Eid der Treue

[220] Mißtrauest, Liebchen, du der flücht'gen Stunde,

Des Augenblickes Lust?

Bist Brust an Brust du nicht, und Mund an Munde,

Der Ewigkeit bewußt?


Ich soll nur dir, und ewig dir gehören;

Du willst darauf ein Pfand:

Wohlan! ich will's mit kräft'gem Eid beschwören,

Ich hebe meine Hand:


Ich schwör's, elftausend heilige Jungfrauen,

Bei eurem keuschen Bart;

Bei Jakobs Leitersprosse, die zu schauen

In Mailand wird bewahrt;


Ich schwör es noch, zu mehrerem Gewichte –

Ein unerhörter Schwur! –

Beim Vorwort zu des Kaisers Karl Geschichte,

Und bei des Windes Spur;


Beim Schnee, der auf dem Libanon gefallen

Im letzt vergangnen Jahr;

Bei Nihil, Nemo, und dem andern allen,

Was nie sein wird noch war.


Und falls ich dennoch jemals untreu würde,

Vergäße jemals dein,

So soll mein Eid verbleiben ohne Würde,

Und ganz unbündig sein.


Quelle:
Adalbert von Chamisso: Sämtliche Werke. Band 1, München [1975], S. 220.
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