Dritter Abschnitt.

[10] Oesterreichs Staaten. Davon ließe sich jetzt viel sagen, wenn – die Artikels in diesem Werkchen nicht kurz seyn müßten – – – Eine Menge Charlatanerien werden dermahlen von dem Kaiser verabschiedet, und suchen anderweitig unter zu kommen. Wehe den Staaten! wo der Fürst nicht wachsam ist, damit die Emigranten des Aberglaubens, der Bigotterie, und der seelig verschiedenen Bücherzensur nicht aus Oesterreichs Landen in die[11] seinigen übergehen. Bisher lebte Geistes Freyheit zu Wien nur in Ecclesia pressa, und eine Menge Vernunft aufklärender Bücher durften nur in kognito gelesen werden. Gegenwärtig wird dem frey urtheilenden Verstande erlaubet, sich in der Residenz, wie im ganzen Lande, auszubreiten, und die Capuziner sind in ihre Klöster gewiesen. Es fehlte nur noch, daß in andern mächtigen Staaten, die Pfleger und Säugammen der Dummheit die Oberhand gewönnen, so wie sie nach des originellen Friedrichs Maximen dort Zaum und Gebiß ins Maul gelegt bekommen; und die Folge würde bald die seyn, daß Joseph nach dem Beyspiel des biblischen Josephs, alles weit um sich her unter seiner Bothmäßigkeit brächte. Denn wo freyer gesunder[12] Menschenverstand Terrein gewinnet, sich auszubreiten, da wuchert er, und bringt hundertfältige Früchte; und wo der Aberglaube gepflegt wird, da untergräbt er Thronen, setzt der Fürsten Leben in Gefahr, und macht ganze Reiche schwindsüchtig, daß sie unvermeidlicher Raub des Todes werden.

Die Jesuiten beobachteten darin ganz vortrefliche Regierungsmaxime; sie selbst waren aufgeklärte Köpfe, zogen hellsehende kluge Leute in ihr Interesse; und – bemüheten sich nur, den Aberglauben in Fürsten und in dem gemeinen Pöbel zu kultiviren, um sich beyde in der Unterwürfigkeit zu erhalten.

Für einen großen Regenten ist es der höchste Grad der Politik, die Klugheit am Ruder der Regierung[13] zu stellen, vernünftige Leute selbst aus andern Staaten an sich zu ziehen, dem gemeinen Mann durch uneingeschränkte Toleranz seine Meinungen und Thorheiten, als Spielpuppen zu lassen – ihm aber so viel Industrie zu geben, als nöthig ist, um zu vergessen, daß er bloß ein lastbares Thier ist; seinen Nachbaren aber fromme Häupter zu wünschen, die der Geistlichkeit frohnen, ihre Zeit in den Kirchen zubringen, und in Gelegenheit ihre Stärke bey Gnadenbildern und im Gebet suchen.


Ohrenbläserey. Ist eine Staatsmaxime vieler Subalternen, wodurch sie sich bey ihren Obern besser konserviren, und leichter zum Avanzement und Gehaltszulagen empfehlen, als durch Diensteifer und patriotischem[14] Bestreben, um dadurch die wahre Bestimmung ihres anvertrauten Postens zu erfüllen.

Nach der alten Mönchsregel: Fac Officium tuum taliter qualiter et sta bene eum Domino priore1; ist es immer zum Dienst hinreichend, die Comedie des Mannes nach der Uhr zu spielen, seine Horas zu rechter Zeit, und bloß mit der Kehle zu singen, ohne die Gedanken und den Verstand dabey zu inkommodiren, wenn man übrigens nur mit dem Herrn Prior gut steht, so wird mans immer weiter bringen, und sich zuverläßiger konserviren, als durch das miserable[15] Verdienst der Treue, der Unbestechbarkeit, des Fleißes in Thatsachen, oder gar durch das anstössige Verdienst, etwas mehr Kopf zu haben, als unter einer Bande Esel zu haben erlaubt ist.

Es sind verschiedene Mittel und Wege, ums dahin zu bringen, daß man mit dem Prior gut steht: – ist er geitzig und habsüchtig; so theilt man mit ihm, wenn Beute gemacht wird, oder man versieth das Amt seines Geheimen Zolleinnehmers, falls der Prior so gewissenhaft ist, daß er nicht selbst am Zoll sitzen will, oder bey mindrer Skrupulosität weiset man den befrachteten Klienten die Thür nach des Herrn Priors Küche, Weinkeller, Vorraths- und Schatzkammer. Ist er verliebt; so kann man[16] sicher den Kuppler machen, ihm dann und wann ein hübsch Mädchen zuführen, und während daß der Herr Prior in der Handlung begriffen ist, die stumme Person einer Schildwacht spielen, um allen unzeitigen Ueberfall zu verhüten, damit Sr. Hochwürden in ihrer Deklamation nicht unterbrochen werden, und keinen Schrecken davon tragen mögen.

Ist der Prior Ehrgeizig; so muß der Mönch vor ihm kriechen, um Kraft zu erhalten, gut und fest bey ihm stehen zu können; und ist er ein altes Weib, welches bey Prioren der Fall wohl am häufigsten seyn dürfte, so muß man ihm Neuigkeiten zutragen, fleißig rapportiren, von einem jeden, den der Prior nicht gut ist, böses reden, und[17] solchergestalt Ohrenbläserey treiben – und das müßte in jedem Fache ein dummer Mönch seyn, der auf solche Weise nicht ehr befördert werden sollte, als seine bessere Kollegen.

Ohrenbläserey rekommandirt gewissermaßen noch mehr, als die Kunst, den großen Jungen zu machen, und des Priors rechte Hand zu seyn – ohne welche der Prior nicht würde Prior seyn können. Freylich bedarf ein großer Theil der Prioren ein solches eben so geheimes als unentbehrliches Staatsmeuble, um bey Ermangelung eigner Seelenkraft, mit dem Verstande eines andern – zu glänzen. – – – Es ist einmal in der Welt nicht anders, – der eine treibt Staat, hält Equipage und giebt Feten, wozu ihm der Jude[18] das Geld vorschießt. – Der andere läßt als geweiheter Ehemann taufen, weil er einen gewiegten Hausbanquier an der Hand hat, welcher für die Ehre des freyen Zutritts den Zeug zur Hervorbringung der Posteritet liefert; und der dritte paradirt als Prior, weil ihm ein anderer guter Kopf seinen Verstand leiht, um dem Priorate Ehre zu machen. – – – Alle drey Lieveranten sind unentbehrlich, um durch die Welt zu helfen, aber diese unentbehrliche Leute sind auch oft überaus lästig – der Jude, wenn er nach vollendeten Feten von dem vornehmen Schuldner sein vorgeschossenes Geld – oder seine Prolongationsgebühren verlangt. – Der ehrliche Substitut, wenn er aus einem Freunde – der Herr des Hauses zu[19] werden anfängt, und mit Hülfe der Dame den gekrönten Ehemann zur offenbaren Null herabsetzt, und – der Nothhelfer eines Priors in Verstandes- Seelen- und Amtsnöthen, der oft noch schlimmer tyrannisirt – als ein Weib, die alles zu ertrotzen und zu erschmeicheln versteht. – – All dergleichen unentbehrliche Geschöpfe, wenn sie ihre Wichtigkeit nutzen, können zu ihrem eignen Besten auch viel ausrichten, aber diese Mittel, gut zu stehen, sind doch mißlich. – – Denn wenn das Joch der Unentbehrlichen zu schwer wird; so wirft mans bisweilen ab – aber ein geschickter Ohrenbläser sieht nicht allein gut, sondern auch fest, und gerade daraus folgt die andere Staatsmaxime, daß man sich zuvörderst nach dem rezipirten[20] Ohrenbläser des Priors erkundigen, und den gewinnen muß, bevor man von dem Prior selbst etwas suchen will.

