Scena qvarta.

[81] Secunda & tertia uexatio, qua exagitat fratres, Ioseph.


IOSEPH.

Nvn spür ich / das jr redlich seid /

Vor hielt ich euch für böse Leut.


Hieneben sollen Iosephi Diener herumb stehen.


RUBEN felt jm mit sampt den andern zu fus / vnd spricht.

Mein Herr / hie sein ja deine Knecht /

Bringen mit etlich Gaben schlecht /

Wie sie wachsen aus vnser erd /

Iacob dein Knecht hat dirs verehrt /

Mit gnaden wöllests nemen an /

Vmb dis allein ich zbitten han.

IOSEPH.

Steht auff / vnd sagt mir zu der stund /

Ist ewer Vater frisch vnd gsund?

Den jr habt Iacob nennen thain?

Ist auch der ewer Bruder klain?

RUBEN.

Dein Knecht Iacob ja lebet noch /

Vnd diesen Knaben liebet hoch /[81]

Sonst ist fast all sein freud dahin /

Ins ewig Leben steht sein sinn.

IOSEPH zu Beniamin.

Mein Son / das dir Gott gnedig sey /

Dein Vatern lieb / vnd lang erfrew /

So wirstu gfallen Gott dem Herrn /

Der wird dir auch viel glück beschern.


Zu den Dienern.


Setzet jr meine Gest zu Tisch /

Wil mit jn sein frölich vnd frisch /

Last sitzen die nach jrer weis /

Bringt jn auch dar besondere speis /

Wies vns hat bschert der liebe Gott /

Legt jedem für die notdurfft Brot.

OECONOMUS.

So setzet euch in Gottes nam /

An diesen Tisch / mögt wol zusam /

Esset vnd drinckt / habt guten mut /

Meim Herren jr ein gfallen thut.

IOSEPH.

Schencket jn auch die notdurfft ein /

Wie ich trinck / von dem besten Wein /

Der jüngst ein vorteil haben sol /

Mit speis vnd dranck verseht jn wol.


Dieses sol alles verborgen vnter einem Fürhang gehalten werden / vnd entzwischen zu erlengerung der Malzeit / ein sonderlicher Chorus / nach

welches volendung Ioseph spricht.
[82]

Nun heb man auff hie Wein vnd Brot /

Ein jeder danck dem lieben Gott /

Der bschaffen hat Himel vnd Erd /

Für alls / so er vns hat beschert.


Zu dem Kemmer / so die Trinckgeschir auffhebt.


Kemerlin sey heut wol bedacht /

Hab auff den jüngsten Bruder acht /

In seinen Sack leg jm mit vleis /

Mein Mundbecher heimlicher weis /

Was denn weiter geschehen sol /

Wirstu auch von mir hören wol.


Zu seinen Brüdern.


Mit der Malzeit nemet für gut /

Vnd wenn jr nu heimkomen thut /

So grüsset ewren Vatern werd /

Seinthalben hab ich euch geehrt /

Alles Getreid verordnet ist /

Suchet das wie zu erster frist /

Vnd macht euch auff / wenn es euch liebt /

Heim ziehen solt jr vnbetrübt.

RUBEN.

Mein Herr wie bistu so geneigt /

Dein gunst sehr gros sich vns erzeigt /

Der ewig Gott belohn es dir /

Vmb dein heil wöllen bitten wir.

BENIAMIN.

Gott sey gnedig meim Herren hie /

Den ich zuuor hab gsehen nie /

Sein ehr vñ gwalt werd teglich gmehrt /

Zu meim Vatern mein hertz begert.

IOSEPH.

Zeuch hin mein Son / der Herr dich segn /

Vmb deines lieben Vaters wegn /[83]

Ehr diesen / vnd jm volge schon /

So wird dir Gott geben den lohn.


Nach diesem sollen sie für die Thür abtretten / vnd jeder seinen Sack verordnet haben.

Accusatio furti propter amissum poculum.


