[301] Für Fipps wird es dringende Essenszeit. –
Mit fröhlicher Gelenkigkeit
Durch eine Seitengasse entflieht er
Und schleicht in den Laden von einem Konditer.
Da gibt es schmackhafte Kunstgebilde,
Nicht bloß härtliche, sondern auch milde;
Da winken Krapfen und Mohrenköpfe,
Künstlich geflochtene Brezen und Zöpfe;
Auch sieht man da für gemischtes Vergnügen
Mandeln, Rosinen und Etcetera liegen. –
»Horch!« ruft voll Sorge Konditer Köck,
»Was rappelt da zwischen meinem Gebäck?!«
[301] Die Sorge verwandelt sich in Entsetzen,
Denn da steht Fipps mit Krapfen und Brezen.
Die Brezen trägt er in einer Reih
Auf dem Schwanz, als ob es ein Stecken sei,
Und aufgespießt, gleich wie auf Zapfen,
An allen vier Daumen sitzen die Krapfen.
Zwar Köck bemüht sich, daß er ihn greife
Hinten bei seinem handlichen Schweife,[302]
Doch weil er soeben den Teig gemischt,
So glitscht er ab und der Dieb entwischt.
Nichts bleibt ihm übrig als lautes Gebröll,
Und grad kommt Mieke, die alte Mamsell.
Unter hellem Gequieke fällt diese Gute
Platt auf die Steine mit Topf und Tute.
Durch ihre Beine eilt Fipps im Sprunge.
[303] Ihn wirft ein schwärzlicher Schusterjunge
Mit dem Stulpenstiefel, der frisch geschmiert,
So daß er die schönen Krapfen verliert.
Auch wartet ein Bettelmann auf der Brücken
Mit einem Buckel und zween Krücken.
[304]
Derselbe verspürt ein großes Verlangen,
Die Brezeln vermittels der Krücke zu fangen;
Dies kommt ihm aber nicht recht zunütze,
Denn Fipps entzieht ihm die letzte Stütze. –
Da liegt er nun, wie ein Käfer, am Rücken. –
Fipps aber begibt sich über die Brücken
Und eilet gar sehr beängstigt und matt
Mit der letzten Brezel aus dieser Stadt. –
[305] Schon ist es dunkel und nicht geheuer.
Er schwingt sich über ein Gartengemäuer.
Hier hofft er auf angenehm nächtliche Ruh. –
Klapp! schnappt die eiserne Falle zu. –
Sofort tritt aus dem Wohngebäude
Ein Herr und äußert seine Freude.
[306] »Aha!« so ruft er, »du bist wohl der,
Der Hühner stiehlt? Na, denn komm her!!«
Hiermit schiebt er ihn vergnüglich
In einen Sack. Und unverzüglich
[307]
Ohne jede weitre Besichtigung
Beginnt er die schmerzhafte Züchtigung.
Drauf schließt er ihn für alle Fälle
In einen der leeren Hühnerställe,
Damit er am andern Morgen sodann
Diesen Bösewicht näher besichtigen kann.
[308]
|
Ausgewählte Ausgaben von
Fipps, der Affe
|
Buchempfehlung
E.T.A. Hoffmanns zweiter Erzählzyklus versucht 1817 durch den Hinweis auf den »Verfasser der Fantasiestücke in Callots Manier« an den großen Erfolg des ersten anzuknüpfen. Die Nachtstücke thematisieren vor allem die dunkle Seite der Seele, das Unheimliche und das Grauenvolle. Diese acht Erzählungen sind enthalten: Der Sandmann, Ignaz Denner, Die Jesuiterkirche in G., Das Sanctus, Das öde Haus, Das Majorat, Das Gelübde, Das steinerne Herz
244 Seiten, 8.80 Euro
Buchempfehlung
Im nach dem Wiener Kongress neugeordneten Europa entsteht seit 1815 große Literatur der Sehnsucht und der Melancholie. Die Schattenseiten der menschlichen Seele, Leidenschaft und die Hinwendung zum Religiösen sind die Themen der Spätromantik. Michael Holzinger hat elf große Erzählungen dieser Zeit zu diesem Leseband zusammengefasst.
430 Seiten, 19.80 Euro