Das Ding geht ganz natürlich zu. Wenn ich von jemand was haben will, so muß ichs ihm sagen, und wenn ich einen Prior etwas sagen will, so muß er mich hören. Weil aber nach dem Schöpfungsinstitute, ein jeder nur mit den Ohren hören kann, so muß ich schlechterdings erst wissen, wo das Ohr eines Priors anzutreffen ist? und die Erfahrung lehrt, daß sich solches mehrentheils in fremder Händen befindet. Der Sprachgebrauch bringt es so mit sich, daß bey geringer Aufmerksamkeit da bald hinter zu kommen ist, wo man das Ohr desjenigen zu suchen hat, bey dem[21] man seine Nothdurft vortragen will. – – Das ewig schwatzende Gerücht sagts von Haus zu Haus: »der hat das Ohr des Fürsten, – dieser hat das Ohr des Ministers, – jener hat das Ohr des – – Gott weiß wer? Nun versteth sich's von selbst, daß ich mich an den Mann nicht selbst zu adreßiren brauche, von dem ich etwas verlange, sondern an den, welcher der Depositenrendant oder Administrator seiner Ohren ist. So ein Mann treibt das Metier, Ohren zu administriren, kunstmäßig, und weiß, was sie vertragen, und was sie nicht vertragen können. – – –

Ich will jetzt nicht das ganze lange Kapitel der Ohrenwirthschaft abhandeln, und gerade nur so viel anmerken, daß die Charlatanerien[22] der Ohrenbläserey, – die Kunst, Ohren zu kitzeln wenn sie jucken, und die Politik, sämtliche Innhaber fremder Ohren, wenn die deponirte oder administrirte Ohren von Extraktion sind, mehr Nutzen schaffen, als die Realitäten solider Kenntnisse, und des warmen Gefühls für alle Sorten patriotischer Tugenden, – und daß mancher im dunkeln vergrabene nutzbare Mann mit all seiner Geschicklichkeit nicht im Winkel versteckt bleiben würde, wenn er anstatt anderer Wissenschaften, sich mehr das Ohrenstudium eigen gemacht hätte.

Sollte die Kunst der Ohrenbläserey, und überhaupt die ganze Staatsökonomie der Ohren, wie leicht möglich ist, einmal systematisch abgehandelt werden; so dürfte[23] sich mancher darüber hinter den Ohren kratzen, wenn er merkt, daß er so lange ohne Ohren herum gelaufen ist, während ein anderer in Posseßion war, damit sein geheimes Kommerzium zu treiben.


Opfer – eine uralte Charlatanerie und Priestererfindung welche nach Maaßgabe der priesterlichen Macht, Würde, und fleischlicher Bedürfniße schon mancherley Veränderungen in der Welt erfahren hat. In den ältesten Zeiten der Leichtgläubigkeit wurde für Rechnung des lieben Gottes, der sich gar viel muß gefallen lassen, bey aller Gelegenheit Contribution ausgeschrieben um die prätendirte Abgeordnete des Himmels zu mästen, sie in den Stand zu setzen, mit Ehren müßig gehen zu können, und nicht[24] wie die übrigen arbeitsamen Erdensöhne im Schweiß ihres Angesichts selbst gewonnenes Brod zu essen. In dieser Absicht wurde der gar Lukrative Glaubensartikel gepredigt; daß Gott nichts umsonst thun könne sondern schlechterdings durch Opfer und Gaben bestochen werden müße um gnädig zu seyn.

Wenn eine Dürre über das Land kam daß der Himmel ehern und die Erde eisern schien, so schlossen die geistlichen Commerzienräthe einen Handlungstraktat um gegen eine gute Partie fetter Ochsen und Schaafe einen fruchtbaren Landregen zu liefern. Wenn's einmahl Krieg gab und das Volck Hülfe gegen seine Feinde bedurfte; so kams den Priestern als beständigen Agenten des Himmels zwar nicht drauf[25] an selbst eine kleine Armee Engel zu kommandiren, aber ohne redliche Subsidien an Fleisch und Braten konnten diese Hülfsvölker nicht in marschfertigen Stand gesetzt werden

Dergleichen zufällige Opferveranlaßungen kamen aber nicht alle Tage, und die Priester wollten doch täglich essen, daher wurde es weißlich so eingerichtet daß es keinen Tag an Opfer fehlen muste, wenn gleich keine Dürre und kein Krieg da war um eine außerordentliche Brandschatzung auszuschreiben. Von allen Früchten der Erde die gut zu essen waren und von allem Vieh was gebohren wurde, musten die Erstlinge und nachher der Zehnte geliefert werden – nur nicht die Erstgeburt des Esels als welcher das Genick gebrochen werden muste weil die[26] Priester etwa ihre geheime Familienursachen haben mochten kein Eselsfleisch zu essen.

Wenn ein Weib unfruchtbar war; so brachte sie ihr Opfer dem Priester, der denn sein möglichstes that ihr einen Erben zu verschaffen und wenn sie gebohren hatte; so muste sie ihren Wohlthäter von neuen besuchen und für gute Prokuration ein paar Turteltauben oder ein paar junge Tauben mitbringen weil deren Fleisch zärter und schmackhafter war als von alten Federvieh – wären damaliger Zeit Hamburger Kapaunen mit Austern schon in ihrem wohlverdienten Ruf gewesen, so würden solche sicher in den Opferverzeichnissen mit seyn aufgeführt gewesen. – Die ursprünglichen Opfer bestanden, nach Anleitung[27] der Geschichte, nur in Eßwaren. Mehr Bedürfnisse hatten die alten Priester nicht, als Essen und Trinken, und zur Kleidung dienten ihnen die Felle von den geschlachteten Opferschafen, welche damals eine von der heutigen Kirchenmode sehr verschiedene Altartracht ausmachten.

Bey zunehmendem Luxus, und da auch der Hautgout und fremde Gewürze bey den vornehmsten Tafeln eingeführt wurden, und Leute von Geschmack anfiengen, sich mit Weihrauch, Muskus und köstlichen Salben zu parfümiren, alle Arten von Spezereyen, auch prächtiges Putzwerk in Kleidern von den Tyrern und Sydoniern vor baares Geld mußten gekauft werden; dehnte man die Opfergesetze auch auf klingender Münze aus, und nunmehr mußte[28] auch der Seckel des Heiligthums entrichtet werden.

Mit einem Wort: alles was die Priester nach der Lage der Zeiten und Gewohnheiten gebrauchen konnten; wurde von je her als ein Gott wohlgefälliges Opfer angesehen. Dies führte auf die Gewohnheit der Gelübde und freywilligen Geschenke, wodurch aus den Nachfolgern Jesu, der nicht hatte, wo er sein Haupt hinlegen konnte; und aus den Nachfolgern der Apostel, die nichts als einen alten Fischerkahn zuzusetzen hatten, die Besitzer von einträglichen Bißthümern, Dompräbenden und Klosterländereyen entstunden, und Reichthümer zusammengebracht wurden, welche die feinste Industrie und der mühsamste Handel[29] nimmermehr zusammen zu schaffen im Stande seyn würde.

Leider sind die Zeiten, Hekatomben zu Opfern, und Priester zu Fürsten zu bereichern vorbey. Auf protestantischen Altären werden nicht mehr Ochsen und Schaafe ohne Wandel, sondern oft nur kahle Sechspfennigstücke geopfert. – Für Priester, welche aus den Opfern des Klingebeutels leben, wird das kärgliche Gehalt Dreyerweise zusammen gebracht, und mancher muß von Recensionenmacherey seine Nahrung bey einem Journal- und Bibliothekenhändler suchen, und – vor Geld wässerigte Verse machen oder anpreisen, um an den stümperhaften Versuchen allgemeine Landopfer auszuschreiben, seinen Antheil zu haben.[30]

Was für ein Unterschied! zwischen dem goldenen Zeitalter, wo der Priesterschaft noch Fürstenthümer, der Zehnte von allen Landesprodukten, und reiche Vermächtnisse von armen in Angst gesetzten Sündern auf dem Todtenbette geopfert wurden, und zwischen der jetzigen eisernen Epoque, wo die armseligen Opfer durch Postillenschreiben, durch Liederkrämerey und schmäliche Recensentenarbeiten müssen zusammen kollektirt werden, um seine Priesterwürde bey Lebzeiten zu erhalten, Weib und Kinder nach der Mode zu kleiden, und nicht – bloß Gegenstände der Barmherzigkeit hinter sich zurück zu lassen!

Selbst in Katholischen Landen geht das Licht der gesunden Vernunft auf, um die Nacht der[31] Opfercharlatanerien zu vertreiben. Lange schon dürfte sich kein Papst mehr unterstanden haben, durch Ablaßbriefe allgemeine Söhnopfer einkassiren zu lassen, selbst die Opfer zur Erlösung aus dem Fegefeuer durch Seelmessen, dürften anfangen sparsam zu werden, – und in der Maaße für die weltliche Macht die Quellen der Staatengrößen ergiebiger werden lassen, als die ganze Priesterschaft auf das evangelische Prinzium reducirt werden dürfte: Selig sind die Armen, denn das Himmelreich ist ihr.