IOSEPH zu seinem Kemmerer.

Kemerlin nim der Gest recht war /

Wirst hören noch in diesem Jar /

Wunderlich ding / jetzt ichs nicht sag /

Vnd ist allein an dich mein frag /

Hast than was ich beuelchen thet.

CUBICULARIUS.

Die sach gnad Herr nicht anders steht /

Den Becher hat der jüngst im Sack.

IOSEPH.

Eilend dich hin nach jnen pack /

Vnd red sie an / wie du bist glert /

Müssen noch eins werden bewert.

CUBICULARIUS eilet den nach / vnd spricht.

Verziecht jr Menner / last euch sagn /

Hört warumb ich euch thu nachjagn /

Ein böse Ziecht euch volget nach /

Meim herren das vor nie geschach /

Das er hett so vndanckbar Gest /

Hat euch gehalten auff das best /

So fürt jr auch dauon den raub /

Werd euch nicht packen aus dem staub /

Meins Herren Becher habt jr gstoln /

Das sag ich euch frey vnuerholn.[84]

RUBEN.

Ich bitt / zeih vns nicht dieser that /

Keiner aus vns den gstolen hat /

Besuch vns all / on allen scheich /

Dem schüldigen mit nicht verzeich /

Getödtet sol er billig werdn /

Vnd wir die andern Knecht deins Herrn.

CUBICULARIUS.

Dem sey also / wo ich den find /

Denselben ich gefangen bind /

Ewiger Dienstknecht der sein mus /

Den andern leg ich auff kein bus /

Vnd wil am eltern fahen an.

RUBEN.

Mein Gott weis das ichs nicht hab than.

CUBICULARIUS.

Du bist gerecht. Löst auff die Seck.


Zu Simeon / Leui vnd Iuda.


Jr drey mügt auch wol ziehen weck /

Hab sorg / ich kum schier auff den Schalck /


Zu Dan / Napthali vnd Gad.


Ziecht hin / jr frist auch ewren Balck /

Vnter den Dreien gwis jchn findt /

Der vierd ist nicht so viel besindt /

Das er ein solches vbel stifft.


Zu Aser / Isaschar vnd Zebulon.


Das los auch euch fürwar nit trifft /

Vnd steht noch hie der jüngst allain /


Zu Beniamin.


Wol her / den Sack must auch auffthain.

BENIAMIN.

Willig vnd gern / fürcht mir vmb nicht.[85]

CUBICULARIUS.

Ey / ey / du Lecker bist entwicht /

Wer hett dir solches trawet zu.

BENIAMIN hebt die hende gegen dem Himel / vnd spricht.

Herr Gott dich mein erbarmen thu /

Du weist / das ich vnschüldig bin /

Vnd solches nie gehabt im sin.

CUBICULARIUS.

Die that dich vberweisen thut /

Machst also deine sach nicht gut /

Leibeigen bist / da hilfft nichts für /

Ziecht jr hinaim / den bhalt ich mir.

IUDA.

Ah / ah / das wöll Gott nimermehr /

Von hertzn bin ich bekümmert sehr /

Ehe ich jn thue also auffgebn /

Ehe mus es kosten auch mein lebn.


Vnter diesen worten sollen sie dem Kemmerer jmerdar nachfolgen.


RUBEN.

Wir wöllen all beynander sein /

Zu gleich fürs Herren Gnad hinein /

Wo einer bleibt / bleiben wir all /

Es sey zu glück oder vnfall.

ISASCHAR.

O weh dieser betrübten zeit /

Wie bald folget gros leid nach freud /

Billich solln wir auff dieser fart /

Vns selbs ausreissen har vnd bart.[86]

CUBICULARIUS.

Nu tret hinein / ist anderst nit /

Zu fussen falt / vnd trewlich bitt /

Ob er euch thet beweisen gnad.


Zu Ioseph.


Dieser ist schüldig an der that.


Hie fallen sie Ioseph zu füssen.


IOSEPH.

Was zeihstu dich o junges Blut /

Hab dir gewündchet alles gut /

Geehrt für alle Brüder dein /

Nun / must im Diensthaus ewig sein /

Dein Vatern nicht mehr sehen an /

Euch aber wil ich ziehen lan /

Fart hin / seid ledig dieser zeit.

IUDA.

Wir wöllen auch sein gfangne Leit /

Keiner kümpt in seins Vaters haus /

Weil je der jüngst soll bleiben aus /

Aber o Herr lass durch dein güt /

Mich reden aus hertzlichem gmüth /

Welchs ich doch fur seufftzen vnd klag /

Nach notdurfft nicht verbringen mag /

Du weist den anfang aller sach /

Hast ghört von vnserm Vater schwach /

Das der alhie in dieser zeit /

An diesem Son hab all sein freud /

Vnd jn nicht het geschicket her /

Wenn ich nicht het beten so sehr /

Vñ bringt mir gleich den grösten schmertz /

Das ich sein alt betrübtes hertz /

Sol bringen in die küle Erd /

Weil er mich hat meinr bit gewert /

Den Knaben vertrawt in mein hand /

Der sonst nicht wer in diesem Land /[87]

Denn so ich recht bekennen sol /

So kan ichs nicht aussprechen wol /

Wie gar erbermlich er sich klagt /

Wie trawrig er von Ioseph sagt /

Der eben war von diesem stam /

Von dem der jüngste Knab her kam /

Nemlich von Rachel / die sonst war

Vnfruchtbar gwesen gantz vnd gar /

Was sol er denn für freud nun han /

So ich Beniamin hie mus lan /

Der fluch bleibt mir mein lebelang /

Weil ich den alten dahin trang /

Mit meim gebed / das ers zugab /

Drumb las jn mit ziehen hinab /

Selbs wil ich sein dein trewer Knecht /

Wil thun was billich ist vnd recht /

Nur gib diesen gefangen aus /

Hie bleib ich / lass die heim zu Haus.


Quelle:
Thomas Brunner: Jacob und seine zwölf Söhne. Halle a.d.S. 1928, S. 81-88.
Lizenz:
Kategorien:

Buchempfehlung

Stifter, Adalbert

Der Condor / Das Haidedorf

Der Condor / Das Haidedorf

Die ersten beiden literarischen Veröffentlichungen Stifters sind noch voll romantischen Nachklanges. Im »Condor« will die Wienerin Cornelia zwei englischen Wissenschaftlern beweisen wozu Frauen fähig sind, indem sie sie auf einer Fahrt mit dem Ballon »Condor« begleitet - bedauerlicherweise wird sie dabei ohnmächtig. Über das »Haidedorf« schreibt Stifter in einem Brief an seinen Bruder: »Es war meine Mutter und mein Vater, die mir bei der Dichtung dieses Werkes vorschwebten, und alle Liebe, welche nur so treuherzig auf dem Lande, und unter armen Menschen zu finden ist..., alle diese Liebe liegt in der kleinen Erzählung.«

48 Seiten, 3.80 Euro

Im Buch blättern
Ansehen bei Amazon

Buchempfehlung

Große Erzählungen der Frühromantik

Große Erzählungen der Frühromantik

1799 schreibt Novalis seinen Heinrich von Ofterdingen und schafft mit der blauen Blume, nach der der Jüngling sich sehnt, das Symbol einer der wirkungsmächtigsten Epochen unseres Kulturkreises. Ricarda Huch wird dazu viel später bemerken: »Die blaue Blume ist aber das, was jeder sucht, ohne es selbst zu wissen, nenne man es nun Gott, Ewigkeit oder Liebe.« Diese und fünf weitere große Erzählungen der Frühromantik hat Michael Holzinger für diese Leseausgabe ausgewählt.

396 Seiten, 19.80 Euro

Ansehen bei Amazon