1657. An Franz von Lenbach

1657. An Franz von Lenbach


Wiedensahl April 91


Liebster Lenbach!

Dein Telegramm hat mir allerdings zu meiner Freude gesagt, es ginge Dir wieder gut; wenn Du aber nicht schreiben kannst, so ist mir das doch bedenklich, und hoff ich, daß Du mir bald durch eigenhändige Schrift Deine vollkommene Wiederherstellung bestätigen kannst.

Derselbigte Winter war für die ungeduldige Kreatur im allgemeinen recht ärgerlich. Verwünscht wurden die schmeichelnden Wetterpropheten; tief sank das sonst ja so oft steigende Barometer in der Achtung seiner Verehrer; denn immer kam's anders. – Es war peinlich, an das Gethier zu denken in Wald und Feld. Jedenfalls nur nach den heftigsten Seelenkämpfen kam der gegen den Menschen mit Recht so mißtrauische Rabe auf den Futterplatz. Nothgedrungen besuchten die scheuen Feldhühnchen im Hausgarten den Winterkohl, und wie manches Häslein, welches dem Waidmann, dem sogenannten echten und gerechten, entflohn, hat wohl ebendaselbst sein Leben gelaßen, bei Mondenschein, heimtückisch erlegt aus den Stubenfenstern der Bauern. Viel, wenigstens, hörte man's knallen durch die stille Nacht, als wär's in Tunis oder Korsika, wo die Bluträcher hausen, oder im revolverfreudigen Amerika, wo's auch ohne das geht. – Nun ist's glücklich April. Hin und wieder macht die Sonne ein Aug auf. Gleich denkt man: »Aha! der Lenz!« und im selben Moment saust Wind und Schnee um die erröthenden Ohrwascheln. – Ich deckte die Rosen auf; einige der besten sind maustodt. Da bleibt denn nur der landesübliche Trost, daß es Andern womöglich noch schlechter geht. – Der weise Bienenvater horcht an den Stöcken, aber drinnen summt nichts mehr. – Angstschwitzend wälzt sich der Schafzüchter auf seinem nächtlichen Lager, denn bei sehr gelichteten Heuvorräthen dauert heuer die Stallfütterung drei Wochen länger als sonst. – Nur die Dächse und sonstige Siebenschläfer, die bedürfnißlos, mit der Nase unterm Schwanz, den unendlichsten Winter verträumen, die recken sich jetzt und meinen: es sei so schön gewesen, nur leider zu kurz!

Also, lieber Freund, sobalds irgend geht, so schreib an

Deinen alten

Wilh. Busch.

Quelle:
Busch, Wilhelm: Sämtliche Briefe. Band I: Briefe 1841 bis 1892, Hannover 1968.
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