Darum kömmt indessen der Opferdienst noch nicht ganz ab, wenn er gleich bey der kirchlichen Priesterschaft immer armseliger wird. – Es giebt auch hie und da noch einen Hohenpriester am Altar der Themis,[32] der ein anständiges Opfer nicht abweiset oder durch Mediation eines betrauten Opferknechts seine Umstände zu verbessern sucht – und zu welchen, in verzweifelten Umständen ein gläubiges Herz schon einmahl seine Zuflucht nehmen kann, um Gnade für Recht zu empfahen. Auch trift sichs; daß so ein Hoherpriester mit der ganzen kalten Phisionomie der Gerechtigkeit, seine liebe Frau in die Misterien des Opferpriesterthums eingeweith, sich zur Seite gesetzt hat, deren Angesicht wie die Sonne von Ithaka jedem leuchtet, der mit wohlgefälligen Opfern und Gaben sich dem Altar ihrer Füße nahet, um – nach aufgehobenem Vorhang, durch ihren Canal bis ins Allerheiligste der Justitz einzugehen, und an der[33] Sentenzenarbeit ihres Ehegemahls einen helfenden Antheil zu nehmen. – –

Am wenigsten dürften die Opfer aus der Mode kommen an den Tischen, wo die Zöllner und Sünder sitzen, welche mit Administration Landesherrlicher Gefälle ihr Wesen haben. – Zu den Zeiten Augusts und seiner Nachfolger giengs wenigstens im jüdischen Lande so her, wenn wir dem Evangelisten Mattheus anders nicht eine bloße Satire aufbürden wollen, indem er von einem gewissen Zacheus redet, der für den Kaiser Pluß, und für sich selbst Plurimum machte, dabey aber viel auf den Herrn Jesum hielt, dergestalt, daß bey Lesung dieser Geschichte, ein Mann von viel Weltkenntniß in neuern Zeiten ausrief: c'est tout comme chez[34] nous – und bis auf den Punkt des Wiedergebens und Austheilens an die Armen, sollte man diesen Zacheus nicht so weit zurück, und schon ins erste Jahrhundert suchen.

Noch sollte billig auch ein Wörtchen von Rachopfern gesagt werden. – – Die alten Priester unter einigen Nationen, mußten bisweilen einen Menschen opfern, um Gott zu versöhnen, welcher nach einem angenommenen Grundsatz, gröblich beleidigt werden könnte, wenn man für seine Representanten nicht so viel Respekt hatte, ihren Speichel aufzulecken, und die Süssigkeit des Honigs darinn zu preisen. – Solchergestalt sind Rachopfer die Wirkungen der Justitzpflege unter den Sündern. – – – Zur Erläuterung, dient das merkwürdige[35] Beyspiel Käsebiers des Großen, der einen von seiner Bande auf hängen ließ, um durch dieses Rachopfer den Beweis zu führen, daß er ein gerechter Mann sey.


Orthodoxie. Vor noch nicht einem halben Jahrhundert seufzten fromme Christen über die hervorkeimende und schnell überhand nehmende Orthodoxie – wie über die ärgste Ketzerey in der Religion, und Verfall der wahren unsichtbaren Kirche, deren inneres Wesen im Gefühl der Frömmigkeit und der Liebe Gottes gesetzt wurde.

Damals wollte man nicht orthodoxe und wis senschaftliche Seelenhirten, sondern nur fromme und wiedergebohrne Prediger haben, – und doch war die Orthodoxie bloß[36] genaue Abwägung des kirchlichen Systems gegen die Lehrsätze der Bibel, deren Extrakt man in den symbolischen Büchern auf bewahrt glaubte.

So gar Schlimm war die Orthodoxie denn doch nicht, – sie gab immer ein kunstmäßiges Ganzes, wo jeder Theil recht ordentlich in den andern hineingefugt war, – beym gemeinen Mann wars festes Objekt des Glaubens – wie jedes Lehrgebäude, über dessen Materialien und Manier in der Zusammensetzung die Baumeister übereingekommen waren, – und für den Gelehrten wars geordneter Plan, von welchem sich ehrlicher Weise und ohne Winkelzüge, offene Rechenschaft geben ließ, so weit ein solcher Plan des Grundangebens[37] fähig war, wo eine Hauptprämisse als unstreitig richtig angenommen wurde, ohne weiter zu fragen, ob sie richtig wäre.

Diese Orthodoxie, welche der Pietisterey Anfangs so gefährlich schien, machte nach einem Kriege von etlichen Jahren, am Ende Frieden und Allianze. Die Frommen, welche ohne System, nur der innern Gnade und dem Geist folgten, fiengen nunmehr an, mit den orthodoxen Systematikern in brüderlicher Eintracht zu leben, sich aber gegen einen neuen Feind zu setzen, der in der That für die adovtirte kirchliche Religion etwas mehr fürchten ließ, – als vorher die Pietisten von den biblischen Orthodoxen zu fürchten Ursach gehabt hatten. Letztere vertheidigten[38] wenigstens mit erstern immer gemeinschaftlich die Hauptschanzen der Christen, und die systematisch zusammen gekettete Außenwerke fanden immer Deckung hinter den beyden großen Wällen – Offenbahrung und Glauben. Hier mußten alle Attaken Halte machen. Wenn ihnen die volle Ladung mit etlichen: Es stehet geschrieben, entgegen geschickt wurde; so war nicht weiter zu kommen.

Jetzt aber fieng Philosophie und Vernunft an, sich in die theoretische Religion zu mischen. Pietisten und Orthodoxen sahen sehr gut ein, daß sie die Ueberläufer der Philosophie ganz und gar nicht aufnehmen müßten, und daß ihre sämtliche Werke unvermeidlich verlohren gehen würden, wenn sie sich in[39] den immer vorwärts avanzirenden philosophischen Untersuchungen und Beweisen der Vernunft einlassen wollten. Sie fanden ihre alleinige Sicherheit hinter vorbemeldeten Verhacken, der Offenbahrung und des Glaubens, und thaten ihr möglichstes gegen die sich eindrängende verrätherische Hülfsvölker der Philosophie zu protestiren, – und der Erfolg hat gewiesen, daß sie Recht hatten. Die vertheidigende Philosophie verrieth ein orthodoxes Werk nach dem andern an die angreifende Philosophie. – Das ganze System wurde durchlöchert, die zusammen gekettete Glaubensartikels zerrissen, und die in die Flucht geschlagenen Orthodoxen sehen jetzt den ihrem System zugefügten Schaden, daß sie den Wolf der Vernunft[40] in die Retranchements der Offenbahrung und des Glaubens eingelassen haben.

Die durch Philosophie aufgeklärte Vernunft, welche einige Orthodoxen zur Hand nahmen, um dadurch die Hauptwerke der Orthodoxie, die Offenbahrung und den Glauben zu vertheidigen, fieng damit an, diese Werke selbst zu revidiren. Ohne sie eben ganz wegzuwerfen, wurde so lange daran rektifizirt und modifizirt, daß in der That, wenn wir's beym Lichte besehen, wenig genug davon übrig geblieben ist. – – –

Die der Offenbahrung und dem Glauben beygefügte Batterie der Vernunft, sollte vorzüglich die als ketzerisch verschriehene Lehren des Arius und Socinus mit gleicher[41] Wehr und Waffen bestreiten. Aber eine Krähe hackt der andern die Augen nicht aus; – Vernunft konnte mit Vernunft nicht im Ernst streiten, – es entstand ein bloßes Spielgefecht, und ohne den Ramen haben zu wollen, ist die dermahlige heterodoxe vernünftelnde Theologie, der hauptsächlichste Kommendante, ziemlich übereinstimmend mit der verschriehenen Ketzerey, wogegen zu streiten sie patentisirt wurde. Und die bekannten berühmten Leuchten des geistlichen Israels, – denen im Kirchen- und Ketzer-Almanach, offenbahr zu viel Ehre erwiesen wird, würden ganz im Lichte des Arius wandeln, wenn – sie mit den Quellen bekannter wären, den Arius selbst und nicht bloß nur ein paar möglichst arianische Engländer[42] gelesen und ausgeschrieben hätten. – – – – In diesem Fache finden sich dermahlen ein Haufen Charlatanerien, weil diese unorthodoxe Nichtslinge das nicht sind, was sie seyn wollen, und das zu seyn nicht bekennen, was sie wirklich sind – Leute ohne System, ohne Kraft und Freymüthigkeit Etwas mehr zu seyn, als halbe Nachbeter hie und da entlehnter Meinungen, mit welchen sie, wie mit gestohlen Gut, umgehen.

In dieser Broschüre ist der Ort nicht, etwas mehr zu thun, als Winke zu geben, und mit leichter Feder über die Oberfläche hinzufahren, um hellen Augen den Gesichtspunkt zu bemerken, wo was zu schauen ist. Aber da aus dieser[43] Klicke – mir hinreichende Veranlassung gegeben ist, um den Nimbus verhüllter Blößen aufzudecken; so werde ich nicht ermangeln, die Komödie des Diogenes mit der keuschen Dame auf dem Sopha zu spielen, deren Medisanze bittere Glossen über die unschuldige That gemacht hatte, daß dieser Philosoph mit weggeworfenen Mantel, ein Mädchen aus dem Wasser gerettet hatte, – und ich fürchte, daß ein zu seiner Zeit erscheinendes, mit Quellen und Urkunden nicht unbekanntes Produkt, in den Augen der urtheilenden Welt, nicht so ganz gleichgültig und des Lesens unwerth wird betrachtet werden, – wie altags Schmierereyen angesehen zu werden verdienen.


[44] Pasquill Misverstandener Weise wird nur gar zu oft das Pasquill mit der Satire verwechselt und eins für das andere genommen. Pasquino und Marforio ein paar gegeneinander über wohnende römische Bürger hatten beyde die Naturgabe des guten Humors und das Talent alles in einem komischen Lichte zu betrachten. Sie unterhielten sich täglich über die öffentliche Stadtbegebenheiten, und machten sich über die Dummenstreiche die in Rom, so gut als bei uns, vorgenommen wurden; von ganzen Herzen lustig. Im Grunde war der ehrliche Pasquino nur ein aufgeräumter und satirischer Kopf den seine Landsleute gern hören mochten – man brachte ihm täglich Neuigkeiten, er bereitete eine Sauce drüber, und machte sie[45] durch seine drollichte Anmerkungen interessant. Pasquino muß kein Pasquillant gewesen seyn in dem verhaßten Sinne des Worts, wie es jetzt verstanden wird; denn sonst würde ihm von Obrigkeits wegen, das politisch-satyrische Kannengiesserhandwerk nicht statuirt worden seyn. – – –

Nach seinem Tode wurde ihm und seinem Freunde Marforio, jedem eine Säule vor dem Hause errichtet, und die muthwilligen Spötter mißbrauchten diese Säulen, um eigentliche Pasquille dran zu schlagen, welche bloß deswegen verhaßte Pasquille waren, weil deren Verfasser nicht das Herz haben durften, sich zu nennen, und ihre bittere Anmerkungen laut zu sagen.[46]

Der Sinn dieser satyrischen Einfälle war öfters voller Witz und treffender Wahrheit in dem Geschmack der holländischen Medaillen und deren beißenden Inschriften. Letztere hat noch Niemand für Pasquille ausgegeben, weil in diesem freyen Staat der schärfste Witz nicht nöthig hat sich zu verstecken; aber in Rom, als Nero und gleich tyrannische Regenten regierten, mußte das Metier, Plaisanterien zu sagen, nur in kognito getrieben werden, – und nach und nach wurde es Mode, daß jeder feige Spötter nach Belieben, durch Schmähschriften andern eins anhieng, weil er sicher war, nicht entdeckt zu werden.

Das unterscheidende Merkmal eines eigentlichen Pasquills besteht eigentlich darinn: daß derjenige,[47] der einem andern auf eine beschimpfende Weise öffentlich angreift, solches versteckter Weise durch einen öffentlichen Aufsatz thut, ohne daß man dessen Verfasser kennt.

Wer, ohne sich zu verstecken, schriftlich oder mündlich jemanden schimpft; der sagt nur eine Injurie, und kann aus diesem Titel Gerichtlich belangt werden, wenn der Beschimpfte kein ander Mittel kennt, sich Genugthuung zu verschaffen.

Wer aber andere Leute durchzieht, und mit oder ohne Witz jemanden öffentlich lästert, ohne sich zu erkennen zu geben, der ist ein eigentlicher Pasquillant. Nach dieser Bestimmung, an deren Richtigkeit wohl niemand zweifeln wird, qualifiziren sich die ungenannten verborgenen[48] Rezensenten in der allgemeinen teutschen Bibliothek in den anonimischen Briefen übers neue Gesangbuch etc. zu offenbahren Pasquillanten – – werfen mit ihren Excrementen um sich her um die Objekte ihrer prätendirten Kritick öffentlich zu beflecken – und wer wird erst noch lange fragen, ob solche muthwillige Pasquillanten nicht nach allen Gesetzen den Staubbesen verdienen?

Nur derjenige welcher sein Talent, Sachen in ihr eigenthümliches komisches Licht zu setzen nutzt und selbst auf genannte Personen, nicht unwahre Lästerungen, sondern bloß leicht kitzelnde Saillieu sagt – der mit seinem Stachel nur die Haut obenhin ritzt ohne tödtliche Wunden zu geben – nur der verdient[49] den Nahmen eines Satirenschreibers den man allenfals immer paßiren lassen möchte, wenn er so ehrlich ist, sich nicht zu verbergen sondern einem jeden welchen er für das Forum seiner scherzenden Laune zieht, unter die Augen zu treten.

Wer aber einen solchen ehrlichen, nicht verborgenen, gutlaunigten Satiriker mit einem Pasquillanten vermengt; der verdient nicht mit der sanft züchtigenden Ruthe des Satirs zurecht gewiesen, sondern von denen im Finstern wandelnden Pasquillanten, welche gewissen Lohngedungnen Weibern gleich nur bei Nachtzeit unerkannter Weise mit den Nachteimern durch die Straßen schleichen, beschüttet zu werden.


[50] Paradieß hat nach Beschaffenheit menschlicher Bedürfnisse des Clima und der Zeiten immer eine andere Beschaffenheit gehabt. Das erste Paradieß für Menschen die noch unschuldig waren, wie Kinder welche ganz frisch vom Mutterleibe kommen, noch keinen Luxus und keine Schwärmerei kannten – dieses Paradieß hatte nur Früchte – keine Leckerbißen für verwöhnte Zungen, und keinen Putz um die anerschaffene Schönheit des Leibes in Masqueraden Tracht zu hüllen.

Die jüdische Nation welche nach den Fleischtöpfen Egyptens lüstern war, schafte sich in der Folge ein Paradieß, wo der Leviatan, ein außerordentlich großer und fetter Ochse, würde geschlachtet und gebraten werden, um das ganze Volk[51] in jenem Leben mit Roßbief zu regaliren; und zu seiner Zeit lehrte selbst der tolerante Jesus, daß auch Heiden an der Glückseligkeit des Paradieses Theil nehmen, und mit Abraham, Isaak und Jakob zu Tische sitzen würden, – zum Beweis, daß damaliger Zeit, die Freuden des Paradieses in guten Mahlzeiten gesetzt wurden. – –

Nur die Christen zur Zeit der Verfolgung, wo's ihnen bisweilen kümmerlich gehen mochte, setzten ihren Himmel in einer magenlosen Verklärung, wo ihnen nicht mehr, wie hier zu Lande, hungern und dursten würde, wo sie als Verfolgte und Verjagte, nicht mehr der brennenden Sonnenhitze, und der Strenge der Witterung würden ausgesetzt seyn, da sie gerade mit diesen Ungemächlichkeiten[52] bey Leibes Leben am meisten zu streiten hatten, und sich oft in Wäldern und Hölen auf halten mußten, um Sicherheit für ihre Personen zu suchen, die sie in Städten und Wohnungen unter andern Menschen nicht finden konnten.

Die Griechen bildeten sich ein Paradies nach ihren Begriffen von dem Vergnügen in dieser Welt ab, – setzten es in Bewohnung der schönsten Gegenden, wo schattigte Alleen, neben silberhellen Bächen ihnen Raum geben würden, ruhig spazieren zu gehen, und mit den Weltweisen akademische Unterredungen zu halten.

Die Türken erwarten ein ewiges Serail und ungeschwächten Mädchensgenuß, – unsere liebe nordische Vorfahren freuten sich der Zukunft,[53] wo sie an gutem Bier und Meth nie Mangel haben würden.

