5.

[165] Auf Wald- und Wiesenpfaden

Ließ ich mich reich begnaden

Vom holden König Lenz ...

Sein Zepter gleißt von Sonnen,

Sein Auge ist ein Bronnen,

Draus träufelt manche löbliche Sentenz ...
[165]

Zum Beispiel auch das Sprüchlein:

Genieße flugs dein Krüglein,

Ward es dir aufgetischt,

Solang noch jung die Herzen,

Das Leben sproßt im Märzen,

Solange Grün und Grau noch unvermischt! ...


Hat erst ein arges Schicksal

Mit seinem blanken Tückstahl

Dich abgeschliffen ganz:

Ob schäumt der Krug zum Randen,

Er dünkt dich abgestanden –

Zerpflückt ist deines Lebens Blütenkranz ...


Auf Wald- und Wiesenpfaden

Ließ ich mich reich begnaden

Vom holden König Mai ...

Sein Drang ward mir zur Lehre,

Daß ich den Blick nur kehre

Nach dem, was voller Frühlingskräfte sei ...


Nach dem, was sprießt und treibet,

Sich aneinander reibet

Und neu't in Form und Farb' ...

Mein Trauern ließ ich fahren

Und all mein Gramgebaren,

Da König Lenz auch mich zum Söldner warb ...

Quelle:
Hermann Conradi: Gesammelte Schriften, Band 1: Lebensbeschreibung, Gedichte und Aphorismen, München und Leipzig 1911, S. 165-166.
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