welche vber die mas ist gros /

Las mich nicht werden gantz trostlos.

BENIAMIN.

Ich bitt mein Vater frölich sey /

Sie werden komen bald herbey.

Den Ruben hab ich gsehen schon /

Die andern sein nicht weit daruon /

Verhoff es werd all ding wol sthen /

Werden jtzt bald zum haus einghen.

IACOB.

Belohn dir Gott / die guten Mehr /

Sich endert schon / mein gantz gebehr /

Vnser Gott sey gebenedeit /

Sein gnad erstreckt sich fern vnd weit.


Nu tretten die neun Söne für Iacob.


IACOB.

Wie hoch erfrewt mich diese stund /

Das ich euch siech noch frisch vnd gsund /

Seid jr allhie? ghet keiner ab?

RUBEN.

Mein Vater gute hoffnung hab /

Es steht Gott lob ziemlicher mas /[74]

Ein ding dich nicht bekümmern las /

Simeon ist noch nicht verhand /

Wird bhalten in Egypten land /

Was vrsach ist / wil ich dir sagn /

Wie du magst auch die andern fragn.

Der Herr so vbers Land regiert /

Bey dem dein Son behalten wird /

Hielt vns für vnredliche Leut /

Als weren wir komen der zeit /

Aus zu kundschafften dieses Land /

Schalt vns Auspeher alle sand /

Ich sagt / mein Herr / wir deine Knecht /

Sein her von gutem stam vnd gschlecht /

Zwölff Sön / eins Vaters / der ist alt /

Vnd hat mit vns ein solche gstalt /

Der jüngste ist daheim zu haus /

Vnd wartet vnserm Vatern aus /

Der nechst vor jm / nicht mehr bey lebn /

Gründlich wir dir berichte gebn /

Vnd bitten gar demütiglich /

Wöllest vnser erbarmen dich /

Mit Treid versehen / vmb bar Gelt /

Bey missratung der Frücht im Feld.

Er sagt / ich las euch nicht von dann /

Sunderlich bhalt ich einen Man

Zum pfand / bis jr kumpt wider mehr /

Vnd bringt den jüngsten Brudern her /

Lies Simeon darauff verwarn /

Vns aber das Treid widerfarn /

Dazu auch zerung auff die rheis /

Nu wil vns erst eins machen heis /

Das wir dein Gelt haben ausgebn /

Vnd meniglich gedanckt darnebn /

Jtzt aber / da wir schütten aus /

Das kaufft Getreid / vor in dem haus /

Da fand ein jeder oben drauff /

Sein bares Gelt ob einem hauff /

Wie solches wir hie fürten weck /

Wers aber bracht hab in die Seck /[75]

Ist vns warhafftig vnbewist /

Haben hierin gebraucht kein list.

IACOB.

Wie macht jr mir viel grawe har /

Beraubt mich meiner Kinder gar /

Ioseph ist hin / auch Simeon /

Wolt diesen auch füren daruon /

Vnd mir abermals leid zufügn?

Last euch an vorigem benügn /

Seid ingedenck meiner trawrign zeit /

Vnd braubt mich nicht gantz aller freud.

RUBEN.

Vater gib den in meine hand /

Bring ich jn nicht wider zu Land /

So töde meine beide Sön /

Wil mit meim Leib gut sein für jn.

IACOB.

Gwis las ich den nicht ziehen hin /

Sol jm ein vnglück komen zu /

Hett ich auff erd fürbas kein rhu.

IUDA.

Ah du mein Vater dencke doch /

Das wir Treid müssen keuffen noch /

Vnd dürffen doch gedachtem Herrn /

Vnter die augen nicht begern /

Wir bringen denn den Brudern mit /

Darauff ich dich zum höchsten bitt /

Las diesen mit vns ziehen hin /

Mit meinem Leib ich Bürge bin /

Wissen sonst nichts zu richten aus /

Auch Simeon kümpt nicht zu haus /

On dieses mittel / drumb gib rat /

Dich wird nicht rewen dieser that.[76]

IACOB.

Was hettet jr dem Man zu sagn /

Das ich in meinen alten tagn /

Noch hett ein Son / wie mögt jrs thain?

So er doch ist mein freud allein?

RUBEN.

O Vater ich kan nicht gnug sagn /

Wie er thet so gar vleissig fragn /

Vmb all vmbstend / als er vor wist

Dorfften fürwar brauchen kein list.

IUDA.

Vater gib dich zu fried vnd rhu /

Den Knaben mir vertrawen thu /

Wil jn stellen in deine hend /

Oder schuld tragen bis ans end /

So wollen wir vns machen auff /

Die tewre zeit hat jren lauff /

Das wir nicht leiden hungers not /

Mit vns wird sein der liebe Gott.

IACOB.

Weil es denn nicht kan anders sein /

So mus ich willigen darein /

Vnd das befehlen Gott dem HERRN /

Wiewol ichs siech nit sunders gern /

Von besten früchten füret mit /

Balsam / Honig / nach vnserm sit /

Gewürtz / Myrrhen / Datel vnd Mandel /

Am Gelt sols auch nicht haben fel /

Nempt was jr dürfft / vnd noch darzu /

Sein vorigs Gelt ein jeder thu.

Wer weis / wie all ding gschaffen ist /

Vnd ziehet hin zu dieser frist /

Beniamin sol mit ziehen hin /

Ob ich gleichwol bekümmert bin /

Der ewig Gott geb euchs geleit /

Vnd vor dem Man barmhertzigkeit /[77]

Das er euch beyde Brüder geb /

Vnd ich noch desto lenger leb /

Wil hie dieweil im elend sein /

Der ich bin braubt der Kinder mein.

BENIAMIN.

Mein Vater / ein ding bitt ich hoch /

Las mich zuuor dich küssen noch /

Vnd dich nicht meinenthalben krenck /

An Gottes gnad ich starck gedenck /

Der wird mich gwislich wol bewarn /

Das mir nichts bös sol widerfarn.

IACOB hertzet jn.

Zeuch hin mein trost / meins hertzen freud /

Gott sey mit dir zu aller zeit.

RUBEN.

Beware dich der starcke Gott /

Der deinen Vetern halff aus not /

Wünschen wir all von hertzen grund /

Vnd ziehen hin jetzt zu der stund /

Frölich / getrost / in Gottes nam /

Wirst vns bald sehen all beysam.


Nach diesen Worten treten sie ab / bis Ioseph seine Wort schier volendet hat.


Quelle:
Thomas Brunner: Jacob und seine zwölf Söhne. Halle a.d.S. 1928, S. 73-78.
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