6.

[166] Mein Blick, nun weide dich zum letztenmal

An dieses Frühlings satter Blütenfülle!

Voll Inbrunst sauge dieser Sonne Strahl –

Mein Herz, sei stille! ...


Erschweig bewundernd vor dem Werdedrang!

Was dich erfüllt, den Winden gib's zum Raube! ...

Ob dir der Hoffnung goldnes Sieb zersprang –

Dir blieb der Glaube!


O glaube eine winz'ge Weile nur,

Daß diese Botschaft auch für dich gebracht ward!

Umfaß noch einmal trunken die Natur,

Bevor es Nacht ward! ...


Auf meinen Scheitel streut der Frühlingswind

Mattweiße Blüten – eine letzte Krönung – – –

Ich bin so fromm und heiter wie ein Kind ...

Und voll Versöhnung ...

Quelle:
Hermann Conradi: Gesammelte Schriften, Band 1: Lebensbeschreibung, Gedichte und Aphorismen, München und Leipzig 1911, S. 166-167.
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