Reue

[142] Habe die Nacht verzecht und verpraßt,

Saß bei üppigen Dirnen zu Gast,

Trank mit Gesellen, mit losen ...

Schreit' nun hinaus in den jungen Tag – –

Kaum der Finsternis Thron zerbrach –

Nach dem bacchantischen Lustgelag

Grüß' ich des Morgenrots Rosen!


Grüße des Morgenrots Flammenschein,

Sauge den kühlenden Frühwind ein,

Und die Schatten zerrinnen,

Die ich geschaut mit taumelndem Hirn, –

Die ich geträumt mit brennender Stirn,

Da ich geküßt der buhlenden Dirn'

Den Mund in sündigem Minnen ...


Und meine Seele dehnt sich weit –

Tag, nach dem meine Seele schreit,

Steige helläugig nieder![142]

Schaffen will ich in deinem Fron!

Siehe, dein verlorener Sohn,

Der in die Arme der Sünde geflohn,

Reuevoll kehrt er wieder!

Quelle:
Hermann Conradi: Gesammelte Schriften, Band 1: Lebensbeschreibung, Gedichte und Aphorismen, München und Leipzig 1911, S. 142-143.
Lizenz:
Kategorien: