Empörung!

[127] Manchmal ist's mir, als packte mich ein Krampf,

Wenn ich halb müde, halb verdrossen,

Verträumt, mechanisch dem Gewölk nachstarre,

Das sich in zarten, bläulich krausen Ringen

Von der Zigarre mählich löst ... – –:


Da ist es mir, als packte mich ein Krampf –

Als schlüg' ans Ohr mir dröhnend Roßgestampf –

Als schlüg' ans Ohr mir gellend Horngeschmetter –

Als riefe mich Posaunenton zu Kampf

Für einen neuen Heiland – einen neuen Retter!


In wilden Rhythmen pulst mein Blut –

Aufschwillt mit jauchzender Titanenwut –

Erstickt liegt der Gedanken fahle Brut

Und wirbelt auseinander wie der Blätter

Zermürbte Spreu im Herbststurmtosen! ...

Ich lebe nur der Tat!

Und ihre Rosen

Blühn auf in meiner qualzerspaltnen Brust ...[127]

Hei! Wilde Götterlust,

Auf dürrem Heidepfad

Dahinzufliegen!

Es dampft das Roß – und in die Locken wühlt

Der Sturm sich ein – –

Gespenstig liegen

Des Mondes gleißend weiße Silberschleier

In fahl kristallnem Schein

Weit ausgespannt

Auf dem Heidesand ...

Hei! Wie hinweggespült

Wird da des Zweifels leichenfarbner Dunst –

Es atmet freier auf und freier

Die erlöste Brust –

Und in allmächt'ger Brunst,

In neugeborner Werdelust,

Umfaßt sie tief und voll

Des Lebens ganzes Sein

Und die lebend'ge Tat!

Ein heißer Groll

Flammt auf wie greller, blut'ger Nordlichtschein,

Daß so Verrat

Am Heiligsten begangen ward!

Verblendet und genarrt

Hab' ich gefrönt nur blödem Afterleben! ...

– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

Hei! Wie der Sturm in gellender Melodei,

Mit dröhnend heisrem Schrei,

Mir um das Haupt braust![128]

Wie die Wolken flattern

Und wild gehetzt,

Zerrissen und zerfetzt,

Zu Riesenbänken sich zusammenschieben! ... – –

Ich balle wild die Faust:

Das war dein Sein? – das war dein Lieben?

Verflucht! Nur Nattern,

Giftgeschwollen,

Hast du an deiner Brust genährt!

Hast dich erbärmlich nur geschert

Nach Hinz und Kunz und ihrem Alltagsschnattern!

Liebäugeltest mit Basen und Gevattern –

War das ein Leben aus dem Vollen?

Wo hingerafft

Von lodernder Leidenschaft,

In heißem Rächergrollen

Du niederschlugst der Buben feilen Tand?!

Und wo mit schwertbewehrter Siegerhand

Der Lüge Drachen du erschlagen?!

Wo du mit der Parole: »Ich vollbring's!«

Den Leib der Sphinx,

Ein starker Siegfried, sprengtest aus den Fugen? ...

Und ihre Rätselfragen,

Die bekannten klugen,

Die manchen Schwächling schon zerbrochen,

Zertreten hast?

Nur blöde Ofenrast,

Verschämt verkrochen,

Hast du gehalten:

So leichte Beute nächtiger Gewalten! ...[129]

– – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – – –

So schreit's in mir – und wilder Durst entbrennt

In meiner Brust nach stürzender Zerstörung!

Stolz wogt des Hasses Flammenelement

Und lechzt nach Rache und Empörung!

Satt hab' ich endlich diese Hirnbetörung –

Satt diese dunst'ge Trugbelehrung!

Der Afterweisheit Götzen will ich fegen

Von ihren gleißenden Despotensesseln –

Will mit der Tat gewucht'gen Donnerschlägen

Ihr Reich in Schutt und Trümmer legen:

Denn – nein! – nicht länger trag' ich diese Fesseln!

Quelle:
Hermann Conradi: Gesammelte Schriften, Band 1: Lebensbeschreibung, Gedichte und Aphorismen, München und Leipzig 1911, S. 127-130.
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