Solchergestalt bildeten sich alle Nationen, nach dem Begrif der Zeiten, nach ihren Bedürfnissen, Begierden und Wünschen ihren Himmel. – Niemand beruhiget sich bey der weisen Verfügung, nach welcher die Zukunft jedem sterblichen Auge verschlossen ist, – und doch ist kein schuldiger und größer Opfer, was die Vernunft der Gottheit bringen kann, als unbeschränktes Vertrauen, daß unser künftiges Loos in guten Händen ist, – und es zu unserer Ruhe keiner Charlatansdeklamation und Vorspiegelungen bedarf, über Dinge, die Niemand weiß, noch wissen soll, und die zu nichts dienen, als sich mit Träumen[54] zu täuschen, die beym erwachen wie Schattenbilder verfliegen.


Policey. – Wenns an manchen Orten damit weiter nichts ist, als bloße Charlatanerie, – welches, wo's diese Beschaffenheit hat, durch Schmutz und Koth, durch willkührliche Preise der Lebensmittel öffentlich fühlbar gemacht, und in beglaubter Form dokumentirt wird; da ernährt die Policey wenigstens ihren Mann. Es ist ein sonderbar Ding in der Welt, daß mancher arme Teufel sein Glück schon gemacht zu haben glaubt, wenn er nur ein kleines Dienstchen im gemeinen Wesen erhält, welches an sich selbst zu wenig abwirft, um davon zu leben, und auf der andern Seite wieder zu viel, um durch Hunger von[55] dem Elende dieses Lebens befreyet zu werden. Aber es geht diesen armselig besoldeten publiken Bedienten des Staats, wie dem Burgermeister einer kleinen Provinzialstadt, der in alten treuherzigen Zeilen dem Könige auf die Frage über den Ertrag seines Amts, ehrlich antwortete: Das fas, sagte er, will nicht viel sagen, aber das nefas, Ihro Majestät, das nefas! – Solchergestalt giebt es Aemtchens, die an sich selbst nur geringe sind – aber die Gelegenheit, seine Nahrung dabey zu finden, macht sie zu Aemtern von Wichtigkeit. Es giebt in Teutschland wirklich Orte, wo die Wächter der guten Ordnung ihren geringen Sold ziehen, um offene Augen zu haben, und wo von der andern Seite erkleckliche[56] Emolumente fallen, um die Augen zuzudrücken, oder, um nicht eidbrüchig zu werden, die Augen von dem Objekte der Aufmerksamkeit wegzuwenden. Wenn dieser Fall im Polizeyfache eintrift; so geht alles den Weg der lieben Natur – dann geben fruchtbare Jahre wohlfeile Preise; die Straßen sind rein – wenn es nicht regnet, und die Polizey wird zur Charlatanerie!


Prokuratoren – sind wie alle übrige Dinge in der Welt groß oder klein, männiglichen oder weiblichen Geschlechts. Die kleinen Prokuratoren welche solchen Leuten, die des Schreibens unkundig sind Aufsätze machen und – oft mit unnützen Querelen die Obrigkeit belästigen – dergleichen kleine unkundige Schreiber,[57] die den gemeinen Mann mit ihrem Charlatansansehen bethören, und ihres Vortheils wegen manchen zu unnützen Klagen aufwiegeln sind durch eine weise Veranstaltung zur Musquete verwiesen. Aber sie sind lange so schädlich nicht als die größern Prokuratoren welche mit Sitz und Stimme in den Gerichtshöffen aus den Ackten prokuriren, und das Metier des Konselunten und Richters zugleich treiben – in der Klage durch ihren Rath, und durch Abfaßung des Dekrets auch durch That ihren Klienten an Hand gehen, und sich bloß um deßwillen nicht zum Militair qualificiren weil sie einstehendes Gehalt nachzuweisen haben wovon sie leben, mithin das Nebengeschäfte des prokurirens mit mehr Sicherheit betreiben können.[58]

Die Prokuratoren weiblichen Geschlechts gehen am sichersten – ihre Vorträge machen nach den Graden ihrer Reizungen und der Stärke handgreiflicher Gründe, den meisten Eindruck, und kommen gewiß nicht zur Untersuchung, weil Verhandlungen in Cabinetten, das Siegel der Verschwiegenheit an sich tragen, und – von dem, was in Ehebetten vorgeht, nicht geschwatzt wird. Wenn alle Prokuratrizinnen indessen ebenfalls dem General von Kowalsky aßignirt werden sollten; so würde es ihm nicht schwer werden, ein artiges Bataillon Amazoninnen zu formiren. –


Priapus war zu der Römer Zeiten in großem ansehen. Der Dichter Piron in Frankreich machte ihm zu Ehren[59] ein berühmtes Gedicht, welches die Mitglieder der Akademie der Wissenschaften zu Paris ausnehmend schön fanden. – – In gewissen Reichen sollen ächte Abkömmlinge ihres seltenen Urahnherrn in qualitate qua viel gelten, und bloß durch ihr eigenes Verdienst Glück machen – welches nicht eben allezeit das Sort verdienter Männer ist. Wer sich heutiges Tages und hier zu Lande für einen ächten Sohn des Priapus ausgiebt, wird meist nur als ein Prahler und Charlatan angesehen, und – höchstens nur unter die frommen Wünsche solcher Damen gezählet, – welche nur durch große Verdienste gerühret werden können, und bloß aus lieber langer Weile mit frivolen Kleinigkeiten, ihr ausgebreitetes Fassungsvermögen[60] zu beschäftigen, sich herablassen.


Proceß – als Spielwerk betrachtet, mag für den, ders aushalten kann, eine ganz artige Beschäftigung seyn. Der Alchimist kennt keine grösser Glückseligkeit, als einen Proceß nach dem andern zu machen, um den Stein der Weisen zu finden, – an die Kleinigkeit, daß sein Vermögen drüber zum Rauchfang heraus fliegt, denkt er nicht einmal, – so angenehm beschäftigen ihn die ganz unerwartete Phänomene, welche wider aller Menschen Denken und Vermuthen, während des Processes zum Vorschein kommen. – Wer aber durch Processe den Stein der Weisen und Reichthum erhalten will, der muß philosophisch genug[61] seyn, sich im Besitz des Kaput mortuum und gehäufter Manualakten schon für einen glücklichen Adepten zu halten.


Quaker haben sich von je her mehr als vernünftige und ehrliche Leute betragen, wie diejenigen, die über sie lachten. Ihre Frömmigkeit beruth freylich nur auf die innern Gefühle im Christenthum, gegen welche ein englischer Bischoff – eine fast Wort vor Wort ins Teutsche travestirte Motion machte, aber diese quakerische Gefühle haben ihren Werth, weil sie ihre Verehrer in der Aufrichtigkeit, bey allem was sie glauben, sagen, und thun mehr erhalten – als die kalten Moralisten, welche bloß mit Gründen demonstriren, was sie nicht denken und nicht glauben. – – – –


[62] Quellen. Es ist ein großer Unterschied, die mineralischen Gesundheitswasser bey der Quelle zu trinken, und sie mit verrauchtem Geist in der Entfernung bloß aus Ton zu gebrauchen.

Unsere heutige Halbgelehrten blättern in Uebersetzungen, und schwatzen denen nach, welche von den Quellen aus eigener Kenntniß sprechen, ohne selbst die Quellen gesehen zu haben. – – So Cavalierement ist Wieland mit den Griechen bekannt, deren Geist ihm nur entwischt ist, – – und der hiesige Prediger Ulrich – zu seiner Ehre seys gesagt – ist nicht der einzige Reisebeschreiber – der nur nachschwatzt. Größere Männer wie er, haben sich nur Begriffe aus Hörensagen gesammlet, und[63] spielen eine große Figur bey denen, welche nicht wissen, welchen Nachbetern sie nachbeten.


Rang. Eine gewisse Ordnung in der Gesellschaft ist eben so wesentlich, als regelmäßige Zusammenstellung der verschiedenen Theile, welche ein symmetrisches und zweckmäßiges Gebäude ausmachen. Das Apartement für den Nachtstuhl kann nicht die Nische des Tafelzimmers seyn, wo ehrlichen Leuten Erfrischungen präsentirt werden. Jedes zur Zierde, zum Nutzen, und zu den verschiedenen Arten der Bequemlichkeit bestimmtes Hausmeuble ist nothwendig, aber – jedes an seinen Ort. Die verschiedenen Menschenklassen können eben so wenig überall bunt unter einander laufen – Jeder muß[64] die ihm zukommende Stelle einnehmen. Aber diese Ordnung wird oft lächerlicher Gegenstand der Satire, wenn Sucht, einen gewissen bloß schimeriken Rang, ohne Realitet zu behaupten, die leere Titulatur, der Wirklichkeit gleich setzen will.

Die Ordnungen des Militairs sind einmal der angenommene Maaßstab des Rangs, selbst für Civilpersonen. Unter letzten giebt es Titularmüßiggänger, die im Grunde nichts sind, ihrer müßigen Charge oder Titels wegen aber, sich dem einen oder andern Militairgrade gleich halten. Ein einziges Exempel erläutert die Sache, und wie dies Verhältniß vernünftiger Weise genommen werden muß. Die russische Kaiserinn Elisabeth hatte ihrem[65] Leibkutscher den Rang als Obrister beygelegt. Wenn der Herr Obrist, Kutscher Ihro Kaiserlichen Majestät, aber dem Lieutenant vom Mili tair zur rechten Hand hätte gehen wollen, so würde er sich ziemlich lächerlich gemacht haben.

Auf gleichen Fuß möchten sich alle bloß durch Titel graduirte Personen gegen diejenigen rechnen, die das wirklich sind, was jene heißen, und – wir würden nicht so oft das lächerliche Gedränge und Vorlaufen an denenjenigen gewahr werden, die sich ihren militairischen Rang bloß einbilden, welchen der jüngste Officier schon wirklich besitzet, und durch seinen reellen Dienst auch mehr verdient, als alle übrige Titularhelden, deren ganze Charge[66] in Händeküssen und Scharrfüßen besteht. – – – –


Rath. Die gesammte zahlreiche Zunft der Räthe verdienten ein besonderes Diktionair, oder wenigstens alljährlich einen eigenen Rathsalmanach, – so wie wir bereits mit einem Kirchen- und Ketzeralmanach, mit einem Musenalmanach und einem Theaterkalender versehen sind. Wie die zwölf Himmelszeichen über die zwölf Monathe des Jahrs präsidiren; so könnte gewiß auch jedem Monathe eine besondere Sorte von Räthen als Patron vorgesetzt werden. Allenfalls, und wenn die Zahl der Monathe nicht hinreichend wäre, um alle Klassen von Räthen unterzubringen, so dürften die Mondesviertel zu Hülfe genommen werden,[67] den, um einer Klasse das Departement des zunehmenden, der andern des vollen, der dritten des abnehmenden Monds zu geben; die blossen Titularräthe aber in Blanko zu setzen, wo gar kein Mond scheint. Weil bisher ein solcher Almanach für das zahlreiche Geschlecht der Räthe mit ihren Influenzen, Adspekten etc. noch nicht erschienen ist; so glaube ich immer, daß mir diese Arbeit vorbehalten bleibt, und ich hoffe, daß sämmtlichen Herren Räthen nicht übel wird gedient seyn, wenn sie zum erbaulichen Denkmal für die Nachwelt, altteutscher Sitte gemäß, so karakterisirt werden, daß nicht nur ihr Rath, sondern auch eines jeden That im Tempel der Unsterblichkeit aufgezeichnet werde, weil Rath ohne That nur eine[68] Charlatanerie seyn würde. Die Wichtigkeit der Räthe fürs allgemeine Landesbeste, wird noch ganz besonders durch ihre Beyträge zur Chargenkasse ins Licht gesetzt werden.


Reisen wird als ein wichtiges Stück der Erziehung angesehen, und bedeutet bey vielen jungen Leuten, welche durch Reisen gebildet werden sollten, so viel als Rasen – denn nach einem alten Grundsatz der Holländer, muß der Mensch in seinem Leben einmal rasen, um ein formirter und vernünftiger Mann zu werden, so wie teutsche Jünglinge die meiste Zeit so rasend reisen, daß sie für ihr ganzes Leben als unerträgliche Thoren in ihr Vaterland zurückkehren. Viele verraseten auf ihren Reisen Vermögen, Gesundheit[69] und Vaterlandsliebe – den Verstand oben drein, wenn sie welchen in fremde Länder mitgenommen hatten. So ziemlich merkt mans den gereiseten Jünglingen an, in welchen Reichen sie gereist sind. Die, welche aus Frankreich zurück kommen, haben meistentheils das Gepräge der Petitmaitres, der Tanzmeister und Commödianten; und den durch seine Reisen geengländerten Teutschen, erkennt man an seiner bisarren Laune, an den nachgeahmten Spleen, und – oft an angenommener Grobheit, welche für das Runde der Sitten eines alt brittischen Jaques Rosbief debitirt wird.

Vor einiger Zeit fiel die Raserey des Reisens auf teutsche Bellettristen, die dem empfindsamen Yorick nachtändelten,[70] und am Schreibpult mit weinenden Augen so trübselig reiseten, daß man ohne Sünde über sie lachen konnte. Der um die Erdbeschreibung sehr verdiente Büsching reisete dagegen wirklich von Berlin nach Reckane – eine lange Reise von etwa acht Meilen; nach deren Verhältniß auch seine Beschreibung ohngefähr acht Meilen lang gerathen ist. Sollte dieser fruchtbare Mann allenfalls noch eine Reise um die Welt thun; so dürfte der Weltraum nöthig seyn, seine Beschreibung zu fassen, und ein Weltalter, um sie zu lesen.


Religion. Was Menschen lehren, die mit der Religion ihren Trafik haben, und von diesem Commerz leben, darinn mischen sich eine. Menge[71] Charlatanerien. – Gottes Wort nicht durch Träume und Inspirationen geoffenbahrt, sondern von ihm selbst durch seine allverkündigende Werke gepredigt, jedem der Ohren hat zu hören, und Verstand zu fassen; lehrt durch die ganze Welt nur eine Religion; – die Religion der Gottesverehrung, des Rechtthuns und der allgemeinen Liebe.

Von der Verschiedenheit der menschlichen Religionsmeinungen läßt sich reden, und mit Freyheit die Versuche wagen, das Wahre von dem Falschen zu unterscheiden – aber wenn es wahr ist, daß die ausübende Religion darinn besteht, sich Gott ähnlich zu bilden, so haben alle Religionspartheyen gleiche Ansprüche an unsere Liebe und Menschenpflichten – Der Mahomedaner[72] wie der Christ, der Jude wie – der Anhänger des Confuzius der Chineser; – denn Gott macht unter allen diesen keinen Unterschied – seine Sonne erfreut alle, und sein Regen schaft für alle Fruchtbarkeit und Erquickung. Gott fordert nur gute Menschen. – Das wahre Interesse des Staats verlangt nur gute Bürger – aber der unsinnige Aberglaube in katholischen Landen z.B. fordert Anerkenntniß des Pabstes als eine unumgänglich nöthige Eigenschaft zu jedem Posten im Staat. – – – – Dem Himmel sey Dank! nicht mehr überall, und selbst die Protestanten werden schon in einigen aufgeklärt werdenden Landen in Landeskollegien geduldet. – Bey Protestanten und in Preußens toleranten Staaten,[73] wird wenigstens ein Taufschein erfordert, um die Rechte der Menschheit und des Bürgers zu genießen – Nur die Beschneidung ist auch noch unter uns ein Stein des bürgerlichen Anstoßes, worüber – unsere Nachkommen noch einmal lachen werden.


Reliquien. Von den Heiligen werden Knochen, Haare, Zähne und Kleidungsstücke als verehrungswerthe Reliquien auf bewahrt, nachdem ihr Wandel und ihre gute Thaten längst verlohren gegangen sind. – – Moser schrieb einstweilen Reliquien die schon Makulatur geworden sind; so wie er selbst schwerlich eine Reliquie werden dürfte, deren Verehrung auf die Nachwelt wird fortgepflanzt werden, nachdem das[74] Joch seiner Despoterey zerbrochen worden ist.


Ritter – deren Geschichte verliehrt sich in die dunkelsten Jahrhunderte von welchen nur eine schwache in Finsterniß sich verliehrende Dämmerung dem forschenden Blick entgegen schimmert. Die allerältesten Ritter waren Ebentheurer welche die Welt zu Fuße durchstrichen, mit Herzhaftigkeit, Enthusiasmus und mit einer Keule bewaffnet um wilde Thiere todtzuschlagen und Ungeheuer der Fantasie, in natürlichen Löwen und Tiegern zu bekämpfen. Der Trieb der Ehre reizte sie zu großen Thaten. – Die unschädlichste Art von diesen Ebentheurern machten Chimären ihres siedenden Gehirns zu Gegenständen ihres Heldentriebs,[75] welche aufzusuchen sie weit umher zogen. Andere wurden wirklich Wohlthäter der Menschen, indem sie ein eigenes Metier daraus machten, den Schwächern gegen die Anfälle der Stärkern zu schützen, und gegen die Raubgier der Menschen und der Thiere sicher zu setzen; und wieder andere setzten ihr Heldenthum darinn, sich mit Gewalt alles zu unterjochen, und Tyrannen der übrigen Menschen zu werden. Von der letztern Sorte scheint der Tradition nach, Nimrod gewesen zu seyn – der zuerst den Thieren den Krieg machte, und ein gewaltiger Jäger wurde; hernach aber Menschen unter seine Bothmäßigkeit brachte, und den ersten Grund zu einem Reiche legte, welches nachher in der Geschichte merkwürdig wurde.[76] Herkules hingegen war bloß ein herumziehender Ritter, der nichts eigenes suchte oder hatte, als das Fell eines von ihm erschlagenen Löwen, und seine Keule, mit welcher er aus bloßer Justitzliebe Gerechtigkeit ausübte, und alle bestrafte, welche Gewalt und Unrecht an andern ausübten.

Von dieser Gattung waren die Richter und Heilande in Israel zur Zeit der Anarchie, die sich aus blossem Heldentriebe aufwarfen, als Heerführer denen Feinden des jüdischen Volks Widerstand zu thun. – Die Geschichten dieser Richter und Heilande sind ganz im Geschmack der ältesten Ritter; und Simson, durch seine gerühmte Leibesstärke sowohl als durch seine verliebte[77] Schwachheiten, ist der wahre Herkules der damaligen Juden.

Der Name Ritter wurde indessen zuerst unter den Römern gebräuchlich, bezeichnete die Helden, welche ihre Thaten zu Pferde verrichteten, und für edler gehalten wurden, als die besten Fußknechte. Ein altrömischer Ritter mochte immer auch Enthusiast für Ehre und Patriotismus seyn, aber – er war kein Schwärmer. Diese entstanden erst unter christlichen Fürsten zu den Zeiten der Kreutzzüge. Sie bildeten sich durch Fanatismus, durch ein gewisses Gespenst von Ehre, und – durch die Liebe. Die westlichen und südlichen Theile Europens, Frankreich, Spanien, und zuletzt auch Teutschland, waren der eigentliche Sitz der schwärmerischen Ritterschaft.[78] Der verderbliche Hauch des priesterlichen Despotentriebes und des Religionshasses gieng vom päpstlichen Stuhl aus, um durch Bann und Ablaß, den Geist der Ritterschaft gegen die Eroberer des gelobten Landes zu beleben, und durch Fanatismus die christlichen Mächte zu schwächen, und das Uebergewicht der europäischen Fürsten, die dem römischen Hofe gefährlich werden konnten, ins Heilige Grab zu senden. Wahre Charlatanerie des Aberglaubens war die Seele dieser Ritter, die ihr Vaterland und ihre Hufen verließen, um die Rudera und Steinhaufen Jerusalems zu erobern. – Die Ehre war die heilige Richtschnur dieser Helden, die auf Rauben und Plündern ausgingen, und die Liebe zu ihren Dulzineen,[79] deren sich diese Ritter im heiligen Kriege würdig machen wollten, bewog sie nicht weniger auf Ebentheuer auszugehen, um ihren daheime schmachtenden Schönen, ein von Sarazenen zerfetztes Knochengerippe in die Arme zu liefern, falls sie ja einmal aus Asien nach ihrem Vaterlande zurückkehren sollten.

Zu Friedenszeiten hielten sich die Ritter in der Uebung durch Tournirspiele sich unter einander die Hälse zu brechen. In Ermanglung anderer Feinde, zogen welche umher, um bezauberte Prinzeßinnen aufzusuchen, oder entführte Schönen ihren Eroberern aus den Händen zu reißen. Sie errichteten Ordens unter sich, gelobten Keuschheit, und ewige Feindschaft den Türken, und wurden davor als gewafnete streitbare Diener[80] der Kirche reichlich mit Commenderien dotirt. Viele legten feste Schlösser an, thaten aus selbigen Ausfälle, um Freunde zu beschützen, und was nicht Freund war – anzugreifen oder zu plündern. Von welcher Seite wir es immer betrachten; so ist die Geschichte unserer Ritterschaft in ihren Urahnherrn überaus erbaulich, und rechtfertiget einen jeden auf seine Ahnen recht sehr stolz zu seyn. Die heutigen Ritter sind weit ruhigere Leute. – Die Ceremonie des Caravannenmachens ist nicht so gefährlich, als ein Creutzzug nach dem gelobten Lande – und der Rittergenuß einer einträglichen Commenderie; damit gehts – wie mit den Ahnen, die ehedem erworben wurden, und die man jetzt nur zu zählen braucht, welches bey[81] alledem einen sehr angenehmen Unterschied ausmacht.

Die neuern sich selbst hervorthuende Ritter heißen Glücksritter (Chevaliers d'industrie) sind aber nicht so genügsam, wie weiland die edlen alten Ritter, durch welche man sich für eine mäßige Ritterzehrung schon eine gute Strecke Weges konnte begleiten lassen, wenn man sicher seyn wollte, nicht beym Vorbeyreisen der Raubschlösser von andern edlen Rittern geplündert zu werden.


Römisch – Was man sonst römisch in Absicht auf Gesinnung und That nannte gehört jetzt nicht mehr in Rom zu Hause. Die alten Römer dachten frei und starck, lebten wie Helden, und als Weise, und ihre Thaten hatten das patriotische Gepräge[82] des freien Bürgers, der sich im höchsten Verstande Theilnehmer an das allgemeine Landesbeste fühlt – und Seelengröße hat sich für das Wohl des Vaterlandes aufzuopfern. Der edle Römer war ein zuverläßiger Freund, aber auch ein furchtbarer, und doch in Gelegenheit großmütiger Feind. Verrätherei, List, Verstellung und was in folgenden Zeiten den Nahmen Politick führte, war eines römischen Herzens unwürdig. Dieser Carakter des alten Roms ist verloschen – nur die Gegend und der Nahme ist übrig geblieben – aber die Begriffe sind geändert und wir dencken uns nicht altrömische Tugenden wenn wir eine Denckungs- und Handlungsmanier nach italienischem Maaßstab beurtheilen. Von einem[83] Teutschen der sich nach dem Carakter der jetzt dort lebenden Nation gebildet hat, sagen die Italiäner selbst: Un Tedesco italienato e peggio ch'un diavolo incarnato – (Ein nach italienischen Grundsätzen geformter Teutscher ist ärger als ein eingefleischter Teufel). Das alte und das neue Rom machen den grösten Kontrast aus, den jemahls eine Gegend erfahren hat. Der Lukretia und den Vestalinnen, sukzedirten die Meßalinen – Auf Philosophen folgten Priester – welches alles gesagt heist. – Stat der sonst unüberwindlichen Legionen siehet man jetzt päbstliche Soldaten, deren Ansehen noch unsoldatischer ist als die unzehlige Menge der Mönche. Rom in seiner würdevollesten Epoke war der Wohnsitz der Sicherheit –[84] unter einigen Kaisern wurde es zur Scharfrichterei, und unter dem Regiment christlicher Priester die Offizin des Giftmischens und die Mutter der Banditen – – –

Auf gleiche Weise drückt man den ganzen Carakter einer Nation aus wenn man sagt: auf gut englisch, französisch, dänisch, teutsch etc. Aber zu der Zeit da man so sprichwörtlich Nationen bezeichnete war es anders wie jetzt. Englisch, war rund und brav, französisch hieß so viel als edelmütig, und der Lobredner dieser Nation sagt: Des Chevaliers françois tel est le Caractere wenn er die Großmuth in ihr schönstes Licht gesetzt hatte – Dänisch war's wenn einem bei freundschaftlichen Gastmahlen die Kehle unvermuthet abgeschnitten wurde[85] und teutsch hieß eine, in jedem Betracht ehrliche Behandlung. In einem so hohen Grade hat denn doch keine Nation geändert als die vorbeschriebene römische – es müste denn die teutsche Nation seyn, deren Ehrlichkeit durch die heutige französische Politesse überaus abgeschliffen ist – aber doch noch immer viel Komplimente erhält, nur bloß auf eine etwas merckliche Weise in den Sitten verlohren hat.


Sabbath – Dem Institut nach, ein feyerlicher Tag in der Woche, wo der müde Arbeiter das Glück der Ruhe, der Knecht ausgespannt aus dem Joch der Dienstbarkeit, Freyheit fühlen, und jeder an dem Geräusch und Betäubung der Geschäfte zu sich selbst kommen, und abgezogen[86] von den Kleinigkeiten täglicher Bedürfnisse, auf Geistes Befriedigung denken soll, die noch jenseit des Grabes hinaus dauret.

Abgewogen gegen seinen Zweck, ist der Sabbath zur Charlatanerie geworden. – Ein Tag den der Große nicht unterscheidet, wo der Mittelmann und der geringere sich besser kleidet als in der Woche, um Kirchenparade zu machen, wo etwas besser gegessen wird, als alltäglich – an welchem die Promenaden, die Plätze der öffentlichen Zusammenkünfte mehr frequentirt werden, die Vauxhals, Tanzböden und Tabagien die meiste Einnahmen haben, und an dessen Schluß jede feile Dirne sich am leichtesten an Mann bringen kann. – Ein höchst schädlicher Tag im Staat für[87] den Arbeiter, an welchem der größte Theil den Verdienst der ganzen Woche verschwendet – der entweder selbst durch schärfere Polizeygesetze müßte gehalten werden, um es Menschen ins Gedächtniß zu bringen, daß sie Menschen sind – oder mit wahren Vortheil fürs gemeine Beste, lieber ganz sollte abgeschaft werden.


Salomo. Großsultan über Israel, ein würdiger Sohn und Thronfolger Davids, welchen dieser Mann nach dem Herzen Gottes, mit seiner Sultane Favorite der Bathseba erzeuget hatte, nachdem ihr Ehemann durch ein lettre de Cachet fortgeschaft und bestimmt war, den rühmlichen Todt fürs Vaterland zu sterben. Der Eindruck den diese schöne Frau[88] einstweilen im Bade mit ihren Schnee weißen Hüften auf den frommen David verliebten Andenkens, gemacht hatte; erhielt sie in der Folge durch ihre Klugheit, und wußte noch auf seinem Todtenbette ihn zu disponiren, ihren Sohn zu seinem Nachfolger zu ernennen, welches David ihr nicht abschlagen konnte, da sie nach den Maximen kluger Weiber die Komplaisance hatte, kein Wörtchen dawider zu sagen, daß ihr Herr Ehegemahl sich noch in seinem hohen Alter die Abisag von Sunim als Maitresse beylegte, um sich von diesem jungen Mädchen wärmen, und auf eine angenehme Weise an die Sünden seiner Jugend erinnern zu lassen, um mit desto lebhafterer Empfindung Gott zu bitten, derselben nicht weiter zu gedenken.


[89] Salomo bestieg den Thron mit vielen Ruhm, und machte dem Andenken seines Vaters, durch weise Erfüllung seines letzten Willens, Ehre. David hatte aus menschlicher Uebereilung, seinem General en Chef Joab versprochen, ihn nicht zu tödten – denn Joab hatte ihm wichtige Dienste geleistet, und ihn von seinem aufrührerischen Prinzen Absalom erlöset; auch dem Simei hatte er sein königliches Wort gegeben, die Vorwürfe nicht zu rächen, die ihm dieser wegen so vielem unschuldig vergossenen Blut gemacht hatte. – Nun war David ein Mann von Wort, und ließ beyde bey seinen Lebzeiten in Ruhe: aber, da vergeben nicht immer vergessen ist; so empfal er in seinem Testament dem weisen Salomon, sie bey[90] Gelegenheit hinrichten zu lassen, und dieser exekutirte das Todesurtheil, welches David in seinen letzten Stunden gesprochen hatte, ließ den Joab auf den Altar todtschlagen, und dem Simei Stadtarrest geben, um ihn das erstemal, da er solchen brechen, und vor's Thor gehen würde, umzubringen.

Solchergestalt bewies er sich gegen den Willen seines Vaters als einen gehorsamen Sohn; und bey erster Gelegenheit, da ihm eine Partikulairkonferenz mit Gott träumte, und er die Erlaubniß erhielt, sich eine Gnade auszubitten; bat er nicht um Reich thum und langes Leben, sondern um ein gehorsam Herz gegen die Gesetze Gottes, welches ihm zwar zugestanden, aber nicht sonderlich[91] in Ausübung gebracht wurde, weil sich bald nachher dieses erhaltene gehorsame Herz fremden Göttern zuneigte, und dem Molech Kinder opferte, wie in dem von ihm erbaueten prächtigen Tempel, er dem Gotte seines Vaters, Ochsen bey tausenden schlachten ließ, um es mit keinen zu verderben. Sein erbetener Gehorsam litt also immer einige Einschränkung, aber sein nicht erbetener Reichthum wurde ihm ohne Maaß zu Theil, – er war der glücklichste Kaufmann, der seine Schiffe aus Ophir sicherer in Hafen brachte, als der gute Candide seine mit Reichthümern aus Eldorado befrachtete hundert Hammel.

Von seiner Weisheit wurde viel Lermens gemacht als er auf eben[92] die Weise wie ein türkischer Kadi die Wahrheit ans Licht brachte; welcher von beiden klagenden Müttern das streitige Kind gehörte? und wegen der gepriesenen Weisheit dieser Methode ist es höchlich zu verwundern daß solche beim hiesigen Cammergericht nicht gleichfals ist beobachtet worden da solches schon ähnliche Fälle zu dezidiren gehabt hat; als sich mehr Väter stritten, welchen von ihnen der Sohn gehörte, zu dessen Anfertigung viele ihre Kräffte angewandt hatten?

In der Kunst Räthsel aufzulösen soll er dem Oedippus nichts nachgegeben haben nur schade daß deren keins auf unsere Zeiten gekommen ist, außer das bekannte Räthsel[93] welches er der Königinn von Saba auflösete welche gekommen war seine Talente auf die Probe zu stellen – und welches jeder ehrliche Mann eben so gut hätte auflösen können, da es bloß in der Prokreation eines jungen Sohns bestand. In der Weiberliebe und in einem zahlreichen glänzenden Serail übertraf er wircklich den Großtürcken, er war der Ovid seines Zeitalters und übertraf den Ariost in den Gemählden der Wollust – lamentirte am Ende über die Eitelkeit der Dinge, und über die Unersättlichkeit der Weiber und wurde zuletzt – ein Bavard – – –

Mit allen Respekt für Salomons Größe vergeb ichs keinem Dichter[94] der dem preußischen Monarchen die Lobrede hält; daß er der Salomo in Norden (le Salomon du nord) sey. Dieser gute nie Blutliebende König, fing seine Regierung nicht mit Hinrichten an – und nicht mit beten, sondern mit Thaten. Er bauete keine unnütze Schlachthäuser sondern Gebäude für Menschen – Er brachte seine Regierung nicht in Weichlichkeit hin, sondern die Glückseligkeit seiner Staaten zu sichern als Held, zur Zeit des Friedens als Regent, und als Weltweiser. – Er ließ sich nie von Weibern regieren, und unterhielt kein Serail. – – – Es würde für den Salamo ein Compliment seyn, wenn man ihn mit guten Gewissen den Israelitischen[95] Friedrich nennen könnte. Aber für den Thatvollen Friedrich ist es keine Lobrede, ihn mit dem weibischen Tyrannen Salomo zu vergleichen.


Nachricht. In Zeit von 3 Wochen werde ich eine besondere Piece unter dem Titel: Entlarvtes Nationalvorurtheil etc. ins Publikum erscheinen lassen. Die Ausgabe dieser Piece von etwa 12 Bogen für 12 Gr. geschieht auf einmal, und werden nicht mehr gedruckt als bestellt werden. Liebhaber, welche dieses Werkchen haben wollen, belieben mir ihren Namen und Adresse zu senden, auch die Zahl der Exemplarien wie viel sie verlangen, zu bemerken, weil die Stärke der Auflage sich nur nach der Zahl der Subscribenten richten wird. Wer 12 Subscribenten sammlet, erhält das 13te gratis. Berlin den 16. May 1781.


Der Verfasser der Lieblingsstunden.[96]

Fußnoten

1 Auf deutsch: Begnüge dich an den Schlendrian, und sey nicht klüger wie deine Collegen; aber halte dir deinen Vorgesetzten zum Freunde.


Quelle:
[Cranz, August Friedrich]: Charlatanerien in alphabetischer Ordnung als Beyträge zur Abbildung und zu den Meynungen des Jahrhunderts, 1–4, Berlin: 41781, 21781, 1781, 1781 [Nachdruck Dortmund 1978].
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