Gold

[52] Meine bebenden Finger halten das blutrote Gold umspannt –

Es liegt wie brennende Schande in meiner eiskalten Hand –

Die gierigen Augen stürzen auf seinen grellgleißenden Glanz – –

Und an mir rast vorüber der Menschheit wahnsinniger Faschingstanz ...
[52]

Es wölbt sich zur Riesenlawine vor meinem Seherblick,

Zur blind hinrollenden, tauben, dies erbärmlich winzige Stück –

Ich fühle Millionen Herzen zucken nach seinem Besitz –

Ich höre Millionen Lippen freveln in blödem Aberwitz ...


Ich schaue Millionen Fäuste in lohendem Groll gereckt –

Nach goldnen Lawinenkrumen inbrünstig ausgestreckt –

Ich höre Millionen Flüche, dieweil nur Zundergestäub

Statt purpurner Pracht und Geschmeides sich klebt um den schlotternden Bettlerleib.


Zeiten um Zeiten fliegen, Jahrtausende mir vorbei –

Durch alle Zeiten dröhnt es, das gellende Jagdgeschrei ...

Da droben auf ihrem Throne schlief wohl die Gottheit ein –

Bricht denn durch ihre Lider nicht der Scheiterhaufen Flammenschein?


Der Scheiterhaufen, darauf sie, die Menschheit, wahnsinnverkrampft,

Ihr bißchen Gottheit geopfert, dämonenüberstampft![53]

Ja! Ihren Namen nannte die Lippe je und je –

Und troff zugleich von Sehnsucht, nach einem –Riesenportemonnaie.


Kommt über die unstete Menschheit denn nie die Erlösungsruh?

Rast in Aeonen sie weiter, immer und immerzu? –

Meine Finger klammern ums Gold sich, das zur Lawine schwoll –

Wach auf, du schlafender Himmel! Das Maß ist über- und übervoll!

Quelle:
Hermann Conradi: Gesammelte Schriften, Band 1: Lebensbeschreibung, Gedichte und Aphorismen, München und Leipzig 1911, S. 52-54.
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