Sechster Streich

[375] In der schönen Osterzeit,

Wenn die frommen Bäckersleut'

Viele süße Zuckersachen


Backen und zurechtemachen,

Wünschten Max und Moritz auch

Sich so etwas zum Gebrauch. –


Sechster Streich

Doch der Bäcker, mit Bedacht,

Hat das Backhaus zugemacht.
[375]

Sechster Streich

Also, will hier einer stehlen,

Muß er durch den Schlot sich quälen. –


Sechster Streich

Ratsch!! – Da kommen die zwei Knaben

Durch den Schornstein, schwarz wie Raben.
[376]

Sechster Streich

Puff!! – Sie fallen in die Kist',

Wo das Mehl darinnen ist.


Sechster Streich

Da! Nun sind sie alle beide

Rund herum so weiß wie Kreide.
[377]

Sechster Streich

Aber schon mit viel Vergnügen

Sehen sie die Brezeln liegen.


Sechster Streich

Knacks!! – Da bricht der Stuhl entzwei;
[378]

Sechster Streich

Schwapp!! – Da liegen sie im Brei.


Sechster Streich

Ganz von Kuchenteig umhüllt

Stehn sie da als Jammerbild. –
[379]

Sechster Streich

Gleich erscheint der Meister Bäcker

Und bemerkt die Zuckerlecker.


Sechster Streich

Eins, zwei, drei! – eh' man's gedacht,

Sind zwei Brote draus gemacht.
[380]

Sechster Streich

In dem Ofen glüht es noch –

Ruff!! – damit ins Ofenloch!


Sechster Streich

Ruff!! – man zieht sie aus der Glut –

Denn nun sind sie braun und gut. –
[381]

Sechster Streich

– Jeder denkt: »Die sind perdü!«

Aber nein! – noch leben sie! –


Sechster Streich

Knusper, knasper! – wie zwei Mäuse

Fressen sie durch das Gehäuse;
[382]

Sechster Streich

Und der Meister Bäcker schrie:

»Ach herrje! da laufen sie!!« –


Dieses war der sechste Streich,

Doch der letzte folgt sogleich.


Quelle:
Wilhelm Busch: Werke. Historisch-kritische Gesamtausgabe, Bde. I-IV, Band 1, Hamburg 1959, S. 375-383.
Lizenz:
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