[Des Lebens große Sonnerklärung]

[12] Des Lebens große Sonnerklärung

Erwacht im menschlichen Verstand,

Sie ist die reinste Lustgewährung

Der Gluth, die sich im Glück erkannt!


Die Brandung, die uns tief durchwuchtet,

Die schaffend, singend uns durchtönt

Und durch bewußtes Thun befruchtet,

Ist überall von Glück gekrönt.


Die Sonne wird uns Kraft gewahren,

Da Mühsal die Vernunft erhält:

Von Flammen, die sich nie verzehren,

Wird Gluth und Glück zum Licht geschwellt.
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Wir können froh den Tag genießen,

Da sich die Menschheit frei verband,

Nicht mögen wir uns scheu verschließen:

Die Sitte ordnet der Verstand.


Die große Sonn und Erdvermählung,

Die sich so reich ins All gefügt,

Die wir geahnt in der Erzählung,

Bis unsere Einsicht sie erglüht,


Die hat harmonisch uns durchklungen:

Sie ist in uns herangereift,

Hat voll und herrlich uns durchdrungen

Und Furcht und Hoffnung abgestreift.


Ein Band muß strahlend sich gestalten,

Das Welten aneinander schweißt:

Erfüllung ruht in solchem Walten,

Wo alles Sein urselbst sich preist.

Quelle:
Theodor Däubler: Das Nordlicht. Teil 2, München; Leipzig 1910, S. 12-13.
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