12.

[191] Ich beuge mich über dich

Und küsse dich

Leise – – –

In seine Kreise

Zog dich der Traum –

Du atmest kaum – – –


Und was mich zu dir trieb –

Was mich wie einen Dieb

Zu deinem Lager schleichen ließ:

Mein Begehren erstirbt,

Hier, wo um mich wirbt

Der Keuschheit Paradies ...


Als hätte dein Genius mich,

Dein Genius, der um dich wacht,

Mit leisem Fittich gestreift:

So bebt mir das Herz ...


Nur wer das Heil'ge begreift

In still verschwiegener Nacht,

Der hat vollbracht

Und von ihm wich

Jedwede Sünde,

Jedweder Schmerz...

Quelle:
Hermann Conradi: Gesammelte Schriften, Band 1: Lebensbeschreibung, Gedichte und Aphorismen, München und Leipzig 1911, S. 191-192.
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