[440] Gestern ging ich wieder mal
In die Schenke schnelle,
Wie der durst'ge Pilgersmann
Eilt aus der Kapelle.
Alldieweil der Durst so groß,
Trink ich etwas eil'ger
Und erglänze alsobald
Wie ein neuer Heilger.
[440]
Wie der Pater Gabriel
Werd ich allnachgrade;
Zwicke schon der Kellnerin
Listig in die Wade. –
Beim Getränke lieb ich mir
So ein Spiel ein kleines;
Ach, mein Geld ist hin wie einst
Kozmianen seines.
[441]
Da der Wirt auf Zahlung dringt,
Fang ich an zu tosen.
Drauf ergeht's mir wie dem Erz-
Bischof hint in Posen.
Meinen Rock verwahrt der Wirt
Und die Schelle zieht er:
»Heda, Hausel! Schiebe fort
Diesen Jesuiter!«
[442]
Als ich auf der Gasse lag,
Schlägt die Glocke zwölfe,
Und ich grolle tiefempört
Wie ein alter Welfe.
Gleich so fragt mich ein Gendarm,
Was ich hier bezweckte.
Keine Auskunft geben wir
Seminarpräfekte!
[443]
Darum sitz ich heut im Loch. –
Ach! und dieser Kater!
Fluchend geh ich auf und ab,
Wie ein heil'ger Vater.
[444]
Buchempfehlung
Das bahnbrechende Stück für das naturalistische Drama soll den Zuschauer »in ein Stück Leben wie durch ein Fenster« blicken lassen. Arno Holz, der »die Familie Selicke« 1889 gemeinsam mit seinem Freund Johannes Schlaf geschrieben hat, beschreibt konsequent naturalistisch, durchgehend im Dialekt der Nordberliner Arbeiterviertel, der Holz aus eigener Erfahrung sehr vertraut ist, einen Weihnachtsabend der 1890er Jahre im kleinbürgerlich-proletarischen Milieu.
58 Seiten, 4.80 Euro
Buchempfehlung
Romantik! Das ist auch – aber eben nicht nur – eine Epoche. Wenn wir heute etwas romantisch finden oder nennen, schwingt darin die Sehnsucht und die Leidenschaft der jungen Autoren, die seit dem Ausklang des 18. Jahrhundert ihre Gefühlswelt gegen die von der Aufklärung geforderte Vernunft verteidigt haben. So sind vor 200 Jahren wundervolle Erzählungen entstanden. Sie handeln von der Suche nach einer verlorengegangenen Welt des Wunderbaren, sind melancholisch oder mythisch oder märchenhaft, jedenfalls aber romantisch - damals wie heute. Nach den erfolgreichen beiden ersten Bänden hat Michael Holzinger sieben weitere Meistererzählungen der Romantik zu einen dritten Band zusammengefasst.
456 Seiten, 16.80 Euro