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[143] Oft schweif' ich durch der Menschen Reihen hin
Und spüre keinen ...
Ahne traumumflirrt nur,
Wie ein gewaltig Chaos mich umbraust,
Wie ein verwirrtes Tönen zu mir ruft,
Gleich Stimmen, die von fernen Inseln kommen ...
Ich spüre keinen –
Und ob Freund, ob Feind
An mir vorübertreibt:
Ich weiß es nicht ...
Wie Schatten hastet's hin –
Verhängt ist mein Gesicht,
Entrückt mein Sinn ...
Dann sing' ich leise Lieder für mich hin,
Die niemand sang bis heute ...
Was dieser schweren Weisen Gang
Bedeute –
Kaum klärt sich's mir ...
– – – – – – – – – – – –
Mit Wesen sprech' ich,
Die noch ungeboren –[143]
Sich noch verloren
In Ewigkeiten, schrankenlosen,
Unvergleichbar
Irdischen Losen,
Unerreichbar
Für Menschenmaß ...
Was ich besaß –
Was ich besitze,
Mir zugeeignet
Wachend bewußt:
Liegt überflutet
Wie vom Vergessen,
Märchenversunken
Tief in der Brust ...
Aber die Stimmen, die geheimnisvollen,
Die verschollen
Im Wachsen und Reifen,
Tönen herauf,
Und sie begreifen
Nach eigener Satzung
Eine eigene Welt ...
Die sich entwirkend
Mich dem Schoße
Alles Entstehens
Ahnend gesellt ...
Urworte denk' ich,
Und ich versenk' mich
In den Strudel der Kraft,[144]
Die sich entfaltend
Alles gestaltend
Zum Wandel schafft ...
Selbst ich entrolle
Bemessener Scholle
Zum Urborn des Seins,
Und es verliert sich,
Was nur gebiert sich,
Als Schatten des Scheins ...
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